IM INTERVIEW: CHRISTOPHE BRAUN, CAPITAL GROUP

"Japan ist günstig bewertet"

Investment-Direktor: Umfeld für Gewinne deutlich verbessert - Fokus auf Wachstumsaktien

"Japan ist günstig bewertet"

Christophe Braun ist für den japanischen Aktienmarkt zuversichtlich. Positiv stimmt den Investment-Direktor der Capital Group neben einer günstigen Bewertungssituation unter anderem die gute Entwicklung der Unternehmensgewinne.- Herr Braun, nach vier Jahren wurden die Verhandlung über das Freihandelsabkommen Jefta zwischen der EU und Japan im Sommer abgeschlossen. Was bedeutet das Abkommen aus Sicht von Investoren?Das Abkommen ist für japanische, exportorientierte Unternehmen von großem wirtschaftlichem Vorteil. Es ist ein deutliches Signal gegen die zurzeit auftretenden protektionistischen Tendenzen und für den Freihandel. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die USA aus dem transpazifischen Abkommen zurückziehen und eine Grenzsteuer anstreben. Dies ist auch einer der Gründe, warum wir für japanische Aktien zuversichtlich sind. Das Abkommen wird Japan und der EU zusätzliches Wachstum bringen, denn beide Länder zusammen vereinen etwa ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung. Auf die EU entfallen 10 % der japanischen Ausfuhren. Somit ist das Abkommen für japanische Unternehmen von großem Vorteil.- Welche Bereiche profitieren besonders stark?In Europa profitiert beispielsweise die Lebensmittelbranche, in Japan die Automobilindustrie. Ich möchte hier auch besonders auf die Bereiche Robotertechnologie und Präzisionsindustrie hinweisen, in denen Japan eine der führenden Nationen ist und sich interessante Investmentgelegenheiten bieten. Ein weiterer begünstigender Faktor ist der geplante Wegfall der Zollkosten. Dadurch würden das Wachstum gestärkt und Arbeitsplätze generiert werden. Letzteres ist auch für den Erfolg der Abenomics von entscheidender Bedeutung.- Können Sie das näher erläutern?Die Arbeitslosenquote ist auf 2,8 % gesunken und hat damit den niedrigsten Stand seit dem Jahr 1994 erreicht. Dies hat zur Folge, dass der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften steigt. Unternehmen haben mittlerweile zunehmend Probleme Personal für Nachschichten zu finden – eine Tätigkeit die vor dem Aufschwung auch von hochqualifizierten Arbeitskräften ausgeführt wurde, weil diese keine adäquate Beschäftigung gefunden haben. Dieser Engpass wird mittel- bis langfristig steigende Löhne hervorrufen. Dadurch entsteht eine höhere Kaufkraft, welche wiederum den Konsum ankurbelt und letztlich zur erhofften höheren Inflation führen wird.- Wie entwickelt sich denn die Inflation zurzeit, und was erwarten Sie für die Zukunft?Seit Anfang des Jahres gibt es erstmals seit Dezember 2015 wieder eine steigende Inflationsrate. Um die weitere Entwicklung einzuschätzen, verwenden wir eine Kombination aus Arbeitslosenquote und Wertentwicklung des Yen. Letzteres ist für die exportorientierten Unternehmen entscheidend. In unserem Basisszenario gehen wir für die kommenden zwei Jahre davon aus, dass die Arbeitslosenquote auf 2,5 % sinkt, und setzen einen Wechselkurs von 110 Yen pro Dollar an. Unter diesen Voraussetzungen ist unserer Einschätzung nach ein Anstieg der derzeit bei 1,2 % liegenden Jahresteuerung in die Nähe des 2-Prozent-Ziels der Bank of Japan möglich. Ein Absinken der Arbeitslosenquote auf 2,5 % allein reicht allerdings nicht. Notwendig ist auch ein Anstieg der Löhne, damit auch der Konsum anzieht. Derzeit liegen mehr als 50 % des Vermögens der Privathaushalte auf Sparkonten. Das ist weltweit einzigartig. