„Manchmal passieren Jahre in Tagen“
Herr Ratz, wann und womit haben Sie Ihr erstes eigenes Geld verdient?
Ich hatte einen Ferienjob im örtlichen Schmuckbetrieb. Da habe ich Ohrstecker zusammengelötet und Krawattennadeln poliert.
Wofür haben Sie es ausgegeben?
Ich habe mir ein MT Racing Mountainbike zugelegt, mit 21 Gängen. Diese Räder kamen damals gerade im Breitensport an. Erst vor zwei Jahren habe ich das Rad verkauft.
Was war Ihr erstes Investment an den Märkten?
Das war der Tempelton Growth Fund, um den kam man damals praktisch nicht herum. Ich habe ihn dann aber relativ schnell wieder verkauft, Einzelaktien und Neuer Markt waren spannender.
Was war Ihr erfolgreichstes Investment?
Ich kann mich gut an Freenet 2003 erinnern, als das Unternehmen trotz Gewinnen weniger als seine Barreserven wert war. Die Aktie verzehnfachte sich in den Folgejahren.
An welches Fehlinvestment erinnern Sie sich?
Die Tech-Bubble Anfang des Jahrtausends. Erst schraubten sich die Märkte durch Gier, Angst und Neid in schwindelige Höhen, um danach in sich zusammenzufallen. Mit den Fundamentals hatte das rein gar nichts zu tun. Ein Lehrstück in Sachen Psychologie.
Gibt es eine bestimmte Anlagestrategie, die Sie verfolgen?
Bei Einzelwerten: Ich bilde mir zuerst meine eigene Meinung, und erst dann schaue ich auf den Markt. Wenn meine Erwartung über dem Markt liegt, habe ich oft ein gutes Investment gefunden.
Welche Kennzahlen sind für Sie wichtig, wenn Sie sich ein Wertpapier näher anschauen?
Die Bewertungszahlen müssen stimmen. Für mich als Stockpicker ist das aber erst der zweite Schritt. Zuerst kommt das Management. Bei kleineren Unternehmen hängen Erfolg oder Misserfolg vor allem von den Firmenlenkern ab. Erst danach analysieren wir Marktstellung und Bewertung.
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit beim Investieren?
Ich sehe ESG immer durch die Brille des aktiven Managers, der fragt, wo das Alpha-Potenzial liegen könnte. Ein gutes ESG-Rating allein macht noch kein gutes Investment. Auch die Aussichten müssen stimmen. Gute Unternehmen bieten beides.
Haben Sie bei der Geldanlage ein Vorbild?
Da fällt mir zuerst mein Mentor Karl Fickel ein mit seiner unglaublichen Begeisterung für Aktien. Er hat mich zu Lupus Alpha geholt, mich sehr geprägt, gefordert und mir auch geholfen, meinen eigenen Stil zu entwickeln.
Ihr Motto beim Investieren lautet?
Man muss viele Steine umdrehen, um ein erfolgreiches Investment zu entdecken. Neugier und vor allem viel Fleiß zahlen sich im Portfoliomanagement aus.
Welches Buch sollten Anleger gelesen haben?
Benoît Mandelbrot, „Fraktale und Finanzen – Märkte zwischen Risiko, Rendite und Ruin“. Die vielleicht wichtigste Aussage darin: Das Risiko extremer Ereignisse wird immer wieder unterschätzt. Manchmal passieren Jahre in Tagen. Das passt sehr gut zu 2020.
Welches Wertpapier oder welche Assetklasse würden Sie auf Jahressicht empfehlen?
Ganz klar europäische Small & Mid Caps. Gerade hier finden sich viele Unternehmen, die in der Coronakrise erstaunliche Stärke bewiesen haben oder jetzt sogar besondere Chancen bieten.
Sie haben eine Million Euro und müssen diese mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren investieren. Wie würden Sie das Geld anlegen bzw. aufteilen?
Mein ganzes Berufsleben habe ich mit Nebenwerten verbracht. Auch privat bin ich absolut überzeugt. Der Lupus Alpha Dividend Champions stünde deshalb ganz oben auf meiner Liste.