DEVISENWOCHE

Japan braucht einen schwächeren Yen

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 1.4.2014 Heute wird in Japan die Mehrwertsteuererhöhung von 5 % auf 8 % wirksam. Ein wichtiger Schritt in Japans Wirtschaftspolitik, die "Abenomics" genannt wird. Allerdings steht der Erfolg der Abenomics...

Japan braucht einen schwächeren Yen

Von Ulrich Leuchtmann *)Heute wird in Japan die Mehrwertsteuererhöhung von 5 % auf 8 % wirksam. Ein wichtiger Schritt in Japans Wirtschaftspolitik, die “Abenomics” genannt wird. Allerdings steht der Erfolg der Abenomics noch aus. Ohne einen schwächeren Yen könnten sie scheitern oder sogar im Desaster enden. Damit das nicht passiert, werden Regierung und Zentralbank einen schwächeren Yen erzwingen müssen. Aus zwei Gründen braucht das Land eine noch schwächere Währung: erstens die Notwendigkeit der Inflationierung und zweitens die Verschlechterung der Leistungsbilanzposition des Landes.Klar, die Zeit der Deflation ist vorbei. Seit Mitte 2013 steigen die Konsumentenpreise im Vorjahresvergleich wieder, zuletzt immerhin um 1,5 %. Das ist zwar noch ein Stück vom Inflationsziel der japanischen Zentralbank (Bank of Japan) entfernt, aber auf den ersten Blick scheint das Ziel auf absehbare Zeit erreichbar zu sein. Die Befürworter der Steuererhöhung argumentieren, der Schritt könne eine selbsttragende Inflation auslösen, weil die Überwälzung der Steuer auf die Verbraucherpreise das Stigma von Preiserhöhungen beseitigen würde. Das dürfte aber nur gelingen, wenn die Konsumenten von einer dauerhaft höheren Inflation überzeugt wären und sich eine hinreichende Lohn-Preis-Spirale ausbilden würde. Danach sieht es momentan nicht aus. Wirkung verwässertZum einen wurde die Steuererhöhung auf zwei Schritte aufgeteilt. Das mittelfristige Ziel eines Steuersatzes von 10 % wurde heute noch nicht erreicht, sondern wird erst in einem zweiten Schritt im Oktober 2015 angestrebt. Dadurch wird die Wirkung verwässert. Je geringer eine Mehrwertsteuererhöhung ausfällt, desto wahrscheinlicher wird, dass ein Teil nicht in die Preise überwälzt wird, sondern die Gewinnmargen der Unternehmen schmälert. Insbesondere weil die Steuererhöhung von Senkungen der Unternehmenssteuern flankiert werden dürfte, ist solch ein Effekt nicht unwahrscheinlich.Zum anderen hat das Inflationsziel von 2 % bislang nicht überzeugt. Misst man die Inflationserwartungen anhand von marktgehandelten Inflationsswaps, zeigen sich für 2014 und 2015 zwar höhere Inflationserwartungen aufgrund der Mehrwertsteuerschritte. Für die Zeit danach erwartet der Markt aber einen Rückfall zu niedrigeren Inflationsraten – wenn auch nicht in die Deflation. Kein Wunder also, dass bislang die Lohnrunden trotz Drucks der Regierung moderat ausfielen. So ist eine Lohn-Preis-Spirale jedenfalls nicht zu bewerkstelligen. Dauerhaft höhere Inflation bedarf eines zusätzlichen Anschubs. Ein kontinuierlich abwertender Yen würde über höhere Importpreise helfen. Das wäre unpopulär und schmerzhaft für Importeure und Konsumenten. Doch diese Erkenntnis zeigt nur: Eine erfolgreiche Inflationierung ist kein “free lunch” für Japans Volkswirtschaft.Japan war stets Netto-Exporteur. Das hat sich seit 2011 geändert. Der Saldo der Güter- und Dienstleistungsbilanz ist negativ, d.h. Japan importiert mehr, als es exportiert. Noch ist das Land zur Finanzierung des Defizits nicht in größerem Umfang auf Auslandskapital angewiesen. Die Leistungsbilanz ist nur leicht negativ. Zins- und Dividendeneinkommen der Japaner im Ausland (die Differenz der beiden Bilanzen) finanzieren bislang den größten Teil der Importüberschüsse. Verschlechtert sich die Handelsbilanz aber weiter, sind dauerhafte Leistungsbilanzdefizite unvermeidlich. Zu deren Finanzierung müsste Japan ständig Kapital aus dem Ausland anlocken. Die Chancen dafür stehen schlecht. Die heimischen Renditen werden durch die massiven Wertpapierkäufe der japanischen Zentralbank gedrückt. Damit werden Anlagen in Japan für Ausländer unattraktiv. Nun argumentieren viele, die Verschlechterung der Handelsbilanz sei auf temporäre Effekte zurückzuführen. Einer genauen Analyse der Daten hält dieses Argument nicht stand. Die höheren Energieimporte nach der Fukushima-Katastrophe und die Tatsache, dass nach der Yen-Abwertung 2012/13 Importe teurer und Exporte billiger in der Handelsbilanzstatistik verbucht werden, erklären das Phänomen nur teilweise. Es bleibt dabei: Japan hat ein strukturelles Problem mit seinem Außenhandel. Natürlich wäre der Königsweg, dieses Problem dadurch zu lösen, dass Japans Wirtschaft effizienter wird. Der darauf abzielende “dritte Pfeil” der Abenomics ist bisher freilich kläglich im Sande verlaufen.Im Grunde ist es ganz einfach: Da Japan weniger wettbewerbsfähig ist, muss es seinen heimischen Verbrauch zurückfahren oder ausländische Kapitalgeber finden, die die “Party” weiter finanzieren. Letzteres ist kaum möglich. Versucht Japan es dennoch, wären Zahlungsbilanzkrisen vorprogrammiert. Solche Krisen führen stets zu einer deutlichen Abwertung. Solch ein Szenario ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Japans Regierung und Zentralbank werden vorher alles tun, um den Yen auf kontrollierte Art und Weise zu schwächen. Noch stößt das immer wieder auf Widerstand. Klar, Abe hat goldene Zeiten und nicht “Blut, Schweiß und Tränen” in Form unerschwinglich teurer Importgüter versprochen. Doch gibt es letztendlich keine realistischen Alternativen.—-*) Ulrich Leuchtmann ist Head of FX Research der Commerzbank.