IM INTERVIEW: ARMIN ZINSER, SOCIÉTÉ DE GESTION PRÉVOIR

"Im Endeffekt kommt es nicht auf Bewertungen an"

Fondsmanager: 14 000 Zähler im Dax möglich - Große Blase am Anleihemarkt

"Im Endeffekt kommt es nicht auf Bewertungen an"

Die stark gestiegenen Bewertungen an den Aktienmärkten bereiten Armin Zinser keine allzu großen Sorgen. Der Aktienstratege und Fondsmanager der französischen Société de Gestion Prévoir sieht die Aktienmärkte durch die üppige Liquidität gut unterstützt. An sorgfältigem Stock Picking führt seiner Meinung nach aber kein Weg vorbei. Herr Zinser, die Aktienmärkte haben sich unerwartet deutlich vom Corona-Crash erholt. Sehen Sie auf den erreichten Höhen noch Potenzial?Ich bin aufgrund der Aktionen der Zentralbanken und der Hilfsprogramme der Regierungen relativ zuversichtlich. Im Endeffekt kommt es nicht auf die Bewertungen an, sondern darauf, dass viel Geld vorhanden ist, das investiert werden muss. Solange Geld vorhanden ist, und das ist es ohne Zweifel, sind die Aktienmärkte gut unterstützt. Ohne eine zweite Infektionswelle werden wir wahrscheinlich die jetzt noch vorhandenen Verluste in den Indizes bis zum Jahresende ausradieren, das heißt, wir gehen mit einer “schwarzen Null” aus dem Jahr. Für den Euro Stoxx 50 würde das bei einem erwarteten Schlussstand vom jetzigen Niveau aus noch einen Zuwachs von rund 12 % bedeuten. Für den Dax halte ich immerhin 14 000 Zähler noch für möglich. Der Dax hat eine Phase der Outperformance hinter sich. Profitiert er mit seiner stark zyklischen Zusammensetzung und Exportorientierung von den Hoffnungen auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung?Die Outperformance in der Risk-on-Phase hat vor allem auch technische Gründe. Der Dax ist der einzige Index europaweit, der die ganze Coronaphase über geshortet werden konnte. Daher profitiert er heute auch, im Gegensatz zu den anderen europäischen Indizes, von Eindeckungen. Aber die Börse funktioniert nach eigenen Regeln. Die Kurse werden nicht allein von den Fundamentaldaten getrieben, sondern auch von der Liquidität an den Märkten. Davon gibt es genug. Besteht die Gefahr einer Blase am Aktienmarkt?TINA (“There is no alternative”) ist zurzeit der beste Freund des Aktionärs. Die Zentralbanken drucken quasi Geld, und die Investoren müssen in negativ rentierende Anleihen investieren, aufgrund ihrer Anlagerichtlinien. Dass das irgendwann in einer Katastrophe enden muss, ist klar. Wir werden sicherlich noch eine Katastrophen-Hausse kriegen, einen sogenannten Crack-up-Boom. Mangels Alternativen werden viele Investoren in die Aktienmärkte einsteigen. Eine ganz große Blase sehe ich daher eindeutig im Anleihebereich. Dagegen ist das KGV des Euro Stoxx 50 mit 20 zwar nicht billig, aber dennoch, vor allem im Vergleich mit den Anleihen, noch nicht zu teuer, obgleich auch er über dem langjährigen Durchschnitt liegt. Werden in diesem Umfeld auch die Immobilienpreise weiter steigen?Bei Immobilien wird durch die Fähigkeit der Mieter, Mieten zu zahlen, eine Grenze gesetzt. Hinzu kommt als Nachteil, dass Immobilien – anders als Aktien – eben tatsächlich immobil sind. Der Staat wird Immobilienbesitzer früher oder später, in welcher Form auch immer, belasten, weil er hier einen relativ einfachen Zugriff hat. Sie sagten, dass Bewertungen derzeit eher nebensächlich sind. Worauf achten Sie bei der Anlage?Entscheidend ist das Stock Picking. Von den Branchen Auto, Stahl, Tourismus und Banken würde ich gegenwärtig die Finger lassen. Ich bevorzuge Qualitätsaktien mit guten Bilanzen und wenig Schulden und einer positiven Gewinnrevision. Außerdem setze ich auf die Branchen beziehungsweise Themen Digitalisierung und Software sowie Healthcare. Interessante deutsche Titel sind etwa Bechtle, Cancom und Evotec. Ferner gefällt mir Hypoport. Das Unternehmen ist zwar im Immobiliengeschäft unterwegs. Ich schätze es aber, weil es eine digitale Plattform ist. Was halten Sie vom Wirecard- Desaster?Dies ist natürlich eine Katastrophe für den Finanzplatz Deutschland sowie das zarte Pflänzchen der deutschen Aktienkultur insgesamt. Trotz der Hexenjagd, die, wie man jetzt zu Recht weiß, auf die Firma veranstaltet wurde, konnte man so etwas nicht ahnen. Immerhin ist beziehungsweise war Wirecard ein hervorragend aufgestellter Fintech-Konzern, von dem wir in Deutschland leider nicht allzu viele haben. Sie haben Ihren Lebensmittelpunkt in Frankreich. Was hat dieser Markt Gutes zu bieten?Außerhalb des Luxussektors gefallen mir der 3-D-Software-Hersteller Dassault Systèmes und der Call-Center-Anbieter Téléperformance. Ferner gefällt mir der französische Börsenbetreiber, die Euronext, die ich quasi im Tandem mit der Deutschen Börse halte. Das Unternehmen weist ein starkes Wachstum auf und ist ebenfalls eine digitale Plattform. Welche Luxuswerte bevorzugen Sie?Luxusaktien wie Ch. Dior, Kering, LVMH und Hermès gehören generell in jedes gut diversifizierte Portfolio. Ich habe in der Regel zwischen 20 und 25 % Luxustitel im Portfolio. Luxusaktien laufen immer, denn es gibt immer Nachfrage nach Luxus. Bei LVMH waren die Umsätze in China im Mai bereits höher als im Januar, das heißt, wir sind dort schon auf dem Stand von vor dem großen Absatzeinbruch. Die französischen Luxusunternehmen sind hervorragende Firmen. LVMH empfiehlt sich für jedes gute Portfolio als langfristiges Basisinvestment, solange Bernard Arnault das Unternehmen lenkt. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.