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es daher wichtig, dass sich die japanische Regierung vor allem um den dritten Grundpfeiler der Abenomics bemüht und die strukturellen und kulturellen Reformen vorantreibt.- Gibt es Anzeichen für Preiserhöhungen aufgrund des Arbeitskräfteengpasses?Ja, es gibt durchaus erste Anzeichen für Preiserhöhungen. Insbesondere im Dienstleistungssektor ist der Engpass ausgeprägt. Kürzlich hat beispielsweise der Paketdienst Yamato Transport erstmals seit 27 Jahren eine Preisanhebung vorgenommen und dies mit dem Arbeitskräftemangel begründet.- Die Ergebnisse der japanischen Unternehmen sind stark gestiegen. Wie beurteilen Sie die Aussichten?In den zurückliegenden Jahren hat es nicht nur eine kräftige Erholung der Gewinne gegeben. Auch das Umfeld für die Gewinne hat sich deutlich verbessert. Die Regierung hat die Unternehmenssteuern von 37 % im Finanzjahr 2012/2013 auf aktuell 30 % gesenkt. Dadurch sind die Unternehmen jetzt viel wettbewerbsfähiger gegenüber der internationalen Konkurrenz. Hinzu kommt die ultralockere Geldpolitik, durch die der Yen gesunken ist. Unsere Analysten haben festgestellt, dass viele japanische Unternehmen, die konservativ sind, in ihren Planungen höhere Yen-Kurse als den aktuellen ansetzen. Außerdem hat sich das Konsumverhalten der japanischen Bevölkerung in letzter Zeit verbessert. Somit könnten die Gewinne unter anderem aufgrund des derzeit schwachen Yen in den kommenden Quartalen über den Prognosen liegen.- Wie sieht das Bewertungsbild des japanischen Aktienmarkts aus?Japan ist günstig bewertet. Sowohl nach Kurs-Gewinn-Verhältnis als auch nach Kurs-Buchwert-Verhältnis ist der Markt nicht nur historisch günstig, sondern auch im Vergleich zu anderen Regionen, wie vor allem den USA, aber auch Europa. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt zurzeit auf einem Niveau, dass es zuletzt zur Zeit der Finanzkrise im Jahr 2008 gab. Das ist ein Abschlag, den Investoren nutzen sollten. Denn bei einer Angleichung der Bewertungen ist ein attraktiver Ertrag auch ohne steigende Unternehmensgewinne möglich. Zudem bemühen sich die japanischen Unternehmen verstärkt um den Shareholder Value. Die Ausschüttungsquoten sind mittlerweile auf durchschnittlich rund 30 % gestiegen. In den USA und Europa liegen die entsprechenden Werte allerdings bei 40 bzw. 50 %. Auch in dieser Hinsicht gibt es somit für den japanischen Aktienmarkt also noch Luft nach oben.- Welche Bereiche des japanischen Aktienmarkts sind für Sie interessant?Wir setzen auf Wachstumswerte. Außerdem sehen wir interessante Gelegenheiten in kleineren mittelständischen Unternehmen. In den zurückliegenden 25 Jahren wollten ausländische Anleger kaum in den japanischen Aktienmarkt investieren. Eine Folge ist, dass es kaum noch Sell Side Research gibt. Das wiederum hat Japan zu einem sehr informationsineffizienten Markt gemacht. Dadurch ergeben sich für uns als Stock Picker vielfältige Möglichkeiten, Alpha zu generieren, insbesondere mit kleineren Werten.- In welchen Produktbereichen ergeben sich interessante Chancen?Wie erwähnt sind japanische Unternehmen in den Bereichen Robotik und Präzisionsinstrumente führend. In vielen Innovationsfeldern wie dem Internet der Dinge, der Medizintechnik oder auch hinsichtlich Halbleitern für Autos gibt es führende japanische Unternehmen, die hierzulande kaum einer beim Namen kennt. Zudem verfügen die japanischen Unternehmen auch über die finanziellen Mittel, weiter in diese Innovationsfelder zu investieren.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.