Kreditrating mit grünem Kern

Nachhaltige Kriterien finden Eingang in die Bonitätsanalyse - ESG-Einstufungen umstritten

Kreditrating mit grünem Kern

In die Bonitätsanalyse der Kreditratingagenturen werden zunehmend qualitative ESG-Ratings integriert. Damit sollen klassische Ratings aussagekräftiger werden. Ein Problem sind die heterogenen Bewertungen im Bereich von ESG und die oftmals schwache Datenlage.Von Wolf Brandes, FrankfurtNachhaltige Kapitalanlagen gewinnen im Bereich der Anleihen und des Kreditratings stark an Bedeutung. Investments, die ESG-Kriterien genügen, werden künftig ein Kreditrating benötigen, das zusätzlich auf ESG-Kriterien basiert. ESG steht für Environmental, Social und Corporate Governance.Dass ESG-Faktoren eine immer größere Rolle spielen, ist den klassischen Ratingagenturen nicht entgangen. Ausführlich beschäftigt sich die Agentur Fitch mit der Integration von ESG in den Ratingprozess. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass hohe ESG-Werte ein Qualitätsausweis für Anlagen seien. Fitch verweist auf eine Studie von Bank of America, die zeige, dass “Investoren, die ausschließlich in Unternehmen aus dem S&P 500 mit überdurchschnittlichen ESG-Bewertungen engagiert waren, auf diese Weise 90 % der Insolvenzen vermeiden konnten.” Auch auf die Spreads würden sich gute ESG-Bewertungen aus Sicht der Emittenten günstig auswirken. Risikofaktoren im BlickDass sich die Ratingagenturen zunehmend mit dem Thema beschäftigen, liegt auch daran, dass der Anteil der Investoren, die von einem Assetmanager einen ESG-Ansatz verlangen, stark gestiegen ist. Fitch berücksichtigt daher inzwischen systematisch ESG-Kriterien. Ein weiterer wichtiger Grund für die Anwendung von ESG-Kriterien bei Bonitätsratings ist das Risikomanagement. Studien haben gezeigt, dass die ESG-Integration hilft, unbekannte oder unterbewertete Risikofaktoren zu identifizieren.Eines der größten Hindernisse bei der Integration von ESG-Kriterien in die Bonitätsanalyse sei aber die Verfügbarkeit von ESG-Daten und damit die Quantifizierung von ESG-Kriterien, meint Fitch. Im Bereich von ESG-Kriterien erschwerten unvollständige und nicht kompatible Datensätze und Informationen aus verschiedenen Quellen die Arbeit. Mittlerweile mehrt sich auch die Kritik an den speziellen ESG-Ratings. Diese Ratings sollen es ermöglichen, die nachhaltigen Ansätze von Unternehmen vergleichbar zu machen. Lücken bei der AbdeckungZu den bekanntesten Anbietern zählen MSCI ESG Ratings, ISS-ESG und Sustainalytics. Berenberg bemängelt in einer Analyse die Bewertungen der Ratingagenturen. “So gibt es große Lücken in der Abdeckung des Aktienuniversums, insbesondere kleine und sehr kleine Unternehmen werden oft überhaupt nicht bewertet”, schreibt die Bank. Matthias Born, Investment-Chef von Berenberg, sagt: “Es gibt keinen Standard in der ESG-Bewertung und auch kaum Vergleichbarkeit der Ratings.”Grund für die Verzerrungen sei teilweise die geringere Offenlegung von ESG-Daten von kleineren Unternehmen. Die Berenberg-Studie zeigt, dass es signifikante Unterschiede gibt: “In der Analyse der drei meistgenutzten ESG-Anbieter gab es keine starke Korrelation zwischen den verschiedenen Ratings für ein und dasselbe Unternehmen.” So schwanke die durchschnittliche Korrelation der ESG-Ratings zwischen 0,53 und 0,71. Die Kreditratings von Moody’s und S&P wiesen dagegen eine Korrelation von fast 0,99 auf.Eine stärkere Regulierung von ESG-Ratings und der Anbieter dürfte zu einer weiteren Konsolidierung unter den Agenturen führen. “Wenn die Konsistenz der Ratings durch die Regulierung steigt, können die Agenturen leichter Skaleneffekte erzielen. Aktuell beobachten wir bei ESG-Research teils sehr hohe Kosten bei geringer Qualität. Das würde sich verbessern”, sagt Mustafa Sagun, Aktienchef bei Principal Global Investors, der als Assetmanager ESG-Ratings nutzt. Ein einheitlicher Standard würde den Investoren nicht dienen, argumentiert der Anbieter ISS-ESG. Die Ratingagentur ist überzeugt, dass “eine Vielfalt von Ansätzen und ein gesunder Wettbewerb um die besten Methoden für nachhaltige Investoren von Vorteil ist.” Eine zu detaillierte Regulierung der ESG-Methoden würde eher schaden.Der Trend zu mehr ESG im Kreditrating ist aber so oder so nicht aufzuhalten. “Wir sind an einem Wendepunkt: In Zukunft werden ESG-Faktoren integrierter Teil des Kreditratings sein; es geht darum, welchen Einfluss diese Faktoren auf Kreditwürdigkeit, Wertentwicklung, Cashflows und Fundamentaldaten eines Unternehmens haben”, sagt Dustin Neuneyer, PRI, Head of Germany & Austria. ESG-Faktoren würden also zunehmend weniger nur eine zusätzliche Information, etwa für speziell daran Interessierte, bieten, sondern zum integrierten Teil des Standards aufsteigen. Es zeichne sich ab, dass die EU-Taxonomie ein zentrales Rahmenwerk für eine solche Integration sein werde.Auch die europäische Aufsicht sieht den Bedarf an verlässlichen ESG-Standards in Kreditratings: “Die ESMA hat sich verpflichtet, aktiv zum Übergang zur Nachhaltigkeit beizutragen, indem sie Maßnahmen über die gesamte Investitionskette hinweg unterstützt.”Für Sven Giegold geht das nicht schnell genug. Der grüne Europaparlamentarier bemängelt ungeachtet der Bemühungen der Anbieter, “dass Klimarisiken in Ratings nicht abgebildet werden. Ein Ölkonzern dürfte kein ,AAA’-Rating haben”.