IM INTERVIEW: GERGELY MAJOROS, CARMIGNAC

"Italien haben wir ganz wenig"

Das Mitglied des Investmentkomitees sieht zwei Kräfte auf Renditen einwirken, mit offenem Ausgang

"Italien haben wir ganz wenig"

Gergely Majoros sieht Griechenland auf dem richtigen Weg und ist bei Italien skeptisch. Dies überträgt sich auch die Assetallokation der Mischfonds von Carmignac. Das Mitglied des Investmentkomitees äußert sich im Interview mit der Börsen-Zeitung zudem über die Trends bei den Anleiherenditen.- Herr Majoros, wie nahe sind wir an einer Rezession?Unser Hauptszenario für 2019 ist eine globale konjunkturelle Verlangsamung. Dies gilt auch für die USA, die im vergangenen Jahr noch von den Konjunkturprogrammen unter Präsident Donald Trump profitierten. In Europa ist die Verlangsamung schon früher eingetreten. Das ist aber alles keine Rezession. Wir werden ein Jahr mit moderatem Wachstum erleben.- Die Wirtschaft kommt von einem starken Wachstum her.Ja, im Jahr 2017 war der konjunkturelle Aufschwung für alle da, dann sind außer den USA alle – Europa, Japan, die Schwellenländer – in eine Verlangsamung eingetreten. Die USA konnten aufgrund der fiskalischen Maßnahmen den Zyklus verlängern.- Was sind die Gründe für diese Verlangsamung des Wachstums?Zunächst handelt es sich um einen Zyklus, und der dauert eben nicht ewig. Aber letzten Endes kann man für Europa sagen, dass uns die Verlangsamung in China trifft. Wir sind in Europa sehr abhängig vom globalen Konjunkturzyklus. Deshalb hat die Abschwächung in Europa früher als in den USA eingesetzt, wo der Exportanteil viel kleiner ist. Dazu kamen in den USA die Steuersenkungen und die Erhöhung der Staatsausgaben. Das war ein außergewöhnliches Bild, weil die USA eigentlich die Konjunkturlokomotive Nummer 1 sind – es sei denn Herr Trump verfolgt einen merkantilistischen Ansatz. Er zieht das Kapital und damit das Wachstum vom Rest der Welt zu sich zurück, und die anderen leiden darunter. Deshalb sind die Schwellenländer, die normalerweise von einer guten US-Konjunktur profitieren, 2018 nicht mitgelaufen.- Welche Erwartungen haben Sie für das Wachstum in China?An den offiziellen Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt erkennen Sie kaum die konjunkturellen Zyklen, weil sie alle ein bisschen geglättet werden. Wir haben seit vier Jahren kaum Veränderungen an der Wachstumsrate in China. Aber wenn Sie versuchen, die aktuelle Lage vor Ort ein bisschen nachzubilden, beispielsweise über die Auto-Verkaufszahlen oder die Warenimporte, so sieht man, dass die Verlangsamung inzwischen ziemlich markant ist. Deshalb ist für alle die große Frage: Was macht China dagegen? Es ist ja eine gelenkte Wirtschaft, und sie haben auch schon begonnen etwas zu unternehmen. Wir glauben, dass sie mehr machen werden in den nächsten Monaten, aber erstmal nicht ganz so viel wie im Jahr 2016. Das liegt auch am strukturellen Problem der Verschuldung des Landes. Kurzfristig ist China zudem zweifach eingeschränkt: zum einen dadurch, dass es keinen Leistungsbilanzüberschuss mehr hat und die Währung dadurch ziemlich anfällig geworden ist; zweitens dadurch, dass die Anleiherenditen in China etwa so hoch wie in den USA liegen. Sollten die Renditen im Zuge einer geldpolitischen Stimulierung noch weiter fallen, würde dies eine sehr gefährliche Situation heraufbeschwören. China wird eher erst handeln können, wenn auch die US-Notenbank wieder etwas unterstützender wird. Das wird vielleicht ein Thema für die zweite Jahreshälfte. Wenn China signifikante prozyklische Maßnahmen einleitet, würde das für uns alle sehr relevant werden.