Japans Aktienmarkt drohen Rückschläge

Niedrigere Firmengewinne verdüstern Aussichten - Hoffnung auf anhaltend hohe Dividenden

Japans Aktienmarkt drohen Rückschläge

Von Martin Fritz, TokioJapanische Aktien haben sich ähnlich wie viele andere Märkte deutlich von ihren März-Tiefs abgesetzt. Bis Anfang Juni steigerte sich der Nikkei 225 um 40 % auf über 23 000 Yen und der breit gefasste Topix um 32 % auf über 1 600 Punkte. Der Mother’s Market für junge Unternehmen liegt auf Jahressicht 17 % vorne und übertrifft damit den Nasdaq. Japan gehört also aktuell zu den weltbesten Aktienmärkten. Unter den Gewinnertiteln sind die Roche-Tochter Chugai mit dem Börsenwert knapp hinter Sony, Softbank Group wegen ihrer Schlankheitskur nach dem Rekordverlust, der Klimaanlagen-bauer Daikin (virenfreie Luft) und der Fabriksensoren-Spezialist Keyence. Hohe Barreserven stützenDie kräftige Erholung basierte vor allem auf drei Faktoren: erstens zunehmenden wirtschaftlichen Aktivitäten nach Eindämmung der Pandemie, zweitens Nettokäufen der Bank of Japan, von Trustbanken und Privatanlegern sowie drittens relativ attraktiven Dividendenrenditen. Des Weiteren erwähnen Analysten die hohen Cash-Reserven von 493 Bill. Yen (4,1 Bill. Euro) der im Topix notierten Unternehmen. Lange wurden die Barreserven als totes Kapital kritisiert, das besser an Aktionäre ausgeschüttet werden sollte. Nun können die Unternehmen damit die Durststrecke bei den Einnahmen leichter meistern. In der Folge meint Jefferies, dass die Unternehmen ihre Dividenden weniger stark als nach der Finanzkrise kürzen werden. Laut Bloomberg-Daten ist die Dividendenrendite von 0,5 % im Jahr 2006 auf 2,5 % im Vorjahr gestiegen.Für den japanischen Markt spricht auch die enge Abstimmung von Fiskal- und Geldpolitik. Regierung und Notenbank haben mit zwei Nachtragshaushalten für 57,6 Bill. Yen (480 Mrd. Euro) und Kredithilfen von 100 Bill. Yen das weltgrößte Hilfspaket geschnürt, das die Wirtschaftsleistung laut offiziellen Angaben um 6,4 % erhöhen wird. Allerdings brauchen Anleger wohl Geduld: Aufgrund der Bürokratie fließen die Hilfen nur langsam.Doch die Analysten von Nomura warnen vor Rückschlägen: Die Aktienpreise seien Konjunktur und Firmengewinnen über sechs Monate voraus. Falls die Ergebnisse für das zweite Quartal enttäuschen, könne es zu einer Korrektur kommen. Ihre Prognose für den Gewinn je Aktie im Topix beträgt 53,8 Yen für 2020 und 102,9 Yen für 2021. Das heißt: Das Gewinnhoch von 110,8 Yen im Jahr 2018 wird nicht erreicht. Zugleich liege das vorauslaufende Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15,4 am oberen Rand der Schwankungsbreite der letzten sieben Jahre von 13 bis 16. Dagegen plädiert J.P. Morgan für eine länger vorausblickende Sichtweise, die Höhen von 1 650 bis 1 700 im Topix und 22 500 bis 23 000 im Nikkei zulasse. Morgan Stanley sagt einen Rückgang des Gewinnes je Aktie für den Topix von 2018 auf 2020 um 31 % voraus, im nächsten Jahr geht es dann wieder 20 % aufwärts. Weniger RückkäufeAllerdings blinken auch einige Warnlampen: Die Ankündigungen von Aktienrückkäufen, die im Finanzjahr 2019 mit einem Rekord von 7,8 Bill. Yen (65 Mrd. Euro) die Kurse besonders stützten, schrumpften im laufenden Quartal um 78 % auf 896 Mrd. Yen (7,5 Mrd. Euro). Für 2020 erwartet MUFG Morgan Stanley hier einen Rückgang um zwei Drittel. Als weitere Risiken gelten ein schwaches Wachstum beim größten Handelspartner China sowie die politische Schwäche von Dauerpremier Shinzo Abe. Nach der Verhaftung eines früheren engen Mitarbeiters spekuliert die Presse über eine vorgezogene Neuwahl. Angeblich will Abe mit weiteren Konjunkturhilfen verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Aber mit einer Neuwahl könnte er den Bogen überspannen und sein Amt verlieren.Für die japanische Post-Covid-Aktienwelt empfiehlt Nomura eine individuelle Auswahl anhand von fünf Faktoren: Dividende, finanzieller Spielraum, Kursverlauf in den vergangenen zehn Jahren, Betriebsergebnis je Beschäftigter und Aktienanteil in ausländischer Hand. Auf dieser Basis filterte Nomura 52 Aktien heraus und bewertete Tokyo Electron, Subaru, Bandai Namco Holdings, Shionogi, Taisei und Fanuc am höchsten.UBS Japan sieht bis zum Jahresende nur einen begrenzten Spielraum für Kursanstiege. Die Gewinne würden 2020 ohne zweite Covid-Welle um 1 % sinken und 2021 um 37 % zulegen. Daher propagiert UBS vier Strategien: einen Fokus auf Industrieführer, die vom Neustart der Konjunktur gestärkt werden sollten, die Rotation aus Wachstums- in Value-Titel, eine Konsolidierung in Märkten wie Textilien und Hotel, die vom Offline-Konsum abhängen, zu beobachten, Vorsicht vor Technologietiteln walten zu lassen, weil sie schon gut gelaufen sind.