Japans Aktien schnuppern Höhenluft

Rally schiebt Nikkei in positives Territorium - Rückkehr ausländischer Investoren - Risikofaktor Notenbank

Japans Aktien schnuppern Höhenluft

Am japanischen Aktienmarkt ist es zuletzt deutlich nach oben gegangen, ausländische Anleger kehrten nach Tokio zurück. Sie kauften zuletzt in einem Ausmaß, wie es der Markt zuletzt vor vier Jahren gesehen hatte. Doch seit dem Jahreshoch vom 2. Oktober haben die japanischen Aktien wieder an Boden verloren – trotz positiver Gewinnerwartungen.Von Martin Fritz, TokioZur Überraschung vieler Anleger ging es an Japans Aktienmarkt ab der zweiten Septemberwoche kräftig aufwärts. Der Nikkei 225 und der breiter gefasste Topix kletterten binnen drei Wochen um jeweils mehr als 8 %. Die Rally hob den Nikkei binnen sieben Tagen erstmals seit Ende Januar wieder in positives Territorium. Dem Topix fehlte dazu knapp 1 %. Der Nikkei beeindruckte zudem mit zwei 27-Jahres-Hochs in kurzer Folge. Prompt diskutierten Analysten, ob das Allzeithoch von 38 916 von Ende 1989 wieder in Reichweite rückt. Die Zweifler betonen, dass der Index dafür fast zwei Drittel zulegen müsste. Die Optimisten halten einen Anstieg bis zur alten Höchstmarke für möglich – zum Beispiel Jesper Koll von Wisdom Tree bis 2020 und das Brokerhaus Mizuho bis 2023.Allerdings sind Japans Aktienmärkte vom November 1991 und heute kaum vergleichbar. Damals war der Markt kurz nach dem Blasenhöhepunkt noch stark überbewertet. Derzeit kommt der Nikkei 225 auf ein relativ niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 und der Topix von 14. Die Marktkapitalisierung der Tokioter Börse hat ihren Höchststand von Ende 1989 bereits Ende Mai 2015 übertroffen. Auch befanden sich unter den zehn schwersten Titeln von 1991 sieben Banken. 2018 stehen dort nur zwei Finanzgruppen (MUFG und SMFG). Neu in den Top 10 sind Softbank (IPO im Jahr 1994) an zweiter Stelle, NTT Docomo (1998) auf Platz drei, Mobilfunkbetreiber KDDI (1993) auf Rang 8, Sony (Rang 6), Keyence (Rang 7) und Personalvermittler Recruit (2014) auf dem zehnten Platz. Toyota verbesserte sich vom neunten auf den ersten Platz. Zudem wird der Nikkei 225 als preisgewichteter Index durch überteuerte Einzelwerte verzerrt. Fast Retailing ist mit 9 % der schwerste Nikkei-Titel, aber nicht unter den zehn Aktien mit der höchsten Marktkapitalisierung. Hoher NettozuflussEntscheidend für die jüngste Rally war die Rückkehr der ausländischen Anleger. Nach einem Nettoabfluss von 8,5 Bill. Yen seit Jahresanfang kauften sie in der dritten Septemberwoche für netto 1,5 Bill. Yen (11,3 Mrd. Euro) Aktien und Terminkontrakte in Japan, so viel wie zuletzt vor vier Jahren. Dabei stiegen die Long-Positionen spekulativer Adressen auf den höchsten Stand seit April 2017. Ein zweites Standbein erhielt die Rally durch die Bankenwerte, weil die Anleiherenditen anzogen und die Buchgewinne ihrer Aktienbestände ein 22-Jahres-Hoch erreichten. Allein die Anteile von Marktführer MUFG kletterten 10 %. Japanische institutionelle Investoren folgten den Ausländern mit eigenen Nettozukäufen.Inzwischen haben die japanischen Leitindizes seit dem Jahreshoch vom 2. Oktober wieder rund 3 % an Boden verloren. Doch in den vergangenen Jahren setzte sich der Anstieg im Herbst jeweils bis in den Dezember hinein fort. Das Brokerhaus SMBC Nikko zum Beispiel sieht den Nikkei am Jahresende bei 25 000 Yen. Eine Basis dürften die positiven Gewinnrevisionen in der kommenden Bilanzsaison sein, da viele Prognosen mit einem relativ starken Yen berechnet sind. Laut Tankan erwarten die Manager für das Geschäftsjahr einen Wechselkurs von 107,29 Yen/Dollar, aktuell sind es 113 Yen/Dollar. Laut Vermögensverwalter GAM könnten die Gewinne weiter um jährlich 8 % wachsen. Jesper Koll von Wisdom Tree verweist auf neue Wachstumsinitiativen von Premier Shinzo Abe, der nach der Wiederwahl als Parteichef drei Jahre weiter regieren kann. Auch diese Stabilität schätzen die Anleger.Zwar erwarten vor allem ausländische Marktbeobachter ein baldiges Tapering der Bank of Japan (BoJ). Aber solange die Inflationsrate so weit von ihrer Zielrate von 2 % entfernt bleibt, wird die BoJ kaum an einen Ausstieg denken. Lediglich die Zweifel an einer Fortsetzung ihrer Aktienkäufe scheinen berechtigt. Das Kaufprogramm von jährlich 6 Bill. Yen (46 Mrd. Euro) stoße an seine Grenzen, schrieb sogar die Finanzzeitung Nikkei, da die BoJ nach dem Staatsfonds GPIF zum zweitgrößten einheimischen Aktieninvestor geworden sei. Signal für RückzugDadurch wächst die Gefahr, dass eine Verringerung dieser Käufe, ganz zu schweigen vom Abbau des Aktienbestandes von inzwischen 21 Bill. Yen (161 Mrd. Euro), von ausländischen Anlegern als Signal für ihren Rückzug aus Japan gedeutet werden könnte. Zu den Skeptikern zählt zum Beispiel Morgan Stanley. Japan sei gegenüber den Schwellenländern zu bevorzugen, meinten die Analysten der US-Bank kürzlich. Deswegen wurde das Topix-Kursziel für Juni 2019 von 1 610 auf 1 720 erhöht. Aber das liegt weiter unter dem aktuellen Wert.