GASTBEITRAG

Länderallokationsstrategie ermöglicht erfolgreiche Schwellenländer-Investments

Börsen-Zeitung, 10.6.2017 Die Assetmanagement-Branche ist zunehmend polarisiert - mittlerweile hat sich neben aktiven eine Vielzahl passiver Strategien in institutionellen Portfolios etabliert. Aktive Portfoliomanager müssen hingegen immer mehr...

Länderallokationsstrategie ermöglicht erfolgreiche Schwellenländer-Investments

Die Assetmanagement-Branche ist zunehmend polarisiert – mittlerweile hat sich neben aktiven eine Vielzahl passiver Strategien in institutionellen Portfolios etabliert. Aktive Portfoliomanager müssen hingegen immer mehr ihren “aktiven” Mehrwert beweisen, um nicht als “Closet Indexer” zu gelten. Trotzdem stehen Marktteilnehmer weiterhin vor den gleichen Herausforderungen, nämlich den jeweiligen Index bestmöglich, unter Beachtung der bestehenden Risikorichtlinien, in der Wertentwicklung zu schlagen. Zusätzlich müssen Ergebnisse oft kurzfristig erreicht werden, damit die Bilanzvorgaben in den unterschiedlichen Rechtssystemen eingehalten werden. Das ist allerdings meist nicht möglich, wenn Indextitel im Portfolio gehalten werden.Viele Schwellenländerportfoliomanager haben bereits unterschiedliche Investmentansätze in den vergangenen Jahren getestet, um die Risiken für Kunden gering zu halten und gleichzeitig die Rendite zu steigern: Vom Equal-Country-Weighting über die Risikoparität, hin zur Maximum-Diversifikation oder dem Minimum-Varianz-Modell. Die meisten dieser Strategien, in einem getesteten Zeitraum von 1988 bis zum Jahr 2015, führen nachweislich zu einem verbesserten Risiko-Rendite-Profil gegenüber dem Standardindex. Trotzdem bleibt die Devisenvolatilität hoch und in vielen Schwellenländern zu instabil; eine nähere Betrachtung zur Länderallokation scheint von daher unausweichlich.Tatsächlich sind die durchschnittliche Standardabweichung und die Differenz zwischen der besten und schlechtesten Wertentwicklung der Schwellenländer beständig höher im Vergleich zu Sektoren. Von daher können Länder sowohl als Quelle für Risiko wie auch für Rendite eingestuft werden. Doch überraschenderweise liegt der Fokus auf eine Länderallokation in Schwellenländerportfolio nicht im Trend, obwohl er sich als wesentlich effizienter herausstellt. Anstelle dessen setzen Strategien zur Risikominimierung bei der Titelauswahl an, mit Low-Volatility-Fonds oder durch eine Ausrichtung auf die Qualität. Der Fokus und Druck von seitens Investoren bezüglich kurzfristiger Ergebnisse trägt noch weiter dazu bei, dass Portfoliomanager eine Länderallokation in ihren Schwellenländeraktienportfolios vermeiden. Interessanterweise ist die geringe Wertschätzung für eine Länderallokation ein spezieller Aspekt, den Investoren nicht genügend beachten.Das Thema hat im Jahr 2016 zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen, da wir in den etablierten Ländern vor unserer eigenen Haustür, wie etwa in den USA oder in Großbritannien, drastische politische Änderungen erleben. Diese Länder sind einfach näher in unserer Wahrnehmung verankert. Goldman Sachs hat in seinem Research festgestellt, dass unabhängig von der Assetklasse das Länderrisiko ein zentraler Punkt für Schwellenländeraktieninvestments ist (Quelle: EM Cross-Asset Strategy, Gauging Country Risk, August 2016). Von daher ist es nur fair, darauf hinzuweisen, dass bis jetzt, geopolitische wie auch soziokulturelle Faktoren in der Beurteilung nicht genügend ernst genommen wurden. Anderer AnsatzWo könnte jedoch bei einem Schwellenländerportfolio besser angesetzt werden als bei seinem relevanten Index? Ein Aktienindex setzt sich generell aus den durchschnittlich gewichteten Aktientiteln und nicht aus deren mathematischem Durchschnitt zusammen, was im Wesentlichen die Zusammensetzung beeinflusst. Die meisten der weit genutzten Indizes sind heutzutage sogenannte