Krisenwährung Gold in Zeiten von Covid-19
Von Stefan Hofrichter *)Seit über das Coronavirus Ende 2019 erstmals berichtet wurde, hat der Goldpreis auf Dollar-Basis um etwa 15 % zugelegt. Gold hat sich somit deutlich besser entwickelt als alle G10-Währungen. Ist dieser Vergleich angemessen? Auf jeden Fall, denn letztlich ist Gold eine Währung mit einer Verzinsung von 0 %. Bereits seit längerem befindet sich der Goldpreis in einem strukturellen Aufwärtstrend. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die Geldpolitik der westlichen Zentralbanken, die seit Jahren – aus unserer Sicht seit Alan Greenspan – strukturell asymmetrisch und im Mittel zu locker ist. Dies förderte über die Zeit den Aufbau ökonomischer Ungleichgewichte in Form deutlich steigender Verschuldungsquoten im Privatsektor, was erhöhte Finanzstabilitätsrisiken mit sich bringt. In Zeiten eines ökonomischen Abschwungs profitiert der Goldpreis dann nicht nur von fallenden Realzinsen, sondern auch von steigenden systemischen Risiken. So auch im letzten Jahr: Während die weltweite Verschuldung ein Rekordniveau erreichte, lockerten die Zentralbanken nach ersten Anzeichen einer Konjunkturdelle wieder die Geldpolitik.Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie fördert nun den Goldpreis-Trend. So haben in den letzten Wochen praktisch alle großen Zentralbanken ihre Zinsen gesenkt und/oder Anleihekaufprogramme implementiert. Wenig überraschend sind die Anleiherenditen infolge der Stimulierungsmaßnahmen deutlich gefallen. Zwar sind die Realzinsen zuletzt wieder leicht gestiegen, weil die Inflation aufgrund des rezessionsbedingten Rückgangs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage gefallen ist, dies dürfte aber nicht von Dauer sein. Mittelfristig sollten sich nämlich die Covid-19-bedingten massiven Schocks auf der Angebotsseite – Störung internationaler Lieferketten, Autarkiebestrebungen – preistreibend auswirken. Neue PhaseHinzukommend und noch gravierender ist aber eine weitere Entwicklung, die durch die Coronakrise verstärkt wird und den Trend eines steigenden Goldpreises stützt: Möglicherweise steht unser auf Vertrauen beruhendes “Fiat Money”-Währungssystem, das Anfang der 1970er Jahre den Dollar-Gold-Standard des Bretton-Woods-Systems ablöste, jetzt am Beginn einer neuen Phase.Die erste Phase dieses Systems in den 1970er Jahren war geprägt durch eine keynesianische expansive Geld- und Fiskalpolitik. Ihr folgte in den 1980er Jahren eine streng auf Inflationsbekämpfung ausgerichtete Geldpolitik unter US-Fed-Chef Paul Volcker. Die einsetzende Globalisierung und Liberalisierung der Weltwirtschaft unterstützte diese Entwicklung. Anfang der 2000er Jahre begann dann die Phase des sogenannten Bretton-Woods-II-Systems. Diese war gekennzeichnet durch eine hohe Binnennachfrage und hohe Leistungsbilanzdefizite in den USA, eine expansive Geldpolitik, eine steigende Verschuldung des Privatsektors in den Industrieländern sowie hohe Leistungsbilanzüberschüsse in den Schwellenmärkten. Während und nach der Finanzkrise 2008/09 trat schließlich die bislang letzte Modifikation ein. Sie war geprägt durch eine weltweit ultra-lockere Geldpolitik, einen Abbau von Leistungsbilanzungleichgewichten sowie eine steigende Verschuldung in den Ländern, die von der Finanzkrise zuvor wenig betroffen waren.Die nun möglicherweise bevorstehende neue Phase unseres “Fiat Money”-Geldsystems ist charakterisiert durch einen fiskal- und geldpolitischen Stimulus, den es in entwickelten Volkswirtschaften zu Friedenszeiten so noch nicht gegeben hat. Dies gilt nicht nur für den Umfang, sondern auch für die Geschwindigkeit der Implementierung und für das Ausmaß der Koordinierung zwischen Geld- und Fiskalpolitik: Das weltweite Budgetdefizit wird in diesem Jahr im Schnitt bei rund 10 % der globalen Wirtschaftsleistung liegen, gleichzeitig haben Zentralbanken ihre Anleihekaufprogramme massiv ausgeweitet. Die geldpolitischen Maßnahmen stellen selbst die in der Finanzkrise vor gut einer Dekade in den Schatten. Indirekte FinanzierungDie mit den Notmaßnahmen einhergehende indirekte Finanzierung hoher Budgetdefizite durch die Zentralbanken steht eigentlich im Widerspruch zu den Grundfesten unseres “Fiat Money”-Geldsystems. Dauerhaft hohe Staatsschulden und niedrige Zinsen werden uns aber voraussichtlich auf Jahre hinaus begleiten. Letzteres vermutlich auch deshalb, weil die bereits vor der Coronakrise hohen globalen Verschuldungsquoten während der Krise noch einmal deutlich gestiegen sind. Für Zentralbanken wird es deshalb noch schwerer als in der Vergangenheit, die Geldpolitik nach der Rezession rechtzeitig wieder zu normalisieren: Denn je höher die Verschuldung, umso anfälliger ist der Privatsektor bei Zinsanhebungen.In der Vergangenheit neigte der Goldpreis bei Regimewechseln im Währungssystem immer dann deutlich zur Stärke, wenn dies mit einer strukturell lockeren Geldpolitik einherging: So war es Anfang der 1970er Jahre, zu Beginn von Bretton Woods II und auch zu Zeiten der Finanzkrise. Dies überrascht wenig, denn jedes Mal stiegen auch die Forderungen gegenüber dem öffentlichen Sektor – in Form steigender Geldmengen oder einer höheren Staatsverschuldung – und/oder dem Privatsektor. In derartigen Zeiten erhöhter Unsicherheit ist Gold attraktiv, denn wie bereits der berühmte Bankier John Pierpont Morgan feststellte: “Gold is money. Everything else is credit.” *) Stefan Hofrichter ist Global Head of Economics & Strategy bei Allianz Global Investors.