Leerverkäufe belasten Spaniens Aktien

Regierung hebt Verbot dieser Transaktionen auf - Analysten rechnen aber nur mit kurzzeitigem Effekt

Leerverkäufe belasten Spaniens Aktien

Die Aufhebung des Leerverkaufsverbots für spanische Aktien hat den Ibex 35 gedrückt. Händler rechnen aber nicht mit dauerhaften Auswirkungen auf die Kursniveaus. Stärker wirkten Krise und Korruptionsskandal.Von Angelika Engler, Madrid An der spanischen Börse darf seit Anfang Februar wieder uneingeschränkt spekuliert werden: Die Börsenaufsicht hob das seit Juli 2012 geltende Verbot von Leerverkäufen für alle gelisteten Unternehmen und Finanzinstitute auf. Zum Kummer so mancher börsennotierter Unternehmen, die sich nun wieder voll im Feuer von Spekulanten sehen. Wie zum Beispiel Mapfre, Spaniens größter Versicherer: Konzernchef Antonio Huertas konnte sich deutliche Worte zu dieser Entscheidung auf der Bilanzpressekonferenz vergangene Woche nicht verkneifen: “Die Jagd hat wieder begonnen. Wir finden, dass eine solche Entscheidung in diesen Zeiten eine echte Torheit ist.” Prekäre LageGanz anders beurteilt Antonio Zoido, Präsident der ebenfalls von Leerverkäufen stark betroffenen Börsenholding Bolsas y Mercados Españoles (BME), die Entscheidung. Zoido forderte bereits im vergangenen Dezember, die Leerverkäufe wieder zu erlauben. Er erinnerte daran, dass ein Grund für das Verbot von Leerverkäufen – die prekäre Lage einiger gelisteter Banken und Sparkassen – mit der Rekapitalisierung im Volumen von 40 Mrd. Euro aus der Welt geräumt worden sei: “Nun ist es wieder an der Zeit, zur Normalität zurückzukehren und ausländischen Investoren wieder das Bild eines voll funktionierenden Marktes zu vermitteln.” Seinen Worten zufolge hatte das Verbot zum Teil zum sinkenden Handelsvolumen an der spanischen Börse beigetragen.Allein in den ersten zwei Tagen nach Aufhebung des Verbots sackte der spanische Leitindex Ibex 35 um 5 % ab. Nach Daten der Börse Madrid zogen die Short Positions in Banco Sabadell, Caixabank, Banco Popular, der Börsenholding BME sowie in einigen Medienwerten an. Vergangenen Freitag aber entspannte sich der Ibex 35 wieder, machte 2 % gut und ging aus der alten Börsenwoche mit einem leichten Gewinn gegenüber dem Stand zu Jahresanfang.Ob der zunächst verzeichnete deutliche Kursverlust allein auf die wieder erlaubten Leerverkäufe zurückzuführen ist, bezweifeln Analysten. Spanien mit seiner schweren Wirtschaftskrise, dem Korruptionsskandal um die konservative Volkspartei von Regierungschef Mariano Rajoy und der sich zuspitzenden sozialen Lage bleibt für so manchen Investor sicher weiterhin tabu. Hinzu kommen die Euro-Krise und Spannungen in anderen Euro-Ländern wie Italien. Der Risikoaufschlag für zehnjährige spanische Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen näherte sich schlagartig wieder gefährlich an 400 Basispunkte an. Für einige Experten stellte sich sofort die Frage, ob mit einem erneuten Verbot die Lage nicht wieder stabilisiert werden müsste. Andere stimmen jedoch darin überein, dass es noch zu früh sei, um die Wirkung exakt beurteilen zu können. Allgemein lautet aber der Tenor: Man muss dem Markt seine Freiheit lassen. Verschuldete Werte im Fokus”Das Verbot der Leerverkäufe war eine zeitlich begrenzte Maßnahme in einer Zeit der Irrationalität”, meint etwa José Luis Martínez, Spanien-Stratege bei Citi. “Es darf sich in der Zukunft aber nicht in einen Normalzustand verwandeln.” Soledad Pellón von IG Markets ist derselben Ansicht: “Mit dem Verbot wollte man die angeschlagenen Banken während der Phase der Rekapitalisierung schützen. Das ist geschehen. Wir sind nicht der Meinung, dass der Markt durch diese Maßnahme weiter geschädigt werden soll.” Auch Firmino Morgado, der für die US-Fondsgesellschaft Fidelity den Fonds Iberia Fund verwaltete und 2012 eine Rendite von satten 20 % erwirtschaftete, spricht sich für Leerverkäufe aus. “Die Kräfte des Marktes müssen wirken können. Die Auszeit für die Leerverkäufe war verständlich, doch jetzt muss der Markt wieder zwischen guten und schlecht geführten Unternehmen unterscheiden dürfen.” Seiner Meinung nach stehen nun vor allem stark verschuldete Aktienwerte mit eingeschränktem Wachstumspotenzial wie die Baukonzerne Sacyr und Hochtief-Mehrheitseigner ACS im Fokus.Nach Schätzung von UBS sind derzeit etwa 14 % des Free Float im spanischen Aktienmarkt geliehen – für die Analysten ein relativ hoher Anteil. Zu Hochzeiten der Leerverkäufe stieg das Ausmaß der UBS-Studie von Ende Januar zufolge auf etwa 18 %. Die Schweizer Investmentbank nimmt an, dass die meisten Investoren nach dem Leerverkaufsverbot vom Juli 2012 ihre Short Positions offenließen. Etwa 23 % hätten sie aber vor Inkrafttreten geschlossen. Und diese Investoren könnten jetzt wieder zurückkommen. “Wir erwarten aber keine massive zusätzliche Aktivität an Leerverkäufen, gerade weil viele Investoren ihre Positionen offenließen”, schreibt UBS. Favoriten ausgemachtDie Wirtschaftszeitung “Expansión” macht folgende “Favoriten” für Leerverkäufe aus: den Elektronikkonzern Indra, die Bank Bankinter, den Edelstahlkocher Acerinox, die Mediengruppe Mediaset und den Baukonzern FCC. Mehr als 2,3 % des Kapitals dieser Aktienwerte befänden sich derzeit in Händen von Investoren, die durch Leerverkäufe Gewinne erzielen wollen. Dabei verlockt Bankinter als bisher bester Ibex-Performer 2013 zu Gewinnmitnahmen – ob mit oder ohne Short Positions.