Im InterviewBernd Köcher, Deka Investment

„Ich denke, dass wir noch eine Menge Wachstum vor uns haben“

KI hat die Märkte elektrisiert. Fondsmanager Bernd Köcher von Deka Investment erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, in welchen Bereichen sich die Vorteile von KI als Erstes zeigen dürften und nach welchen Kriterien er Unternehmen auswählt.

„Ich denke, dass wir noch eine Menge Wachstum vor uns haben“

Im INterview: Bernd Köcher

„Ich denke, dass wir noch eine Menge Wachstum vor uns haben“

KI-Experte: Bei „Magnificent Seven“ trennt sich Spreu vom Weizen – Basis der Gewinneraktien verbreitert sich – Langfristige Chancen werden unterschätzt

Das Thema KI hat zuletzt die Märkte elektrisiert. Fondsmanager Bernd Köcher von Deka Investment erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, in welchen Bereichen sich die Vorteile von KI als Erstes zeigen dürften und nach welchen Kriterien er Unternehmen auswählt.

Herr Köcher, als Manager eines Fonds, der sich ganz auf das Thema KI fokussiert, dürften Sie ein starkes Jahr hinter sich haben, oder?

Wir haben den Fonds mit dem Thema künstliche Intelligenz bereits im Juli 2021 an den Markt gebracht und waren damit vielleicht ein bisschen früh dran, vor der aktuellen Welle. Seit der Auflage des Fonds haben wir jetzt ein Plus von 6%. Besonders in den letzten 12 Monaten mit einem Plus von 43% hat sich die Stärke des KI-Themas gezeigt.

2021 ist wirklich sehr früh.

Wir haben 2021 erkannt, dass das Thema künstliche Intelligenz mehr Breite gewinnen wird, und haben mit dem Fonds auch einen guten Start hingelegt. 2022 haben wir dann Zinserhöhungen gesehen, die an der Börse Wachstumsaktien belastet haben. Der Brustlöser war dann sicherlich am 30. November 2022 die Veröffentlichung von ChatGPT. Da hat eine breite Öffentlichkeit erstmals gemerkt, welches Potenzial in generativer KI schlummert. Das hat die Fantasie beflügelt und dazu geführt, dass massiv in Chiptechnik und in Rechenzentren investiert wurde. Das führte zu einer guten Performance des Fonds im Jahr 2023, und auch der Start ins Jahr 2024 war bislang stark.

Sie setzen auch auf die Big-Tech-Konzerne. Doch zuletzt waren nicht mehr alle „Magnificent Seven“ so glorreich. Wo sehen Sie weiteren Rückenwind, und wo würden Sie mit Blick auf die hohen Bewertungen eher abraten?

Wir schauen uns grundsätzlich Firmen an, die Umsatz- und Gewinnpotenzial durch KI-Produkte und -Dienstleistungen haben, als auch solche, die dadurch Effizienzgewinne heben. Produktivitätssteigerungen können in allen Industriesektoren gehoben werden. Bei den von Ihnen angesprochenen „M7“ haben einige enorm in den KI-Bereich investiert. Da haben wir viel Grundlagenarbeit bei Alphabet, bei Microsoft oder bei Amazon gesehen. Hier haben sich die hohen Ausgaben der letzten Jahre im Forschungs- und Entwicklungsbereich bezahlt gemacht.

Und Nvidia?

Nvidia ist sicherlich einer der großen Gewinner in dem Bereich. Die ursprüngliche Umsatzerwartung für 2024 für Chips, die Nvidia zum Trainieren für KI-Systeme verkauft, hat sich in den vergangenen zwölf Monaten verdreifacht. Zufälligerweise hat sich auch der Aktienkurs im vergangenen Jahr verdreifacht. Es ist nicht ganz unbeachtet geblieben, dass sich da eine enorme Investitionstätigkeit aufgetan hat. Jeder wollte an die Chips von Nvidia kommen, um seine KI-Systeme optimal trainieren zu können.

Und die anderen „Magnificent Seven“?

Gucken Sie sich auf der Infrastrukturseite die Datencenter von Amazon oder auch von Microsoft an, die haben natürlich Rückenwind bekommen. Da hat sich gezeigt, welche Umsatz- und auch Gewinnchancen KI bietet. Auf der anderen Seite gibt es Firmen wie Apple, wo das Hauptgeschäft letztendlich im Smartphonebereich liegt, das hat in den zurückliegenden zwölf Monaten eher stagniert. Da trennt sich so ein bisschen die Spreu vom Weizen, was die Wachstumstrends in der Branche angeht.

Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf die etablierten Player, oder nehmen Sie in Ihren Fonds auch andere Titel auf?

