Italien verschuldet sich so günstig wie noch nie

Mandat zur Regierungsbildung sorgt für Erleichterung - Mailänder Aktienmarkt auf Vierwochenhoch

Italien verschuldet sich so günstig wie noch nie

dm Frankfurt – Die Erleichterung über das Ausbleiben von Neuwahlen in Italien hat an den europäischen Aktien- und Anleihemärkten zu steigenden Kursen geführt. Am Donnerstag erteilte Präsident Sergio Mattarella dem erst vor eineinhalb Wochen zurückgetretenen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten. Der als pragmatischer Technokrat beschriebene Conte erklärte, er wolle so bald wie möglich einen Haushalt für 2020 vorlegen – erwartet wird hier auch ein Verzicht auf eine Mehrwertsteuererhöhung. Zugleich dürfte Conte auch versuchen, von Brüssel mehr Flexibilität in Budgetfragen zu erhalten.An den Märkten kam dies gut an, weil befürchtet worden war, dass die rechtsnationalistische Lega-Partei, die in Meinungsumfragen vorne lag, künftig mehr Einfluss gewinnen und die Zugehörigkeit Italiens zum Euro in Frage stellen könnte. Die Rendite zehnjähriger italienischer Staatspapiere (BTP) fiel gestern auf ein Rekordtief von 0,929 %, im späten Handel stieg sie dann wieder auf 0,994 %. Der Risikoaufschlag gegenüber zehnjährigen Bundesanleihen sank auf zuletzt 168 Basispunkte und damit auf den niedrigsten Stand seit Mai 2018. Die Rendite fünfzigjähriger BTP fiel zeitweise auf ein Rekordtief von 2,148 %.Den italienischen Schuldenmanagern gelang es, bei einer guten Nachfrage erstmals neue zehnjährige Papiere mit einer Rendite unter 1 % – es wurden 0,96 % – in den Markt zu bringen. Im Juli mussten für die gleiche Laufzeit noch 1,56 % angesetzt werden. Das Bid-to-Cover lag bei 1,32, in die Auktion gegeben wurden in dieser Laufzeit über 4 Mrd. Euro. Fünfjährige Staatspapiere wurden zu 0,32 % platziert, der niedrigste Wert seit September 2016.Sinkende Refinanzierungskosten erleichtern die Haushaltsplanung für das hoch verschuldete Land. Marktbeobachter wiesen aber darauf hin, dass die sinkenden italienischen Renditen auch darauf zurückzuführen seien, dass immer mehr Euro-Staatsanleihen in den negativen Renditebereich rutschen und große institutionelle Investoren wie die Allianz bereits Bundesanleihen meiden. Es müsse sich erst zeigen, ob es Conte gelinge, eine stabile Regierung zu bilden und Brüssel zu überzeugen, hieß es. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte am Donnerstag, er freue sich, dass in Rom nun eine stabile und neue, progressive Regierung ans Ruder kommen könne.Die italienische Aktienbenchmark FTSE Mib legte auf ein Vierwochenhoch von 21 398 Punkten (+1,9 %) zu, während der Dax um 1,2 % auf 11 839 Zähler stieg. Die Stimmung an den Märkten war auch wegen der Ankündigung neuer Handelsgespräche zwischen den USA und China freundlich. Anders in Argentinien, wo Anleihe- und Aktienkurse abrutschten, da die Regierung eine Verlängerung von Anleihelaufzeiten prüft. Harvard-Professorin Carmen Reinhart bezeichnete dies als “Default” auf inländische Schulden. – Leitartikel Seite 8 Berichte Seiten 6, 17 und 18