DEVISENWOCHE

Licht am Ende des Tunnels

Von Stefan Hofrichter *) Börsen-Zeitung, 31.5.2016 Vor fünf Jahren, im April 2011, notierte ein Währungskorb aus Schwellenländern auf einem Höchststand. Anschließend begann ein breiter Währungsabschwung, der sich ab Sommer 2014 beschleunigte, als...

Licht am Ende des Tunnels

Von Stefan Hofrichter *)Vor fünf Jahren, im April 2011, notierte ein Währungskorb aus Schwellenländern auf einem Höchststand. Anschließend begann ein breiter Währungsabschwung, der sich ab Sommer 2014 beschleunigte, als massiv Kapital aus Schwellenländern abgezogen wurde. Der Währungskorb verlor bis Januar dieses Jahres mehr als 40 % seines Wertes, bevor eine etwa zehnprozentige Gegenbewegung einsetzte. Seit Anfang Mai sind die Kurse wieder rückläufig.Aktien- und Rentenindizes aus Schwellenländern zeigten in den letzten Jahren eine ähnliche Dynamik. Daher stellt sich die Frage: Geht der Abwärtstrend der letzten halben Dekade bei Schwellenmarktwährungen weiter oder stehen wir am Beginn eines Trendwechsels? Um die Frage beantworten zu können, muss man zunächst die Ursachen des Kursbewegung der letzten Jahre verstehen. Aus unserer Sicht spielen vier Faktoren eine entscheidende Rolle: strukturelle Wachstumsprobleme, kurzfristige zyklische Wachstumsdynamiken, die Markterwartung hinsichtlich der US-Geldpolitik und schließlich die Bewertung. Wachstum schwächt sich abDer Beginn des Abwärtstrends bei Währungen und Asset-Preisen aus Schwellenländern fiel nicht zufällig zusammen mit einer Wende im Trendwachstum. So hat sich etwa das chinesische nominale BIP-Wachstum innerhalb von fünf Jahren von knapp 20 % auf gerade noch 7 % in etwa gedrittelt, das brasilianische fiel von knapp 18 % auf etwas mehr als 3 %. Wenn es auch stets länderspezifische Faktoren für diese Entwicklungen gab und gibt, so sind doch auch gemeinsame unterliegende Faktoren am Werk. Nach Jahren der Über- und Fehlinvestitionen in Schwellenländern ist die totale Faktorproduktivität inzwischen sogar rückläufig. Mit dem Investitionsboom einher ging und geht bis heute ein rapider Anstieg der Verschuldung. Relativ zum BIP liegt die Verschuldungsquote des privaten nichtfinanziellen Sektors in Schwellenländern im Durchschnitt inzwischen bei 120 %; dies ist etwa 50 Prozentpunkte höher als vor zehn Jahren. Diese Entwicklung liegt vor allem, aber definitiv nicht nur, an China. Dort liegt der entsprechende Wert inzwischen bei dem 2,1fachen des BIP, Tendenz steigend. Zum Vergleich: Unmittelbar vor der Finanzkrise lag die Verschuldungsquote des Privatsektors in entwickelten Ländern “nur” bei etwa dem 1,6fachen des BIP. Der jüngste chinesische Konjunkturstimulus erfolgte dann auch wieder nach dem altbekannten Muster: kreditfinanzierte Immobilien- und Infrastrukturinvestitionen, anstatt auf nachhaltiges Wachstum im Konsum- und Dienstleistungsbereich zu setzen. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass ein hohes Niveau und ein starker Anstieg der Verschuldung auf das Trendwachstum drücken, da Banken ab einem gewissen Zeitpunkt verstärkt Vorkehrungen für eine sich verschlechternde Kreditqualität treffen und den Kredithahn zudrehen. Jüngste Daten zur Kreditvergabebereitschaft von Banken in Schwellenländern zeigen, dass dieser Trend in vielen Schwellenländern bereits im Gange ist. Insofern muss man feststellen, dass die strukturellen Wachstumsschwächen noch nicht überwunden sind. Es bleibt abzuwarten, ob Wirtschaftsreformen umgesetzt werden, die die Produktivität erhöhen und das Wachstum auf eine tragfähigere Basis bringen – weg von Investitionen und Exporten hin zu Konsum und Dienstleistungen. Das Beispiel Chinas zeigt, dass der Weg von der Absicht bis zur tatsächlichen Umsetzung weit ist.Rein zyklisch hat sich die Datenlage in Schwellenländern zuletzt allerdings leicht verbessert. Die Einkaufsmanagerindizes haben sich leicht erholt und viele weitere hochfrequente Daten übertrafen zuletzt die Erwartungen der Ökonomen. Dies spiegelt konjunkturfördernde geld- und fiskalpolitische Maßnahmen wider, ist aber auch erklärt durch einen positiven Effekt der Währungsabwertung auf die Exporte und eine Erholung der Rohstoffpreise, die den rohstoffexportierenden Ländern zugutekommt. Rein zyklisch bekommen Schwellenländerwährungen also leichten Rückenwind. Reicht dieser aus, um für einen Anstieg der Währungen zu sorgen, falls die US-Fed die Zinsen weiter anhebt? Dies darf bezweifelt werden. Zum einen preist der Markt derzeit weniger an Zinsanhebung ein als durch die Fed selbst signalisiert. Überraschende Zinsanhebungen aber könnten zu Portfolioumschichtungen führen, die zulasten von riskanten Assetklassen – und damit zulasten von Assets und Währungen aus Schwellenländern – gehen. Zum anderen ist die Anfälligkeit der Schwellenländer gegenüber Zinssteigerungen in den USA aufgrund einer durchschnittlichen Dollar-Verschuldung in Höhe von etwa einem Viertel des BIP gestiegen. Niedrige BewertungDies bedeutet aber nicht, dass Währungen aus Schwellenländern notwendigerweise weitere Schwäche zeigen müssen. Die äußerst niedrigen Bewertungen sollten zumindest auf mittlere Sicht einen Puffer darstellen. Unsere Bewertungsmodelle deuten darauf hin, dass die meisten Währungen real um mindestens 10 %, einige sogar um 30 % oder mehr gegenüber dem Dollar unterbewertet sind. Dies gilt auch für den chinesischen Yuan, für den wir eine Unterbewertung von etwa 15 % ermitteln.Conclusio: Trotz eines aus fundamentaler Sicht weiterhin schwierigen Umfeldes sehen wir Licht am Ende des Tunnels für Währungen aus Schwellenländern.—-*) Stefan Hofrichter ist Chefvolkswirt bei Allianz Global Investors.