- Wird die Fed zu einer lockereren Geldpolitik übergehen?Das wäre neben China der andere Game-Changer für die Märkte. Aber es ist noch zu früh solch einen Schritt zu erwarten, bislang haben sie nur eine Pause für die nächsten Monate eingelegt. Kurzfristig kann die Notenbank wohl auch gar nicht akkomodierender werden, weil der Arbeitsmarkt in den USA noch immer sehr eng ist. Kommt es deshalb zu höheren Löhnen, so besteht das Risiko einer steigenden Inflation. Wenn sich aber die Konjunktur in den nächsten sechs bis zwölf Monaten verlangsamt und die Inflationsrisiken kleiner geworden sind, dann wird die Fed möglicherweise einen Richtungswechsel vornehmen.- Könnte ein erster Lockerungsschritt darin bestehen, dass die Fed den Bilanzabbau beendet?Das könnte der nächste Schritt sein. Danach käme dann wohl ein Richtungswechsel. Die aktuelle Pause gibt Risikoanlagen ein bisschen Luft zum Atmen, insbesondere den Emerging Markets. Wir gehen davon aus, dass die Fed wahrscheinlich die Zinsen nicht weiter erhöhen wird. Sollten sich die Parameter verschlechtern, wird sie eine andere Richtung einschlagen. Es ist aber noch zu früh, sich für solch eine Umkehr in der US-Geldpolitik zu positionieren.- Wie bilden Sie dieses Szenario in den Fonds ab?Man sollte gar nicht erst versuchen so viel Beta, also Marktrisiko, in die Fonds hineinzubekommen. Unser Aktienanteil ist derzeit nicht sehr groß, wir betreiben Stock Picking und versuchen über Alpha Rendite zu erzielen, also mit Einzelwerten, die besser als der Markt laufen.- Rechnen Sie mit konstanten US-Anleiherenditen auf Sicht der kommenden Monate?Das große Bild für Anleihen zeichnet sich durch zwei gegenläufige Trends aus: Zum einen sollte die konjunkturelle Verlangsamung Druck auf die Inflation und auch die Renditen ausüben. Zum anderen nimmt das Netto-Angebot zu. Die Fed ist inzwischen auf der Verkäuferseite im Umfang von 50 Mrd. Dollar im Monat, und die Europäische Zentralbank hat ihr Anleihekaufprogramm beendet. Wir sind also global in einer Situation, in der die Zentralbanken keine große Nachfrage mehr darstellen. Wir haben also einen Markt für Anleihen, an dem das Angebot tendenziell steigt, insbesondere in den USA, und die Nachfrage fällt. Welcher der beiden Trends kurzfristig die Oberhand haben wird, können wir nicht sagen.- Wir haben bislang vor allem über Europa aus der Perspektive Chinas und der USA gesprochen. Welche Kräfte wirken konjunkturell aus Europa heraus aktuell, welche politischen Risiken belasten?Das Wachstum in Europa wird in 2019 moderat ausfallen. Die beiden wichtigsten Treiber der Konjunktur in Europa sind, vereinfacht gesagt, der deutsche Export und der französische Konsum. Für beide sind die Frühindikatoren nicht vielversprechend – beim deutschen Export wegen der Verlangsamung in China und für den französischen Konsum haben Sie neben der konjunkturellen Seite auch die soziale Seite mit den “Gelbwesten”. Kurzfristig erwarten wir keine Trendwende, wenngleich die OECD-Frühindikatoren ein sehr niedriges Niveau erreicht haben. Man könnte auf den ersten Blick sagen, dass eine Erholung vor der Tür steht. Aber daran glauben wir noch nicht. Und natürlich spielen politische Themen wie die Europawahl, Brexit und Italien eine Rolle. Aber die gute Nachricht ist, dass die EZB wohl ihre Geldpolitik nicht weiter normalisieren wird. Deshalb könnte es in den nächsten Monaten etwas attraktiver werden Anleihen zu kaufen, etwa selektiv in der Peripherie.