IM INTERVIEW: JESPER KOLL, WISDOM TREE JAPAN

"Japan befindet sich in einem langfristigen Bullenmarkt"

CEO: Wirtschaftslage entwickelt sich sehr positiv - Yen wird weiter nachgeben - Veränderungen in der Corporate Governance eine Kulturrevolution

"Japan befindet sich in einem langfristigen Bullenmarkt"

Seit dem großen unter der Bezeichnung “Abenomics” bekannten wirtschaftspolitischen Umschwung des Landes ist Japan einer der großen Favoriten der Anleger. Auch derzeit gilt Japan als besonders aussichtsreich, weil die Geldpolitik ähnlich wie im Euroraum und im Unterschied zu den USA voraussichtlich weiter gelockert werden wird. Die Börsen-Zeitung hat den Japan-Experten und CEO der Wisdom Tree Japan, Jesper Koll, zu den Aussichten des japanischen Aktienmarktes befragt.- Herr Koll, warum soll sich ein Anleger am japanischen Aktienmarkt engagieren?Meine Grundthese ist: Japan befindet sich in einem langfristigen Bullenmarkt. In dem Land findet eine wirkliche Umschichtung statt. 60 % der Ersparnisse in der Bank einzulegen war während der Deflation sicherlich richtig. In Japan hat jedoch ein Umschwung zur Inflation stattgefunden, und das löst eine Umschichtung aus. So hat der Staatspensionsfonds GPIF in den zurückliegenden anderthalb Jahren den Anteil japanischer Staatsanleihen von 60 auf 40 % reduziert, mit 35 % als Ziel. Der Aktienanteil soll von 14 auf 25 % erhöht werden und liegt nun bei 22 %. Internationale Anlagen, die Aktien und Anleihen umfassen, sollen von 12 % auf 25 % hochgefahren werden. In diesem Jahr gibt es erste Anzeichen dafür, dass auch die privatwirtschaftlichen Pensionsfonds mit der Umschichtung beginnen.- Wie entwickelt sich denn die fundamentale Basis des Aktienmarktes?Die Wirtschaftslage entwickelt sich sehr positiv und stellt ein weiteres Argument für den Markt. Zum ersten Mal seit 30 Jahren ist der Arbeitsmarkt so angespannt, dass wieder Vollzeitkräfte und keine Teilzeitkräfte eingestellt werden. Das hat enorme Konsequenzen. Japan ist das erste Industrieland, in dem eine neue Mittelschicht entsteht. Die Kaufkraft der jungen Japaner steigt wieder. Die neuen Vollzeitkräfte verfügen über höhere Einkommen, außerdem haben sie, anders als Teilzeitkräfte, Zugang zu Kredit. In der Folge verzeichnen Hypotheken und Verbraucherkredite ein hohes Wachstum. Die Verknappung der Arbeitskräfte zeigt sich auch daran, dass in diesem Jahr 98 % der Hochschulabgänger innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz gefunden haben.- Was bedeutet das für die Investoren?Das Unentdeckte an Japan ist die Belebung der Binnenwirtschaft. Aus diesem Grund bieten sich Investments in Small und Mid Caps an. Eine Möglichkeit dazu bietet unser währungsgesicherter ETF Wisdom Tree Japan Hedged Small Cap Equity Fund. Ferner ist aus den eben erwähnten Gründen die Finanzbranche interessant. Hervorheben möchte ich auch die Healthcare-Branche, weil hier der dritte Pfeil der Abenomics konkret durchschlägt. In Japan wurde die Pharmaregulierung aufgehoben. Früher mussten internationale Konzerne in Japan sämtliche Tests noch einmal machen, so dass eine Zulassung zum Verkauf in Japan durchschnittlich 14 Jahre dauerte. Jetzt sind es nur noch vier bis sechs Monate. Es gibt nun sogar 18 Präparate ausländischer Konzerne, bei denen der Verkauf zuerst in Japan gestartet ist. Japan ist zudem in der Medizinrobotik führend.- Was bedeutet die Alterung der japanischen Bevölkerung?Die alte Generation ist enorm reich. 48 % aller Japaner über 30 haben keine Schulden, 78 % der Gesamtbevölkerung sind Eigentümer des Hauses, in dem sie wohnen. Das Nettovermögen der privaten Haushalte ist sehr hoch.- Unabhängig von der Binnenmarktbelebung gilt Japan als stark von der Weltwirtschaft abhängiges Land. Welche Rolle spielt die Weltwirtschaft, und was bedeutet die Verlangsamung in China?Schaut man auf die großen Indizes, dominiert in der Tat die Außenwirtschaft. 55 % der Gewinne der Topix-Unternehmen werden im Ausland eingefahren, sei es durch Produktion im Ausland oder Export. Wenn man die großen Werte diskutiert, muss man in der Tat die Weltwirtschaft anschauen. Von den 55 % entfallen lediglich 12 % auf China und 25 % auf die USA. Für mich als Investor sind die USA daher doppelt so wichtig wie China. China ist zwar auf der Volumenseite der wichtigste Handelspartner Japans. Aber es ist sehr schwer, in China Geld zu verdienen. Die Margen sind sehr niedrig.