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Kontrollierte Abwertung des Yuan der bessere Weg

Von Stefanie Holtze-Jen*) Börsen-Zeitung, 1.10.2019 Der Vergleich ist symptomatisch für die gewaltige Entwicklung, die China genommen hat: Während die Bauarbeiten am Berliner Flughafen bereits 13 Jahre dauern, eröffnete der neue internationale...

Kontrollierte Abwertung des Yuan der bessere Weg

Von Stefanie Holtze-Jen*)Der Vergleich ist symptomatisch für die gewaltige Entwicklung, die China genommen hat: Während die Bauarbeiten am Berliner Flughafen bereits 13 Jahre dauern, eröffnete der neue internationale Flughafen Pekings, Daxing International, nach nur vier Jahren Bauzeit pünktlich zum 70. Jahrestag der Staatsgründung der Volksrepublik China. Das effiziente, technologisch auf Weltniveau stehende China hat damit in Rekordzeit den gemessen an der Gebäudefläche größten Flughafen der Welt gebaut.China hat viel erreicht in den letzten 70 Jahren. Noch vor wenigen Jahrzehnten zählte das Reich der Mitte zur sogenannten Dritten Welt. Nun ist China zur einzigen Supermacht avanciert, die es mit den USA aufnehmen kann. Der Wohlstand hat deutlich zugenommen, die Wirtschaft ist seit 1980 um durchschnittlich 10 % p. a. gewachsen. Im Jahr 2018 lebten 1,39 Milliarden Menschen in China. Davon haben fast 800 Millionen mittlerweile den Sprung aus der Armut geschafft. Ernste HerausforderungenDennoch bleiben ernste Herausforderungen für China, allem voran der Handelskonflikt mit den USA. Zwar haben China und die USA vereinbart, Anfang Oktober die Handelsgespräche wieder aufzunehmen. Doch nach dem jähen Ende der Handelsgespräche in Schanghai Ende Juli hat auch China eine schärfere Gangart in den Verhandlungen eingeschlagen. Dass beide Seiten noch miteinander reden, ist positiv zu bewerten. Allerdings ist die Hoffnung geschwunden, dass der Konflikt zeitnah beigelegt werden könnte.In Trumps Rhetorik taucht nun immer öfter ein Zeitrahmen auf, der sich bis zur US-Präsidentschaftswahl im November 2020 oder kurz danach hinziehen könnte. Der Unwille Chinas, große Zugeständnisse zu machen, um ein Handelsabkommen abzuschließen, zeigt, dass auch China auf einen längeren und breit angelegten Konflikt mit den USA eingestellt ist. Jedoch könnte eine Ausweitung der Auseinandersetzung weitreichende Folgen haben. Es ist zu erwarten, dass der sich lang hinziehende Handelskonflikt die Stimmung unter den chinesischen Unternehmen und Verbrauchern zunehmend trübt.Stand jetzt ist es aber noch nicht so weit. Das robuste BIP-Wachstum Chinas im ersten Halbjahr hat überrascht. Die Steuersenkungen federn die negativen Auswirkungen der Unsicherheiten ab. Im ersten Halbjahr 2019 wurden Einkommensteuer, Mehrwertsteuer und Unternehmenssteuer gesenkt, ebenso wie die Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmen. Das gesamte Fiskalpaket hat bisher ein Volumen von rund 2,2 % des BIP. Ein wichtiger Unterschied zu früheren Konjunkturprogrammen liegt im Fokus auf niedrige Steuern, womit es vor allem Konsumenten entlastet, statt durch Kreditsubventionen Investitionen anzukurbeln. Damit soll ein weiterer Anstieg der Verschuldung verhindert werden. Das BIP-Wachstum Chinas dürfte deshalb, trotz des fortgeschrittenen, von China bereits erreichten Entwicklungsstandes, auf hohem Niveau bleiben und erscheint breit abgestützt. Der Konsum ist, alimentiert durch steigende Einkommen und Vermögen, der