Insgesamt haben wir immer zwischen 50 und 70 Titel im Portfolio. Die „Magnificant Seven“, die Sie genannt haben, machen dabei ungefähr 1/5 des Fonds aus. Das heißt, wir haben da noch 80% an Firmen, die wir aus dem IT-Bereich, aber auch aus dem Nicht-Technologiebereich im Fonds haben. Unternehmen, bei denen wir sehen, dass dort signifikant Nachfrage nach KI-Produkten ansteht, und Firmen, bei denen KI zur Verbesserung existierender Produkte und Dienstleistungen beiträgt oder die Produktivität und somit die Gewinnmargen signifikant verbessert.

Zum Beispiel?

Halbleiterfirmen zum Beispiel, die dort letztendlich als klassischer Enabler oder auf der Infrastrukturseite unterwegs sind. Diese Branche hat sehr profitiert, und das könnte sich auch noch in den nächsten Jahren fortsetzen. Und natürlich gibt es auch Firmen, die zum Beispiel die Software zur Verfügung stellen. Firmen sind aktuell dabei, die Daten richtig aufzubereiten und ordentlich zu sortieren. Nur wenn Sie Ihre Daten und Ihre Software modern und möglichst auch in der Cloud haben, können Sie dort künstliche Intelligenz obendrauf setzen und damit den Datenschatz, den Sie im Unternehmen haben, letztendlich auch auswerten und nutzen. Wie immer bei Unternehmensinvestitionen ist bei Software etwas Geduld gefordert.

Warum?

Gerade im Softwarebereich erfahren die Unternehmen von der Makro-Seite momentan ein bisschen Gegenwind. Die Konjunktur ist weltweit noch nicht wieder auf voller Geschwindigkeit. Da schauen Unternehmen auf ihre Budgets und sind ein bisschen vorsichtig, statt voll in neue Technologien zu investieren. Deswegen sind wir davon überzeugt, dass sich das erst über die nächsten Jahre verbessert. Aber wir sind natürlich jetzt schon dabei, uns ausgewählte Titel zurechtzulegen, und wir haben auch schon einen zweistelligen Prozentsatz von Softwareaktien im Portfolio, um dann auch von diesem Trend profitieren zu können.

Software, Halbleiter, Cloud-Speicher: Sind das die Sektoren, in denen die Vorteile der KI als Erstes zum Tragen kommen?

Ja, das sind die Bereiche, in denen wir es sehen dürften. In unserem Fonds sind wir so aufgestellt, dass 2/3 der Unternehmen aus klassischen IT-Sektoren kommen und 1/3 aus dem Nicht-Technologiesektor. Das können Finanzdienstleister, aber auch der Einzelhandel, das Gesundheitswesen und kommerzielle Dienstleistungen sein. Es gibt eine ganze Bandbreite an Sektoren, bei denen wir davon ausgehen, dass sie mittelfristig von KI profitieren. Bei kommerziellen Dienstleistungen sind das zum Beispiel Firmen, die umfassende und gut sortierte Datenbanken vorhalten. Diese Datensätze haben einen enormen Wert.

Und das gilt auch für andere Bereiche?

Klar, auch im Gesundheitswesen ist das ein Thema. Dort können Anwender auf die unglaublich großen Datenbanken, zum Beispiel Bilddatenbanken zur Diagnose von Krankheiten, zurückgreifen. Auch im Transportbereich, wo optimale Routenplanung eine große Rolle spielt, kann mit KI weiter optimiert werden. Das wird bei Mobilitätsdiensten wie Taxi-Apps oder Zulieferdiensten eingesetzt. Und dann gibt es natürlich auch Firmen und Sektoren, die noch einen relativ großen menschlichen Arbeitsanteil und somit hohe Lohnkosten haben. Wenn Sie dort wiederkehrende Tätigkeiten automatisieren können, dann bringt das natürlich einen Effizienzgewinn und einen Margenvorteil. Firmen in allen Sektoren versuchen herauszufinden, ob sie sich für einen gewissen Zeitraum einen Wettbewerbsvorteil herausarbeiten können.

Welche Titel aus dem Gesundheitsbereich halten Sie?

Zum Beispiel Intuitive Surgical. Ein Operationsroboter kann mit Software und KI die Bewegungen noch genauer, noch besser steuern und dementsprechend kleine Wackler oder Zitterbewegungen des Chirurgen ausmerzen.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Unternehmen für Ihren Fonds aus?

Grundsätzlich schauen wir uns erst mal an, was künstliche Intelligenz für eine Umsatzchance oder für Potenzial bietet. Das kann zum Beispiel ein Produkt sein wie ein Computerchip bei Nvidia. Es kann allerdings auch eine Dienstleistung sein, wie sie Beratungsunternehmen bieten. Wir analysieren dann das Geschäftsmodell und die Wettbewerbsintensität in jedem einzelnen Sektor. Wichtig sind ein robustes Geschäftsmodell und ein gutes Management. Daneben bewerten wir die Unternehmen anhand eines Discounted-Cashflow-Modells. Zusätzlich schauen wir auch auf klassische Vergleichskriterien wie das KGV und den Unternehmenswert im Verhältnis zum Ebitda.

