Im Schatten der Fed und Chinas

Start der Wirtschaftsgemeinschaft ist für die Asean-Börsen derzeit noch ein Nebenthema

Im Schatten der Fed und Chinas

Die bevorstehende Gründung der Wirtschaftsgemeinschaft spielt an den Börsen der Asean-Staaten derzeit eine untergeordnete Rolle. Die dominierenden Themen sind die Wachstumsabschwächung in China und der in diesem Monat gestartete US-Leitzinserhöhungszyklus.Von Ernst Herb, HongkongDie zehn südostasiatischen Länder machen 2016 mit der Schaffung einer Wirtschaftsgemeinschaft einen mutigen Schritt in die Zukunft. Bemerkenswert ist dabei aber nicht in erster Linie diese politische Großtat, sondern vielmehr, dass in der 550 Millionen Einwohner zählenden Region kaum jemand davon spricht. So etwa auch an den Börsen Singapurs, Indonesiens oder auch der Philippinen, wo die vorherrschenden Gesprächsthemen seit Monaten die Zinswende in den USA und mehr noch das sich verlangsamende Wachstum der chinesischen Wirtschaft sind.Die Mitgliedstaaten des Verbundes Südostasiatischer Nationen (Asean) erhielten in den vergangenen Jahren dank der von den traditionellen Industriestaaten geschaffenen großen globalen Liquidität und des scheinbar unersättlichen Hungers Chinas nach Rohstoffen einen massiven Wachstumsschub. Jetzt, da sich dieser Superzyklus gewendet hat, sind die Banken von Staaten wie Indonesien, Malaysia oder auch Thailand infolge des überdurchschnittlich schnellen Kreditwachstums in den vergangenen Jahren einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Das spiegeln auch die 2015 deutlich gefallenen Unternehmensgewinne wider.Das hat tiefe Spuren an der Börse Singapur hinterlassen, die 2015 rund 15 % verloren hat. Unter besonders starken Abgabedruck sind dabei lokale Geldhäuser des internationalen Finanzplatzes wie etwa die DBS oder die OCBC gekommen, die mit ihren günstigen Krediten den mittlerweile gebrochenen Boom auf dem lokalen Immobilienmarkt anheizten. Im Stadtstaat sind auch globale bedeutende Agrarrohstoffhändler wie etwa die Noble Group oder der Erdölplattform-Bauer Sembcorp Marine angesiedelt, die jetzt die tiefen Lebensmittelpreise und schwache Nachfrage nach neuen Förderkapazitäten besonders stark spüren. Besonders stark haben die tiefen Rohstoffpreise indes Malaysia und Indonesien zu spüren bekommen. Die Börse Kuala Lumpur hat im laufenden Jahr in Dollar gerechnet rund 22,6 % (5,1 % in Landeswährung) verloren, während es im Falle des indonesischen Aktienmarktes rund 21 % (13 %) sind.Die leicht höheren Zinsen in den USA und die nachlassende Nachfrage Chinas sind nach Einschätzung von Analysten der Großbank Credit Suisse mittlerweile zwar in den Aktienkursen enthalten. Nicht einberechnet sind dabei allerdings Schocks wie etwa politische Krisen, eine aggressivere Zinspolitik der amerikanischen Notenbank als erwartet oder eine dramatische Verschlechterung der chinesischen Wirtschaftslage.Dass die Jakarta Stock Exchange in den vergangenen Monaten nicht noch stärker abgestraft worden ist, zeigt allerdings auch, dass die Investoren das Vertrauen in die mit Abstand größte Volkswirtschaft der Region nicht verloren haben. Das steht im Kontrast zu Mitte 2013, als Indonesien infolge der rückläufigen Einnahmen aus den Rohstoffexporten und der damals vermeintlich kurz bevorstehenden Zinserhöhung in den USA einen massiven Kapitalabfluss ins Ausland verkraften musste und an den Rand eines Zahlungsbilanzdefizits rückte. Gewinne sinkenAuch wenn an den regionalen Börsen bisher keine Panik aufgekommen ist, dürften auch in den kommenden zwei bis drei Quartalen weiterhin fallende Unternehmensgewinne die Kurse unter Abgabedruck halten. Dafür sorgt nicht nur die eingetrübte Wirtschaftslage, sondern unter anderem auch die anhaltenden innenpolitischen Spannungen in Thailand, die im kommenden Mai anstehenden Präsidentenwahlen auf den Philippinen oder auch die von den territorialen Streitigkeiten im Südchinesischen Meer ausgehenden erhöhten geopolitischen Spannungen.Allerdings steht Südostasien mit der Lancierung einer Wirtschaftsgemeinschaft auch in der Anfangsphase eines langjährigen neuen Trends, der nach Meinung von Shang-Jin Wei, dem Chefvolkswirt der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), in den kommenden Jahren zu einem zunehmend starken Wachstumsfaktor wird. Die nur langsam fortschreitende regionale Wirtschaftsintegration hat bisher einen im Vergleich zu den Exporten nach China, Europa und in die USA geringen Anteil zum wirtschaftlichen Expansionstempo beigetragen. Zwar sind die Zölle im innersüdostasiatischen Handel bereits seit Jahren beinahe ohne Ausnahmen beseitigt worden. Doch bleiben die Märkte infolge nicht tarifärer Handelshindernisse, der bleibenden hohen Migrationsschwellen und vor allem einer schlechten grenzüberschreitenden Infrastruktur weiterhin sehr fragmentiert.Jedoch stehen in Indonesien, auf den Philippinen, in Myanmar oder auch Thailand seit Jahren in den Schubladen liegende schaufelbereite Straßen-, Schienen- und Hafenprojekte kurz vor ihrer Ausführung oder sind bereits in Angriff genommen worden. Dank neuer Zug- und Straßenverbindungen wie auch besserer See- und Flughäfen dürften die Asean-Staaten wirtschaftlich näher zusammenrücken, was mittel- und langfristig auch das Wachstum stützen wird. Höheres Wachstum erwartetKurzfristiger dürfte sich die Konjunkturlage dank der Großinvestitionen in neue Infrastrukturprojekte markant verbessern. “Es gibt gute Gründe, optimistisch zu sein”, schreiben Volkswirte der Großbank UBS. Ihre zuversichtliche Prognose stützt sich auch auf erwartete Reformen des Fiskalwesens sowie von Staatsunternehmen. Diese Einschätzung wird auch von der ADB geteilt, die für 2016 von einem regionalen Wirtschaftswachstum von 4,9 % ausgeht. Für 2015 projektiert die ADB ein Expansionstempo von 4,4 %.