größte Nachfragemotor der Wirtschaft. Auch die Investitionsnachfrage bleibt ein wichtiger Wachstumstreiber. Dagegen trägt der Nettoexport mittlerweile kaum noch zum BIP-Wachstum bei. Produktivitätssteigerungen wurden erreicht durch den kontinuierlichen Aufstieg chinesischer Unternehmen in der Wertschöpfungskette. Anstelle von Niedriglohnindustrien wird die Wirtschaftsstruktur heute von Hightech- und Dienstleistungssektoren bestimmt. Parallel halfen Reformen bei der Öffnung der Wirtschaft für ausländische Investitionen. Dies ist Teil eines längerfristigen Plans, der aktuell durch den Handelskonflikt mit den USA sogar noch beschleunigt wird. So will China die Abhängigkeit von der US-Wirtschaft senken und die wirtschaftlichen Verbindungen mit vielen anderen Ländern ausbauen.In etlichen Branchen werden die technischen Trends ohnehin längst nicht mehr in den USA, in Europa oder Japan gesetzt, sondern in China. So sind die Chinesen beispielsweise bei Schnellzügen, Supercomputern und Elektromobilität nicht nur billiger, sondern längst auch besser als die westliche Konkurrenz. Die Rivalität mit den USA um die technologische Vorherrschaft dürfte die Entwicklung der technischen Sektoren jedoch wahrscheinlich selbst nach einer eventuellen Einigung im aktuellen Handelsstreit belasten.Weiteren potenziellen Konfliktstoff zwischen China und seinen Handelspartnern bietet der Wechselkurs. Die Entwicklung des Wechselkurses der chinesischen Währung über die Marke von 7 Yuan je US-Dollar hat gezeigt, dass die chinesische Regierung weniger gewillt ist, sich gegen den anhaltenden Abwertungsdruck zu lehnen, auch wenn dies den USA eine zusätzliche Angriffsfläche bietet.Ein zu offensichtlicher Einsatz des Renminbi als Waffe im Handelskrieg wäre jedoch nachteilig. Eine zu starke und schnelle Abwertung der Währung ist mit Risiken für die Finanzmarktstabilität verbunden. Denn gerade im aktuell unsicheren Umfeld könnte es für chinesische Investoren besonders attraktiv erscheinen, ihr Geld im Ausland anzulegen. Aktuellen Berechnungen zufolge müsste sich der Dollar/Yuan-Kurs sogar Richtung 7,50 bewegen – per Ende 2019, wenn alle angedrohten Zölle gegen China implementiert würden, die globale Weltwirtschaft weiter eingetrübt bleibt und Chinas Fundamentaldaten weiter abrutschen sollten. Würde solch eine signifikante Abwertung der heimischen Währung absehbar sein, im Vergleich zum aktuellen Wechselkurs von rund 7,13 Yuan, wäre die Kapitalflucht programmiert. Jedoch möchte die chinesische Regierung eine Situation wie bei den Währungsturbulenzen 2015 auf jeden Fall vermeiden, ganz besonders zum 70. Jubiläum der Staatsgründung. Deshalb ist eine schrittweise und kontrollierte Abwertung wohl die bessere Strategie. Hoffnung auf Mini-DealAm 7. Oktober enden die Gründungsfeierlichkeiten der Chinesen und deren “Goldene Woche”, woraufhin die Verhandlungen im Handelsstreit wieder aufgenommen werden dürften. Die Hoffnungen gehen nun dahin, dass der zurzeit innenpolitisch unter Druck stehende US-Präsident Donald Trump für die Verhandlungen mit China einen etwas verbindlicheren Kurs einschlagen könnte. Im Klartext könnte er sich – entgegen früheren Beteuerungen – eventuell auch mit einem Mini-Deal zufriedengeben, um positive Nachrichten zu erreichen. Ob sich China mit einem Mini-Deal ebenfalls zufriedengibt, muss sich zeigen. *) Stefanie Holtze-Jen ist Chief Currency Strategist der DWS.