Wachwechsel bei Schwellenländern

Indische Aktien so gefragt wie nie zuvor

Indien hat sich zu einer echten Anlegeralternative zu China entwickelt. Seine Aktien-Indizes schnitten in diesem Jahr enorm stark ab. Das hohe Wirtschaftswachstum, die politische Kontinuität und die stabile Währung lockten trotz hoher Bewertungen viel in- und ausländisches Kapital an.

Indische Aktien so gefragt wie nie zuvor

Indische Aktien so gefragt wie nie zuvor

Institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland setzen auf steigende Kurse – Kurzfristige Anzeichen für Überhitzung

Indien hat sich zu einer echten Anlegeralternative zu China entwickelt. Die Aktien-Indizes der bevölkerungsreichsten Nation der Welt schnitten in diesem Jahr enorm stark ab. Das hohe Wirtschaftswachstum, die politische Kontinuität und die stabile Währung lockten trotz hoher Bewertungen viel in- und ausländisches Kapital an.

Nach der US-Zinssenkung in der vergangenen Woche sind Indiens wichtigste Aktienbarometer bis zum Dienstag auf neue Rekordhöhen geklettert. Der Nifty 50 stieg auf das Allzeithoch von 25.940 und der S&P BSE Sensex auf seinen höchsten Schlussstand von 84.950 Punkten. Die Erwartung einer sanften Landung der US-Konjunktur stützte vor allem indische IT- und Pharma-Werte, die hohe Umsätze in den USA erzielen.

Hinter S&P 500 und Nasdaq

Nifty und Sensex legten in diesem Jahr um 19,3% bzw. 17,5% zu und sicherten sich damit in der Liga der wichtigsten Börsen hinter dem S&P 500 und dem Nasdaq den dritten und vierten Platz, noch vor dem Nikkei 225 und dem Dax 40. Der Nifty 50, die Benchmark vieler institutioneller Investoren, dürfte 2024 das neunte Jahr in Folge mit einem Plus beenden. Seit dem Tief im Juni steigerte sich dieser Index um 18%. Am besten schnitten in diesem Jahr die Sektoren Immobilien, Autos, Pharma und Energie ab. In der Folge wuchs der indische Anteil am MSCI AC World Investable Market Index, der den Streubesitz fast aller globalen Aktien abbildet, bis zur vergangenen Woche auf 2,33% und übertraf damit erstmals den chinesischen Anteil von zuletzt 2,06%. Damit bilden indische Aktien nun das sechstgrößte Gewicht in diesem von US-Unternehmen dominierten Index. Zwar liegt China im MSCI Emerging Markets Index noch vor Indien. Aber Chinas Anteil ist binnen vier Jahren von 40% auf rund 25% der Index-Marktkapitalisierung gesunken, während Indiens Anteil von weniger als 7% vor zehn Jahren auf rund 20% gewachsen ist.

Stabilität als Pluspunkt

Die indische Börsenrally wird von Kapitalzuflüssen aus dem In- und Ausland getrieben. Die Auslandsinvestoren fuhren vor den nationalen Wahlen im Juni ihr Engagement herunter, aber kehrten nach der Wiederwahl von Premierminister Narendra Modi zurück. Sie erwarten politische Stabilität, Kontinuität in der Wirtschaftspolitik und ein robustes Wachstum. Die Zahl der Terminkontrakte auf steigende Kurse erreichte am Montag mit 540.000 Stück ein Neunjahreshoch.

Unterm Strich werden die Nettokäufe der Ausländer in diesem Quartal laut Bloomberg-Daten bei 8,5 Mrd. Dollar liegen. Zwischen April und Juni, dem Zeitraum vor der Wahl, hatten ausländische Adressen noch Aktien im Wert von 1 Mrd. Dollar abgestoßen. Auch die Währungsentwicklung schmeckt den Auslandsanlegern. Durch die häufigen Interventionen der Zentralbank hat sich die Rupie von der volatilsten Währung Asiens zu einer der stabilsten entwickelt.

Indien als Alternative zu China

„Ausländische Investoren, die Indien aufgrund ihres kurzfristigen Anlagehorizonts und der Verlockung der günstigen Bewertungen in China gemieden hatten, kommen jetzt zurück“, sagte Deven Choksey, Chef von Broker Choksey Shares & Securities in Mumbai, gegenüber Bloomberg. “Die Abkehr von Indien und Hinwendung zu China erwies sich wieder einmal als Fehlschlag, nun fließt das Geld dorthin zurück, wo das Wachstum ist.“

Aber die Rekordhöhen der Indizes basieren ebenso auf dem starken Engagement von institutionellen Investoren und Privatanlegern in Indien selbst. In diesem Jahr sind umgerechnet rund 3,3 Bill. Rupien (35,6 Mrd. Euro) an inländischem Geld in indische Aktien geflossen. Wie nie zuvor investierten Millionen von Haushalten ihre Ersparnisse in Aktienfonds. Banken und Broker schicken ihren Vertrieb inzwischen tief ins ländliche Indien hinein. Viele Unternehmen nutzen den Aktienappetit zu erfolgreichen Börsengängen, darunter Ola Electric und der Hypothekenanbieter Bajaj Housing Finance.

Überkaufter Zustand

Für den Nifty 50 hat Goldman Sachs ein Kursziel von 27.500 Punkte per Ende September 2025 ausgegeben. Den Anstieg um weitere 6% begründete man mit einem Gewinnwachstum der Unternehmen in ähnlichem Umfang. Allerdings sind die Anzeichen für eine Überhitzung nicht mehr zu übersehen. Das vorauslaufende Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den MSCI India von 24,7 war noch nie so hoch. In Dollar gerechnet legte der Index in diesem Jahr 3,5 Mal schneller zu als MSCI Emerging Markets Index und ist nun doppelt so teuer. Das laufende KGV für den Nifty und Sensex erreichte die höchsten Werte aller Schwellenländern. Auch technische Indikatoren zeigen einen überkauften Zustand an.

Attraktive Wachstumsstory

Doch mittelfristig bleibt das Anlegerumfeld günstig. „Trotz höherer Bewertungen bleiben indische Aktien im Vergleich zu anderen Märkten mit verhaltenen Wachstumsaussichten attraktiv“, meinte James Cheo, Chief Investment Officer für Südostasien und Indien bei HSBC Global Private Banking & Wealth. „Indiens Wachstumsstory wird durch starke Unternehmensleistungen und günstige Wirtschaftsbedingungen gestützt.“

Das Bruttoinlandsprodukt stieg im vergangenen Quartal um 6,7% gegenüber dem Vorjahr und damit deutlich stärker als Chinas mit 4,7%. Der Internationale Währungsfonds sagt vorher, dass Indien bis 2028 Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ablöst. Nach Ansicht von Bloomberg Intelligence wird Indien bis dahin den größten Beitrag zum weltweiten Wachstum beisteuern. Im jüngsten Power-Ranking vom Lowy Institute für Asien, die Ressourcen und Einfluss in der Region misst, verdrängte Indien Japan vom dritten Platz.

mf Tokio
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