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Italiens politischer Stabilität droht das Ende

Von Daniel Lenz *) Börsen-Zeitung, 21.7.2016 Nach Jahren des Chaos kehrte mit dem Amtsantritt von Matteo Renzi als Ministerpräsident im Februar 2014 politische Stabilität in Italien ein. Mehr als drei Jahre lang lag Renzis Partito Democratico (PD)...

Italiens politischer Stabilität droht das Ende

Von Daniel Lenz *)Nach Jahren des Chaos kehrte mit dem Amtsantritt von Matteo Renzi als Ministerpräsident im Februar 2014 politische Stabilität in Italien ein. Mehr als drei Jahre lang lag Renzis Partito Democratico (PD) sogar uneingeschränkt auf Platz 1 der Meinungsumfragen im durchaus vielfältigen italienischen Parteienspektrum. Vor allem die Querelen innerhalb des Mitte-rechts-Lagers sowie die Skandale rund um die Person des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi spielten der PD und Renzi in die Hände. Im Vergleich zu den anderen Peripheriestaaten wie Griechenland, Portugal oder auch Spanien hob sich Italien in puncto politischer Stabilität deutlich ab, was auch Anleger zu honorieren wussten. Trotz der mäßigen wirtschaftlichen Lage und der strukturellen Probleme des Landes waren italienische Staatsanleihen zeitweise stärker nachgefragt als spanische.Die Phase der politischen Stabilität in Italien droht sich nun aber dem Ende zuzuneigen. Ausgerechnet das Referendum über die Senatsreform, welches für Renzi zu einem großen politischen Triumph werden sollte, könnte sich nun als Bumerang erweisen. Reform des Senats in GefahrEines der politischen Kernprobleme Italiens liegt bislang im perfekten Bikameralismus. Da es in der Vergangenheit kaum einer Regierung gelang, in beiden Parlamentskammern eine Mehrheit zu erreichen, verfolgte Renzi bereits kurz nach Amtsantritt das Ziel, den Senat weitestgehend zu entmachten. Er soll zu einer Art Vertretung der Regionen umfunktioniert werden, die im Wesentlichen nur noch über Belange entscheiden darf, welche die Regionen selbst betreffen. Außerdem soll der Senat deutlich verkleinert werden. Seine Führungsrolle innerhalb der PD sowie die Schwäche der Mitte-rechts-Opposition nutzte Renzi, um die Reform gegen die starken Widerstände in beiden Parlamentskammern durchzusetzen. Das anschließende Referendum galt als kleinste politische Hürde, da viele Italiener mit dem politischen System unzufrieden sind und auf Besserung hoffen.Zunächst lagen die Zustimmungswerte für die voraussichtlich im Oktober zur Abstimmung stehende Senatsreform bei weit über 50 %, in der Spitze sogar bei fast 70 %. Inzwischen droht die Stimmung aber immer mehr zu kippen. In fünf von sechs landesweiten Meinungsumfragen, die seit Anfang Juli erhoben wurden, liegen die Reformgegner vorne. Stimmung gegen die Senatsreform machen vor allem die großen Oppositionsparteien, darunter die Fünf-Sterne-Bewegung, die in den Wahlumfragen mit der PD gleichgezogen hat und bei der jüngsten Kommunalwahl mehrere Prestigeerfolge erzielte.Die Gründe für die Unzufriedenheit der Bürger liegen zum einen darin, dass es Italien weiterhin nicht gelingt, wirtschaftlich den Anschluss an den Rest der Eurozone zu finden. Vor allem vom “Jobs Act” der Regierung, der für eine Belebung am Arbeitsmarkt sorgen sollte, hatten sich viele mehr versprochen. Zum anderen gewinnt die seit Jahren bereits schwelende Bankenkrise an Dynamik und dominiert gegenwärtig die politischen Diskussionen. Auch die Verluste der PD bei den Kommunalwahlen sind auf die steigende Unzufriedenheit der Bevölkerung zurückzuführen.Die Regierung in Rom dringt in Sachen Bankenkrise darauf, dass die Beteiligung der Gläubiger im Fall einer Rekapitalisierung kriselnder