"Keine Aktien von Banken aus der Euro-Peripherie"
Lars Thoers ist als Däne nicht direkt Bürger der Eurozone. Derzeit ist er aber ein großer Fan von Aktien aus der Währungsunion, für die er Unterstützung durch das konjunkturelle Umfeld sieht. Im Interview mit der Börsen-Zeitung erläutert er, warum Konsumwerte derzeit stark in seinem Portfolio vertreten sind – und warum er die Finger von Banken aus den Euro-Peripherie-Staaten lässt.- Herr Thoers, welche Themen stehen bei Ihren Team-Meetings derzeit ganz oben auf der Agenda?Wir sind sehr langfristig orientierte Investoren mit einem Anlagehorizont von drei bis vier Jahren und schauen deshalb auf Themen wie Demografie oder Technologie. Deshalb haben wir das Privileg, nicht zu sehr auf aktuelle makroökonomische Entwicklungen schauen zu müssen. Ich gebe allerdings den Portfolio-Managern eine Art Übersetzung darüber, was sich in der Wirtschaft aktuell abspielt und vor welchem Hintergrund wir investieren.- Welches Bild zeichnen Sie derzeit für Europa?Das wirtschaftliche Umfeld in Europa ist derzeit ziemlich freundlich, wir sind alles in allem konstruktiv gestimmt. Erstens haben wir noch immer die Auswirkungen der Euro-Abwertung zum Dollar, auch wenn dies zuletzt ein wenig gedreht hat. Der langfristige Effekt ist noch immer enorm. Zweitens ist der gesunkene Ölpreis positiv für die europäischen Verbraucher und die europäische Wirtschaft – und insgesamt auch positiv für die Weltwirtschaft. Wir sehen in Europa zudem einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit, wenn auch nicht so schnell wie in den USA. Hilfreich wirkt auch die Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank. Daten zeigen, dass Kredite bei den Banken nachgefragt werden. Die Kreditbedingungen sind alles in allem in Ordnung. Das ist wichtig, weil europäische Unternehmen sich zu rund 80 % über Banken finanzieren, während in den USA Anleihen viel wichtiger sind. Zusammengefasst: Der Konsum hat Rückenwind, der Investitionszyklus ist ziemlich o. k. und die finanziellen Konditionen wirken unterstützend.- Wie überträgt sich dies auf den Aktienmarkt?Wenn ich von diesem Umfeld spreche, so sollten Konsum- und Investitionswerte sich gut entwickeln. Tatsächlich war aber Energie und Werkstoffe in diesem Jahr bislang der beste Sektor. Meiner Meinung nach ist dies aber nur eine Erholung nach den starken Kursverlusten des Jahres 2015. Anlageprofis nennen das Value-Trading. Der Energiesektor wird noch immer beeinflusst von fallenden Anlageinvestitionen. Eine Stabilisierung des Ölpreises wäre gut, aber es bleibt im Allgemeinen ein unter Druck stehender Sektor.- Was sind Ihre favorisierten Sektoren?Wir sind Bottom-up-Investoren, weshalb ich Ihnen keinen Sektor nennen kann. Unsere Sektorgewichtung ergibt sichaus der Auswahl von Einzelaktien. Starkes Gewicht haben derzeit unter anderem Medien, Versicherer, Technologie und traditionelle Konsumwerte. Es sind also eher auf den Binnenmarkt orientierte Branchen. Bei auf den Export oder Schwellenländer fokussierten Werten muss man sehr stark auswählen.- Können Sie ein paar Unternehmen vorstellen, in die Sie investiert sind?In unserer Stock-Picking-Strategie ist ein Wert die niederländische Optikerkette Grandvision, die eine europäische und globale Expansionsstrategie verfolgt. Wir mögen die Aktie aus zwei Gründen. Zum einen haben sie sich intern restrukturiert, sie sind deshalb effizienter und erzielen höhere Gewinnmargen, auch wegen der standardisierten Ausstattung ihrer Läden und wenigen zentralisierten Laboren. Zweitens gibt es demografische Gründe, schließlich steigt in Europa die Zahl älterer Menschen und damit die Nachfrage nach Brillen an. Wir sind beispielsweise auch in die dänische Spedition DSV investiert, die zunächst in Skandinavien und jetzt im übrigen Europa expandiert. Sie betreiben ein sehr kapitalarmes Geschäft, weil die Lkw alle geleast sind, das zudem hohe Cashflows und Erträge generiert. DSV ist ein sehr gut geführtes Unternehmen, das im vierten Quartal 2015 mit der Akquisition von UTi in die USA expandierte.- Spielt das billige Öl für Sie eine Rolle?Ja, die niedrigen Ölpreise sind ein grundlegendes Thema. Davon profitiert insbesondere die Reisebranche. Wir halten deshalb zwei Positionen, zum einen im Kofferhersteller Samsonite und zum Zweiten in den Billigflieger Ryanair.- Welche Unternehmen aus Deutschland bevorzugen Sie?Wir haben Continental in diesem Portfolio. Sie haben zum einen ein sehr attraktives Reifengeschäft, das von Wiederbeschaffungen profitieren wird, denn hierbei haben sich die Europäer zuletzt zurückgehalten. Davon profitiert übrigens auch Michelin. Zweitens spricht für Continental ihr Geschäft mit weit entwickelter Elektronik, die bei selbstfahrenden Autos zum Einsatz kommen kann. Das ist ein langfristig attraktiver Wachstumsbereich.- Als Ausweg aus dem Niedrigzinsumfeld gelten vielfach Dividenden, aber dividendenstarke Unternehmen können im Portfolio auch große Verlierer sein, wie etwa die deutschen Versorger. Sie haben einen Dividendenfonds im Angebot, wie gehen Sie vor?Wir haben schon 2004 einen Dividendenfonds aufgelegt, der aktuell eine Dividendenrendite von gut 5 % hat, während der Markt bei 3,5 bis 3,7 % liegt. Wir schränken das Anlageuniversum stark ein und wenden unseren Bottum-up-Ansatz an, der eher Richtung Value geht. Sie haben aber Recht, es gibt Bereiche wie die Versorger, in denen es schwierig ist, wenn man darin investiert ist.- Gibt es Regionen oder Branchen in Europa, bei denen Sie zurückhaltend sind?Wir halten keine Aktien von Banken aus der Euro-Peripherie außer ein paar Stücken aus Italien. Sollte es bei den Peripherie-Banken Veränderungen geben, so wären sie wohl eher negativ. Wir suchen aber langfristige Gewinner.- Wie halten Sie es mit den Aktien von britischen Banken vor dem nahenden Votum über die EU-Mitgliedschaft?Wir verfolgen die Meinungsumfragen sehr genau. Aber wir müssen genau hinschauen, wie es nach dem Referendum wirklich weitergeht. Bislang entwickeln sich die Aktien von international ausgerichteten britischen Unternehmen aber recht gut. Ein möglicher Brexit ist eine Belastung für die wirtschaftliche Stimmung in ganz Europa und hat damit Auswirkung auf Risikoaufschläge. Er betrifft unseren Anlageansatz aber nicht sehr stark, weil wir ja Einzelaktien auswählen.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.