Hongkongs Aktienmarkt setzt zur Rally an

Hang Seng seit Jahrestief von Mitte August um 8 Prozent erholt - Marktteilnehmer hoffen auf Ende des Handelsstreits und Abflauen der Unruhen

Hongkongs Aktienmarkt setzt zur Rally an

Nach der von den Unruhen in der Sonderverwaltungszone ausgelösten Schwäche hat der Hongkonger Aktienmarkt zu einer Rally angesetzt. Getrieben von Hoffnungen auf eine Einigung im Handelsstreit und ein Abflauen der Unruhen hat sich der Hang Seng seit seinem Jahrestief um 8 % erholt.Von Ernst Herb, HongkongNachdem der Hongkonger Aktienmarkt Investoren im ersten Quartal 2019 mit der nach den Festlandbörsen weltweit besten Performance verwöhnt hatte, setzte im April eine wilde Talfahrt ein. Doch seit Anfang Oktober hat am drittgrößten asiatischen Aktienmarkt eine zunächst zögerliche, dann zuletzt immer stärker werdende Erholung eingesetzt.Gründe für die zeitweise Schwäche waren neben dem sich in die Länge ziehenden chinesisch-amerikanischen Handelskrieg die eskalierenden Proteste in Hongkong. Wie stark sich all das auf das Geschäftsklima und damit auch auf die Aktienkurse ausgewirkt hat, zeigt sich daran, dass die Wirtschaft Hongkongs in der zweiten Hälfte des Jahres trotz der global fallenden Zinsen und von der Regierung eingeleiteter wachstumsstützender Maßnahmen in eine tiefe Rezession eingetreten ist. Das hat vor allem die Titel von Hongkonger Immobilienkonzernen wie etwa Sun Hung Kai Properties und Wharf unter Abgabedruck gebracht. Sie leiden vor allem unter den eingebrochenen Mieten von Gewerbeimmobilien. Hongkonger Banken wiederum spüren zunehmend die Auswirkungen der globalen Geldschwemme. Die damit verbundenen schrumpfenden Zinsspannen schmälern ihre Gewinne.Doch dank eines sich jüngst aufhellenden Umfeldes haben Hongkonger Aktien im Oktober zu einer Rally angesetzt. Dabei haben sich die guten Nachrichten zuletzt förmlich überschlagen. So haben jüngste Äußerungen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump und seines chinesischen Amtskollegen Xi Jinping erneut Hoffnungen auf eine baldige Beilegung des Handelsstreits aufkommen lassen, auch wenn die Unterzeichnung des Gesetzes zur Unterstützung der Demokratiebewegung durch Trump eine Einigung verzögern könnte. Auch hat sich mit dem erdrutschartigen Sieg der Opposition in den Hongkonger Bezirksratswahlen die Tür für politische Reformen und damit eine Beruhigung der seit beinahe sechs Monaten anhaltenden sozialen Unruhen geöffnet.Nicht zuletzt ging am Dienstag die Zweitnotierung des chinesischen Onlinehändlers Alibaba an der Hongkong Exchanges & Clearing (HKEX) erfolgreich über die Bühne, was allgemein als Vertrauensbeweis in den lokalen Finanzmarkt gewertet wird. Befürchtungen, dass die Unruhen den Hongkong-Dollar unter massiven Abwertungsdruck bringen und eine Kapitalflucht aus dem Territorium auslösen, scheinen damit zumindest für den Moment vom Tisch zu sein. Zwölf-Monats-KGV von 10Der Hongkonger Hauptindex, der am Wochenende seinen 50. Geburtstag gefeiert hat, hat seit seinem Jahrestief vom 15. August von 24 890 Punkten denn auch um 8 % auf 26 894 Zähler zugelegt. Doch mit seinem seit Jahresbeginn realisierten Plus von 4 % liegt der Hang Seng immer noch weit hinter dem Shanghai Composite Index zurück, der im selben Zeitraum um 16 % zugelegt hat. Diese Diskrepanz allein gibt nach Einschätzung von Analysten Hongkonger Aktien ein erhebliches Aufwärtspotenzial. Auch die Bewertung des Hang Seng weist auf eine längere Aufholjagd hin. Nach Einschätzung von Analysten des US-Finanzhauses Morgan Stanley beläuft sich das gleitende Zwölf-Monats-KGV des Hongkonger Hauptindex nur auf rund 10.Wie nachhaltig die Rally ist, hängt indes vor allem davon ab, wie schnell sich die Unternehmen von all den wirtschaftlichen Widrigkeiten der vergangenen Monate erholen können. “Die schlimmste Phase des sich verlangsamenden Gewinnwachstums scheint vorbei zu sein. Jetzt müssen Investoren auf Zeichen der Erholung achten”, heißt es in einem Kommentar von Morgan Stanley.Allerdings gilt es dabei auf lokale Eigenheiten zu achten. Das zeigt sich schon einmal daran, dass an der Börse Aktien wie eben diejenigen der großen Immobilienkonzerne nicht mehr die größte Rolle spielen. Zunehmendes Gewicht erhalten haben in den vergangenen drei Jahren Aktien ausländischer Unternehmen wie die des Versicherungskonzerns AIA, die mit einem Plus von 23,5 % in den vergangenen Monaten eine starke Stütze des Hang Seng waren. China immer dominanterVor allem geben in der Sonderverwaltungszone zunehmend große chinesische Konzerne wie etwa das Geldhaus Industrial and Commercial Bank of China, das IT-Unternehmen Tencent oder der Computerbauer Lenovo den Ton an. Sie sind von den lokalen Konjunkturzyklen weitgehend isoliert. Dagegen reagieren sie naturgemäß besonders stark auf chinesische Konjunkturdaten. Sie werden schlussendlich ebenfalls darüber entscheiden, wie nachhaltig die Rally des Hang Seng ist. Diese Aktienkategorie macht weit mehr als 50 % der Marktkapitalisierung und des täglichen Umsatzes der Hongkonger Börse aus. Seitdem Festlandchinesen im Rahmen des vor fünf Jahren von den Börsenbetreibern Hongkongs und Shanghais lancierten Stock Connect in Hongkong notierte Wertpapiere kaufen dürfen, spielt das Thema China hier eine noch dominantere Rolle.