- Was erwarten Sie auf der geldpolitischen Seite?Wir werden noch weitere Wertpapierkäufe der Zentralbank bekommen. Demnächst werden die BIP-Zahlen veröffentlicht. Sie werden schwach und sehr wahrscheinlich zum zweiten Mal in Folge negativ ausfallen. Das wird die Bank of Japan unter Druck setzen. Es wird auch ein weiteres Fiskalpaket geben. Es wird eine Größenordnung von 3 bis 5 Trill. Yen haben und damit zwischen 0,75 und 1 % des BIP entsprechen. Japan unterscheidet sich von den USA und Europa dadurch, dass die Wirtschaftspolitik stark koordiniert wird. Sie wird von oben, vom Premierminister, geführt. Wir gehen davon aus, dass das nächste Easing der Bank of Japan im Umfeld der Bekanntgabe des Fiskalpakets stattfinden wird.- Was bedeutet das für den Yen?Wenn unsere Einschätzung stimmt, wird der Yen schwächer werden. Denn es kommt noch eine Erstarkung des Dollar hinzu. Wir erwarten, dass Janet Yellen im Dezember den Normalisierungsprozess des US-Leitzinses starten wird. 140 bis 145 Yen pro Dollar auf Sicht von 12 bis 18 Monaten ist unseres Erachtens keine schlechte Prognose.- Wie sieht die Bewertung des japanischen Aktienmarktes aus?In den zurückliegenden 30 Jahren musste ich den Leuten erklären, dass ein KGV von 35 für Japan unproblematisch ist, weil das Land speziell ist. Heute liegt das gleitende KGV auf Basis der Ergebnisse der zurückliegenden sowie der Ergebnisprognosen für die kommenden zwölf Monate bei 14 bis 15 beziehungsweise zwischen 12 und 12,5. Japan ist im Vergleich zur eigenen Geschichte günstig und im Vergleich zu den USA attraktiv. Der Markt glaubt nicht an Abenomics. Daher enthält der Aktienmarkt auch keine Prämie. Die japanischen Unternehmensgewinne haben sich in den zurückliegenden zwei Jahren mehr als verdoppelt, und das KGV ist leicht zurückgegangen. Das hat es in Japan noch nie gegeben. Der Markt hat sich verdoppelt, ist aber noch nicht ausgereizt, weil das Gewinnpotenzial der Unternehmen noch nicht ausgereizt ist. Japan wird im nächsten Jahr das einzige Industrieland sein, das seine Firmensteuer senkt. Sie wird von 32 % auf 29 % reduziert und soll im Jahr 2018 unter 25 % liegen.- Welche Bedeutung haben die Veränderungen in der japanischen Corporate Governance?Hier kann man ohne Übertreibung von einer Kulturrevolution sprechen. Vor nur 15 Jahren war Japan noch ein Insider-Club, geprägt von den Keiretsu um die Mitsuis, Mitsubishis und Sumitomos. Die Überkreuzbeteiligungen machten damals noch ungefähr die Hälfte des Marktes aus. Heute sind es 12 %, und es wird noch weiter abgebaut. Japan hat nun einen Corporate-Governance- und einen Stewardship-Kodex. Damit sind die Unternehmen jetzt für ihre Kapitaleffizienz verantwortlich. Der Markt ist nun offener geworden. Zum ersten Mal in der Geschichte Japans arbeiten die Unternehmen für die Investoren. Die Dividenden steigen derzeit mit einer Jahresrate von 15 %, kürzlich hat Toyota eine große Dividendenanhebung angekündigt. Zudem ist das Volumen der Aktienrückkäufe derzeit dreimal so hoch wie im Durchschnitt der zurückliegenden drei Jahre.- Wisdom Tree hat in Tokio ein Büro eröffnet mit Ihnen als CEO Japan. Was macht Japan für Wisdom Tree interessant?Ein Drittel unserer Assets entfällt auf Japan-Produkte. Wir haben Assets von 57 Mrd. Dollar, 20 Mrd. Dollar sind in Japan-ETF angelegt. Wir haben elf Japan-spezifische Fonds und wollen der größte nichtjapanische Anbieter von Japan-ETF sein. Unser Büro haben wir vor drei Monaten eröffnet. Wir verfolgen zwei Ziele: Japan an die Welt verkaufen und die Welt an japanische institutionelle und private Investoren verkaufen. Der japanische ETF-Markt ist recht klein. Es gibt nur knapp 100 ETF. Das angelegte Volumen beläuft sich auf nur 320 Mrd. Dollar, von denen die Hälfte auch noch auf die Bank of Japan entfällt. In den USA liegt das Volumen bei 3 Bill. Dollar. Vor diesem Hintergrund hat der japanische ETF-Markt erhebliches Potenzial.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.