Lira nach Erdogans Sieg schwächer

Auch der Aktienmarkt dreht nach anfänglichen Gewinnen ins Minus - Wirtschaftspolitik bereitet Sorgen

Lira nach Erdogans Sieg schwächer

Nach anfänglichen Gewinnen haben die türkischen Finanzmärkte den Sieg von Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentenwahl letztlich mit Verlusten quittiert. Belastet wurden sie von Sorgen über den wirtschaftspolitischen Kurs der Regierung.ck Frankfurt – Nur vorübergehend haben die türkischen Finanzmärkte gestern vom Sieg des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentenwahl Auftrieb erhalten. Der Hauptindex der Istanbuler Börse, der zunächst um bis zu 1,6 % geklettert war, lag zum Schluss mit einem Minus von 2,4 % bei 77 271 Punkten. Die türkische Währung, die zunächst bei 2,1361 den höchsten Stand seit zwei Wochen erreicht hatte, lag am Abend mit einem Minus von 0,4 % bei 2,1536 Lira pro Dollar. Wachstum stark gesunkenIn den zurückliegenden Monaten haben die Aussicht auf politische Kontinuität bzw. einen weiter wirtschaftsfreundlichen Kurs der Regierung die türkischen Märkte gestützt. Allerdings tendieren sie in den letzten Wochen schwächer, weil sich mittlerweile Sorgen über einen abträglichen Kurs breitmacht. Im Zentrum steht die Notenbank. Es wird befürchtet, dass sie unter noch stärkeren Druck gesetzt werden könnte, den Leitzins weiter zu senken, den sie seit dem Mai um 175 Basispunkte reduziert hat. Im zurückliegenden Jahr, als die türkische Lira unter dem Eindruck der Tapering-Diskussion absackte, haben die Währungshüter mit einer drastischen Zinserhöhung die Notbremse gezogen, nachdem die Regierung zuvor vehement auf Zinssenkungen gedrängt hatte. Hintergrund ist die schwierigere Lage, in die die türkische Wirtschaft geraten ist und die die Regierung immer nervöser macht. Das Wachstum des Landes ist deutlich gesunken. Es wird erwartet, dass es in diesem Jahr unter 4 % sinken und 2015 Jahr mit 3,5 % auf der Stelle treten wird. Von den früheren Wachstumsraten von nahezu 10 % ist das Land meilenweit entfernt. Problematisch ist, dass sich gleichzeitig die Inflation auf hohem Niveau bewegt und die Verschuldung des Privatsektors in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Hinzu kommt die hohe Abhängigkeit von externer Finanzierung.Es wird befürchtet, dass die Regierung aus Sorge vor einer anhaltenden Wachstumsschwäche nun noch stärker auf weitere Zinssenkungen drängen wird, obwohl die Inflation dafür zu hoch ist, und dass dies zu einem Vertrauensverlust und einem erneuten Einbruch der Währung führen könnte, weil die Unabhängigkeit der Notenbank als nicht mehr gegeben angesehen würde. “Wir haben die Sorge, dass es der Regierung schwerfallen wird, die Art von Wachstum zu generieren, an die sich die allgemeine Öffentlichkeit gewöhnt hat.” Diese Sorgen führten bereits zu erheblichem Druck auf die Zentralbank, die Zinsen zu senken.Im Verlauf des Tages wurden die Befürchtungen durch ein Reuters-Interview bestätigt, in dem der türkische Wirtschaftsminister, Nihat Zeybekci, Leitzinssenkungen forderte. Zeybekci sprach sich für eine Ausweitung des Notenbankmandats aus. Neben der Preisstabilität soll es seinen Vorstellungen nach auch Beschäftigung und Wachstum einschließen. “Die Leitzinsen müssen sinken. Die Zentralbank muss dem Markt voraus sein. Wenn man dem Markt folgt, wird man von ihm geleitet. Unsere Politik bezüglich der Zinsen (!) ist klar. Wir glauben, dass Zinsen in der Türkei für die Wiederbelebung der Inlandsnachfrage, der Investitionen und des Wachstums wichtig sind.”Dass bei der Regierung die Nerven blankliegen, hatte Zeybekci am Wochenende bewiesen. Er hatte die Ratingagentur Moody’s attackiert, nachdem diese ihren für den Freitag angesetzten Ratingkommentar zur Türkei verschoben hatte. “Zinsmissionare, die die Inflation der Vergangenheit mit dem zukünftigen Zins in einen Topf werfen, können uns nicht über die Wirtschaft belehren. Wir tragen das Interesse unserer Nation auf unserem Rücken und haben nicht mit Spekulations-Marktschreiern zu tun.” In der zurückliegenden Woche waren die türkischen Märkte unter Druck geraten, nachdem Zeybekci erklärt hatte, er erwarte, dass Moody’s den Bonitätsausblick der Türkei verschlechtern werde.Der Wahlsieg Erdogans trage wenig dazu bei, die politischen Risiken für das Kreditprofil des türkischen Staats abzumildern, so gestern die Ratingagentur Fitch. Politische Risiken könnten Kapitalzuflüsse abschrecken und die politische Berechenbarkeit reduzieren.