Cap-Weighted-Indizes. In einem Cap-Weighted-Index kann die Preisentwicklung der größten Titel jedoch dramatische Auswirkungen auf seinen Gesamtwert haben. Von daher sind in den vergangenen Jahren die Non-Cap-Weighted-Indizes wesentlich beliebter geworden, obwohl sie von der traditionellen Methodik abweichen. Bei “jüngeren” Indizes mit ehemaligen exotischen Anlagen ist dies ein noch sensibleres Thema.Der MSCI Emerging Markets Equity Index ist ein solches Beispiel: Er wurde im Jahr 1988 entwickelt und bestand in der ersten Zeit aus zehn Ländern, die weniger als 1 % der globalen Marktkapitalisierung ausmachten. Je weiter die Globalisierung voranschritt, und mit ihr die Anzahl der verfügbaren und investierbaren Gelder, desto mehr wuchsen die Wirtschaften der Schwellenländer. Heute sind im Index weltweit 23 Länder vertreten, die als Emerging Markets gelten – von Südamerika, Osteuropa, dem Mittleren Osten hin zu Asien. Sie beheimaten mehr als 800 große und mittelgroße Unternehmen, die im MSCI Emerging Markets Equity Index abgebildet werden.Chinesische Firmen machen zurzeit 26,8 % der gesamten Teilnehmer aus, was das Land zu einem interessanten Beispiel macht (Quelle: MSCI). Es ist nur eine Frage der Zeit, bis MSCI zugeben wird, dass chinesische Festlandaktien ebenfalls in den Index aufgenommen werden müssen, da das Land im November 2014 das Shanghai Stock Connect Programme umgesetzt hat und im vergangenen Jahr das Shenzhen Stock Connect Programme angekündigt hat.Es sind noch einige rechtliche Hürden zu bewältigen, aber MSCI hat bereits im Juni 2015 mitgeteilt, dass es eher eine Frage des Zeitpunkts und nicht der eigentlichen Aufnahme wäre. Verständlicherweise sind die chinesischen Behörden darauf bedacht, diese Entwicklung voranzutreiben. Aber, wenn die Aufnahme der Festlandtitel stattfinden wird – was einem allmählichen Prozess entsprechen wird, um Liquiditätsprobleme zu vermeiden – wird die Gewichtung Chinas im MSCI Emerging Markets Equity Index von 26 auf 40 % steigen. Diese Pro-forma-Rechnung wurde bereits von MSCI veröffentlicht und wird auch andere Benchmarks mit Asienfokus betreffen. Eigener IndexEine noch nicht diskutierte Möglichkeit wäre es, China insgesamt aus dem Emerging-Markets-Index herauszulösen und dem Land seinen eigenen Index zuzustehen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es allerdings keine öffentlich zugänglichen Informationen, die Schritte in diese Richtung vermuten lassen. Diese Entwicklung wird jedoch institutionelle Portfolios massiv beeinträchtigen, sowohl was ihre Wertentwicklung als auch ihre weltweiten Risikoparameter betrifft. Tatsächlich haben sich Länder, die eine bestimmte Größe innerhalb eines Index erreicht haben, teils negativ entwickelt.Ein Beispiel ist hier Malaysia, das seinen höchsten Indexstand mit 30 % im Jahr 1988 erreichte und dann bis 1992 um minus 49 % an Wertentwicklung generierte (was die relative Performance betrifft). Die gleiche Entwicklung konnte 1990 mit Mexiko beobachtet werden, das zu dem Zeitpunkt ebenfalls 30 % des Index ausmachte und dann (relativ) um minus 68 % bis 1995 rentierte.Eine sinnvolle Risikodiversifikation für institutionelle Investoren ist von daher die solide Ausrichtung über eine Länderallokationsstrategie. Das Risiko der Ländergewichtung kann zusätzlich durch weitere Strategien, je nach Investorenpräferenz gemanagt werden und somit durch unterschiedliche Ansätze in das gesamte Schwellenländerportfolio integriert werden. Das ist natürlich nur ein Schritt in der Umsetzung eines aktiven Investmentprozesses. Die Titelauswahl, Portfoliokonstruktion und das Risikomanagement sind weitere kritische Elemente. Insgesamt kann eine Länderallokationsstrategie aber für die Wertentwicklung zuträglich sein und somit das systemische Risiko im Gesamtportfolio reduzieren.—-Mathieu Nègre, Portfoliomanager Schwellenländeraktien der Union Bancaire Privée