- Wird Mario Draghi sich also nicht mit einer Zinserhöhung als EZB-Präsident verabschieden?In dem aktuellen Umfeld einer konjunkturellen Verlangsamung ohne signifikante Inflationsrisiken sehen wir wenig Handlungsspielraum für die EZB, weiter zu normalisieren.- Welche Emittenten haben Sie gekauft?Wir halten kleinere Positionen bei Spanien, Portugal und Griechenland. In Griechenland geht es in die richtige Richtung, und die Rendite dafür ist attraktiv.- Warum nicht Italien?Aus Italien haben wir ganz wenig. Man kann kurzfristige Anleihen noch halten. Wir sehen hier ein Zeitfenster, um ein bisschen Rendite mitzunehmen, bevor es wieder volatiler werden könnte.- Italien stieß kürzlich auf riesige Nachfrage nach einer 30-jährigen Anleihe. Woher stammt diese Nachfrage?Es ist immer noch sehr viel Liquidität vorhanden. Ich sage nicht, dass die Renditen in Italien per se attraktiv sind, aber sie sind deutlich höher als in anderen Märkten. Die Negativzinsen der EZB verzerren immer noch die Anleihemärkte, Cash ist in Europa anders als in den USA nicht King. Man muss deshalb Wege finden, die negative Verzinsung von Cash zu umgehen. Das ist weiterhin eine schwierige Situation. Wir möchten trotzdem keine großen Risiken eingehen, aber wir möchten auch nicht garantiert Geld verlieren.- Und was passiert bei einer Rezession im Jahr 2020?Dann könnte man erwarten, dass die EZB akkomodierender sein müsste. Das Problem wird sein, dass sie gar nicht mehr viel Munition hat. Sie hat die konjunkturell gute Phase nicht für die Normalisierung ausgenutzt.- Die Renditen und Zinsen bleiben also niedrig?Es spricht für ein Umfeld, in dem man keine vernünftige Rendite erhält für die eingegangenen Risiken, seien es Inflations- oder Ausfallrisiken. Dies bedeutet auch eher weiterhin niedrige Zinsen für den Sparer. Bei einer Rendite von zehn Basispunkten ist es sehr schwierig, einen Grund dafür zu finden, in deutsche Bundesanleihen zu investieren.- Was erwarten Sie vor diesem Hintergrund für den Euro?Wir gehen davon aus, dass sich der Dollar stabilisieren sollte nach seinem Höhenflug 2018. Dafür spricht zum einen die konjunkturelle Verlangsamung, aber auch die Zinsdifferenz wird nicht helfen, wenn die Fed die Zinsen nicht mehr weiter erhöht. Für uns bedeutet das, dass wir den Dollar heute nicht unbedingt in den Fonds benötigen. Wir werden in Euro gemessen, und dann wäre das ein unnötiges aktives Risiko für uns.- Wie überträgt sich das von Ihnen gezeichnete Bild in die Allokation in den Portfolien, insbesondere im Flaggschifffonds Patrimoine?Bei Aktien sind wir moderat gewichtet mit ca. 35 %. Wir fokussieren uns auf Unternehmen, die in den kommenden Jahren organisch wachsen werden – und das in einem Umfeld mit immer weniger Wachstum. Man findet diese Aktien in drei Sektoren: Technologie und Kommunikation, Gesundheit und Konsum. Die Unternehmen aus diesen drei Sektoren finden zu einem großen Teil in den USA, und zwar unabhängig vom Konjunkturzyklus. In Europa haben wir leider wenig von dieser Qualität. Ein bisschen findet man auch in den Schwellenländern, etwa bei chinesischen Technologiewerten, da sind wir aber noch etwas zurückhaltend.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.