Homeoffice-Effekt treibt PC-Aktien
HP und Dell galten bereits als verstaubt, bevor der Homeoffice-Effekt in der Coronakrise das Interesse an ihren Computern wieder ankurbelte. Zuletzt haben die beiden US-Branchenriesen starke Zahlen vorgelegt. Der breit aufgestellte chinesische Marktführer Lenovo ist bei Analysten aber weitaus beliebter.Von Alex Wehnert, FrankfurtBei den US-Computerproduzenten hat die Coronakrise für neue Dynamik gesorgt. Vor Ausbruch der Pandemie galten die Hardware-Hersteller als verstaubt, das Interesse an ihren Produkten befand sich im Niedergang. Doch dass in Zeiten der Pandemie viele Arbeitnehmer ins Homeoffice wechseln mussten, dort aber keine adäquate Ausrüstung mehr vorfanden, hat bei Unternehmen wie Dell Technologies und HP Inc. die Nachfrage angekurbelt.Das haben auch die Quartalszahlen unterstrichen, die beide Konzerne für ihre Ende Oktober abgelaufenen Geschäftsquartale vorlegten: Dell steigerte das operative Ergebnis gegenüber dem Vorjahr um 35 % auf über 1,1 Mrd. Dollar. Die Erwartungen der Analysten übertraf das Unternehmen auch mit der Umsatzsteigerung um 3 % auf 23,5 Mrd. Dollar. Konkurrent HP Inc. hingegen vermeldete einen Umsatzrückgang um 1 % – dieser fiel aber geringer aus als erwartet, zugleich erreichten die Auslieferungen im vierten Geschäftsquartal Rekordniveau.Die fundamentale Stärke macht sich auch an der Börse bemerkbar: Die HP-Aktie hat zwischen Anfang November und gestern Abend um über 30 % zugelegt, bei Dell beträgt der Zuwachs gar 35 %. Die Deutsche Bank zeigt sich auch für die weitere Entwicklung bei Dell optimistisch: Der Konzern habe seine Widerstandsfähigkeit gegen Unsicherheiten auf Makro-Ebene bewiesen. Das vorhandene Spin-Off-Potenzial bei einigen Unternehmenssparten sei zudem ein unterschätzter Faktor. Bloomberg Intelligence sieht in einer möglichen steuerfreien Abspaltung der Cloud-Tochter VMWare über den Aktienmarkt einen potenziellen Werttreiber sowie eine Option, die Schuldenlast zu erleichtern. Infrastruktur bereitet SorgenAuch die Deutsche Bank will in VMWare Potenziale erkannt haben und empfiehlt Dell unter anderem deshalb zum Kauf – auch insgesamt ist die Analystenstimmung bezüglich des Titels recht positiv. Laut Bloomberg empfehlen 55 % die Aktie zum Kauf, die restlichen 45 % setzen ihn auf “Halten” oder “Equal Weight”. Zur letztgenannten Gruppe zählt auch die britische Großbank Barclays. Vorsichtig stimmt die Analysten, dass sich das Rechenzentren-Geschäft verhalten entwickle und größere Infrastrukturprojekte verschoben werden müssten. Zudem hätten Käufe von Dell-Produkten durch die US-Regierung einen überdurchschnittlichen Einfluss auf die Bilanz des dritten Quartals gehabt, während die Nachfrage nach und Bepreisung von Desktop-Rechnern im kommerziellen Bereich insgesamt schwach bleibe.Jedoch fallen die Analystenmeinungen bei HP insgesamt deutlich negativer aus: Laut Bloomberg stehen 29,4 % an Kaufempfehlungen 11,8 % an Verkaufsvota gegenüber, 58,8 % raten dazu, die Aktie zu halten. Auch die Barclays-Analysten sehen derzeit nur begrenztes Aufwärtspotenzial, wie sie mit ihrem “Equal Weight”-Votum und einem Kursziel von 22 Dollar deutlich machen. HP verfüge im Computermarkt über eine solide Position, das überraschend starke Druckergeschäft sei im abgelaufenen Quartal zudem entscheidend gewesen. Allerdings gefährde die Coronakrise eine Erholung des Geschäfts im kommerziellen Einsatzbereich, gerade im Druckersegment. Zudem müsse HP in den beiden größten Geschäftsbereichen PC und Drucker dauerhaft um seine Position kämpfen, was die Margen belaste. Während Billiganbieter die Preise drückten, wachse die Konkurrenz zwischen den vier größten Spielern am Markt weiter.HP verfügte im dritten Quartal des Kalenderjahres 2020 laut Bloomberg Intelligence weltweit über einen Marktanteil von 23 %, Dell kam auf 14,8 %. Hinter den beiden folgte Apple mit 8,5 %. Übertroffen werden sie alle aber vom chinesischen Branchenführer Lenovo, der auf einen globalen Marktanteil von 23,7 % kam. Auch bei den Analysten ist die in Hongkong gelistete Aktie des Konzerns Branchenfavorit: 78,3 % empfehlen sie zum Kauf, Verkaufsempfehlungen finden sich derzeit nicht.Lenovo habe ihr Marken- und Produktportfolio durch Zukäufe, darunter die Übernahmen der PC-Sparten von IBM und Fujitsu, stetig erweitert, heißt es bei Bloomberg Intelligence. Der Konzern verfüge über eine diversifizierte Präsenz in über 180 Märkten sowie die in Corona-Zeiten notwendige Flexibilität in der Lieferkette. Indes beurteilen die Analysten von J.P. Morgan die langfristigen Aussichten im Geschäft Servergeschäft positiv.Auch für andere PC-Konzerne dürfte weiteres Wachstum abseits der klassischen Geschäftsbereiche wichtig werden. Denn es stellt sich die Frage, wie nachhaltig der jüngste Anstieg der PC-Verkäufe und dessen Effekt auf die Kurse ist – einer Aufrüstung des Homeoffice dürfte bei vielen Arbeitnehmern schließlich nicht sofort die nächste folgen.