italienischer Kreditinstitute gering ausfällt und der Staat dafür mit Hilfsgeldern einspringen darf. Vor allem private Kunden sollen nach dem Willen Roms möglichst kaum von einer Rekapitalisierung betroffen werden. Hierzu braucht Renzi aber die Zustimmung der EU-Kommission, da seit Jahresanfang die Bail-in-Regelung gilt, die vorsieht, dass im Grundsatz eine Beteiligung der Gläubiger Vorrang vor Staatshilfen haben soll.Je länger sich eine Lösung der Krise hinzieht, desto mehr könnte dies den Ausgang des Referendums beeinflussen. Scheitert die Reform, drohen Italien politisch deutlich unruhige Zeiten. Fraglich wäre vor allem, ob sich Renzi im Amt halten könnte. Nicht nur die Opposition dürfte seinen Rücktritt fordern, auch innerhalb der PD könnte der Widerstand zunehmen. Insbesondere der linke Flügel der PD hadert mit Renzis marktfreundlichen Reformen und den sozialen Einschnitten. Einer der Widersacher Renzis ist der frühere Regierungschef D’Alema, der die Gunst der Stunde nutzen könnte, Renzi zu stürzen. Ob D’Alema selbst über ausreichend Rückhalt in der gesamten Partei verfügt, um Renzi an der Regierungsspitze zu beerben, ist indes ebenfalls nicht sicher. Unter Umständen könnte sich innerhalb der PD auch ein machtpolitisches Vakuum bilden.Gelänge es der PD dennoch, einen Nachfolger für Renzi zu bestimmen, der die Regierung bis zu den kommenden regulären Wahlen im Jahr 2018 führte, dürfte sich dieser aber vor allem um die Einheit der PD bemühen und hätte wahrscheinlich nicht den Rückhalt, weitreichende Reformen durchzusetzen.Misslingt der Versuch, einen Nachfolger zu installieren, könnten hingegen Neuwahlen angesetzt werden. Legen wir den aktuellen Trend zugunsten der Fünf-Sterne-Bewegung zugrunde, ist es durchaus möglich, dass nach Griechenland Italien das zweite EWU-Land wird, das von einer linkspopulistischen Regierung geführt würde. Seit der Reform des Wahlrechts erhält die stimmenstärkste Partei einen Bonus bei der Vergabe der Parlamentssitze, was der Fünf-Sterne-Bewegung bei einem Wahlsieg zugutekommen könnte.Aus gesamteuropäischer Sicht könnte ein Regierungswechsel in Italien ebenfalls von enormer Bedeutung sein. In dem Fall dürfte Italien die Renationalisierung der Wirtschaftspolitik noch stärker als bislang vorantreiben und sowohl Stellung gegen die EU-Kommission als auch gegen die auf Austerität bedachten Kräfte innerhalb der EU beziehen. Zwar haben die dezidiert europakritischen Stimmen innerhalb der Fünf-Sterne-Bewegung, die sogar einen EU-Austritt befürworten, abgenommen, Zweifel bestehen aber, ob Italien in Zukunft noch ein verlässlicher Partner auf EU-Ebene wäre. Es stünde zu befürchten, dass sich eine neue populistische Regierung zunächst auf europäischer Ebene profilieren wollte, indem man in zentralen Fragen dezidiert eine Oppositionsrolle einnehmen würde. Italien könnte auch bemüht sein, zusammen mit den linkspopulistischen Regierungen in Griechenland und Portugal eine Allianz zu bilden, die sich als Gegengewicht zu Berlin versteht. Brexit-Gespräche betroffenSowohl in den mit Großbritannien anstehenden Gesprächen über den EU-Austritt als auch in Fragen einer eventuellen EU-Reform könnte dies dann von Bedeutung sein und die Problemlage um eine zusätzliche Dimension erweitern. Je heterogener die politische Landschaft innerhalb der EU wird, desto schwieriger dürfte es sein, eine einheitliche Linie gegenüber London zu vertreten und die Austrittsgespräche innerhalb der laut EU-Vertrag vorgesehenen Zweijahresfrist zu einem auch im Sinne der EU politisch wie auch wirtschaftlich positiven Abschluss zu bringen.—-*) Daniel Lenz ist leitender Rentenmarktstratege EWU-Staaten bei der DZ Bank.