Können Sie uns Ihre größten Positionen verraten und erklären, warum Sie auf diese Unternehmen setzen?

Bei unseren größten Positionen sind natürlich schon bekanntere Firmen wie Amazon und Meta Platforms, die es bereits geschafft haben, KI in ihren Produkten zu implementieren. Bei Amazon über die Rechenpower in den Amazon Web Services. Viele der großen KI-Modelle, über die aktuell berichtet wird, sind dort verfügbar und können dort auch trainiert und angewendet werden. Meta setzt KI ein, um noch zielgerichtetere Werbung auf ihren Social-Media-Seiten zu schalten. Das ist auch den werbenden Kunden von Meta nicht ganz verborgen geblieben, und die sind durchaus bereit, für eine bessere, gezieltere Werbung auch einen besseren Preis zu zahlen. Und damit hat man dann auch, wie man die vergangenen zwölf Monate gesehen hat, einen deutlich besseren Umsatz erzielt.

Da Sie Meta gerade erwähnen, da kamen zuletzt die Quartalszahlen am Markt nicht so gut an. Sehen Sie die Gefahr, dass das Potenzial, das KI ja zweifellos hat, inzwischen vielleicht auch ein bisschen überschätzt werden könnte?

Das Beispiel Meta ist gut. Wenn wir ein bisschen in der Zeit zurückgehen, dann gab es große Investitionsankündigungen für das Metaverse. In diesem Bereich wurden die Erwartungen deutlich enttäuscht. Aber das Kerngeschäft mit Internetwerbung, das funktioniert bei Meta weiterhin sehr gut. Jetzt wurde wieder eine große Investitionswelle rund um KI angekündigt, und es ist nicht ganz klar, in welche Bereiche das geht. Das hat Ende April so ein bisschen für Verwirrung gesorgt. Deswegen ist die Aktie auch deutlich unter die Räder gekommen. Es wird sich zeigen, ob man mit den angekündigten Investitionen über die nächsten Jahre gut fährt.

Wie geht es also weiter mit dem Bereich KI?

Der Sektor hat aktuell sehr hohe Aufmerksamkeit, das Thema hat an der Börse so eine Art Sonderkonjunktur ausgelöst. Ich kann mir schon vorstellen, dass da ein bisschen Hype dabei ist. Zudem konzentrierte sich die Entwicklung bisher auf sehr wenige Titel, die eine sehr starke Kursperformance hingelegt haben. Positiv ist, dass es schon angefangen hat, dass sich die Basis der Gewinneraktien verbreitert, zum Beispiel auf Zulieferer für Datencenter, Serverhersteller oder auch Firmen, die Kühlsysteme für Computerchips anbieten.

Und die Bewertungen sind nicht zu hoch inzwischen?

Wenn man das Beispiel Nvidia noch mal aufgreift: Der Aktienkurs hat sich zwar verdreifacht, aber wenn man sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis anschaut, das lag vor ChatGPT noch bei über 50 und aktuell liegen wir unter 30. Das heißt, die Gewinne sind noch stärker gestiegen als der Aktienkurs. Manche der Firmen sind gar nicht so teuer bewertet, wie man auf den ersten Blick glauben mag. Dazu kommt: Wenn man so eine neue Technologie wie jetzt künstliche Intelligenz vergleicht mit dem Aufkommen des Internets oder auch Software aus der Cloud, dann wird deutlich, dass man die langfristigen Chancen eher unterschätzt, auch wenn man kurzfristig ein bisschen Hype dabei hat und ein bisschen zu viel Erwartungshaltung. Und so ein Übergang zu einer neuen Technologie, das dauert schon 10 bis 15 Jahre. Der November 2022 ist gerade erst 18 Monate her, und deswegen denke ich, dass wir noch eine Menge an Wachstum und interessanten Anwendungen vor uns haben.

Welche Positionen halten Sie noch?

Im Portfolio finden sich etliche Halbleiterfirmen, zum Beispiel der taiwanesische Auftragsfertiger TSMC. Eigentlich fast alle der für KI gebrauchten Produkte werden in Taiwan gefertigt. Auch Samsung ist als Marktführer im Speicherchipbereich unter den Top-Positionen. Für die großen KI-Rechenzentren werden Unmengen an Speicherchips mit hoher Performance benötigt.

Zur Person: Bernd Köcher kam 2006 als Analyst für den Sektor Technologie zur Deka Investment. Seit Mai 2012 ist er Senior Portfoliomanager und Analyst im Team Aktien Global/Themen. Dort verantwortet er den Deka-Industrie 4.0 und den Deka-Künstliche Intelligenz.

Das Interview führte Tobias Möllers.

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