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Mangelnder Reformwille bremst Russland

Von Ronald Schneider *) Börsen-Zeitung, 3.10.2017 Russlands Wirtschaft trotzt dem niedrigen Ölpreis und den Sanktionen der USA und Europas mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 1,6 % für 2017. Doch das Land laboriert an strukturellen...

Mangelnder Reformwille bremst Russland

Von Ronald Schneider *)Russlands Wirtschaft trotzt dem niedrigen Ölpreis und den Sanktionen der USA und Europas mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 1,6 % für 2017. Doch das Land laboriert an strukturellen Schwächen: mangelnde Reformen, schrumpfende Bevölkerung und geringe Produktivitätssteigerung. Auch der Inlandskonsum lässt wenig Raum für Fantasie, selbst wenn er zuletzt leicht zugenommen hat. Dank der hohen Zinsen und des erwarteten Ölpreisanstiegs zählt Russland bei Anleiheinvestoren dennoch zu den beliebten Märkten unter den Schwellenländern. Umsichtige FinanzpolitikDank einer umsichtigen Finanzpolitik ist Russland besser als erwartet durch die vergangenen Krisenjahre gekommen. Zwar wirken die Sanktionen der EU und der USA negativ auf russische Unternehmen, doch konnte das Land die Strafmaßnahmen insgesamt ganz gut wegstecken. Grund dafür waren unter anderem die respektablen Währungsreserven, die in den Boom-Jahren angesammelt wurden.Wesentlich mehr zugesetzt hat Russland jedoch der Preisverfall des Rubel und des Rohöls, des wichtigsten Exportguts des Landes. Nach mehreren Jahren schrumpfenden Wirtschaftswachstums hat sich das Land von diesen Schocks nun etwas erholt und wird in diesem Jahr erstmals wieder moderat (1,6 %) wachsen. Auch im Wettbewerbsindex des World Economic Forum macht Russland von Jahr zu Jahr Positionen gut. Ein bedeutender Aspekt ist dabei die Abwertung des Rubel, die sich günstig auf die Exportwirtschaft auswirkt.Angesichts sinkender Inflationsaussichten und der Stabilisierung des Rubel hat die Russische Zentralbank die Leitzinsen in diesem Jahr bereits vier Mal nach unten gesenkt, zuletzt im September um 0,50 auf 8,50 %. Die Preisentwicklung liegt nun mit 3,3 % deutlich unter der Zielmarke der Notenbank von 4 %. Zwar agiert die Zentralbank sehr konservativ, da sich die Inflationserwartungen der Bevölkerung noch nicht an das gesunkene Niveau angepasst haben, dennoch ist zu erwarten, dass sie noch weiter an der Zinsschraube nach unten drehen wird, was sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken sollte.Die Auslandsverschuldung Russlands ist moderat – zuletzt sogar leicht gesunken – und bietet wenig Grund zur Sorge. Doch beim Budget steht das Land unter Konsolidierungsdruck: Um das Defizit abzubauen, muss durch Ausgabenkürzungen, Privatisierungen und die Besteuerung von Rohstoffexporten dringend Geld in die Kasse gespült werden. Auch der in Zusammenhang mit den westlichen Sanktionen so wichtige Reservefonds ist stark rückläufig. Vielfach unberechenbarDie Anleger haben diese Entwicklungen bereits auf ihrem Radar und entsprechend eingepreist. Die Liquidität der Unternehmen und der Banken verbessert sich sukzessive. Die Kapitalflucht ist von knapp 60 Mrd. US-Dollar im Jahr 2015 auf knapp 20 US-Dollar im vergangenen Jahr gesunken. Aufgrund der hohen Zinsen – für lang laufende Anleihen werden derzeit bis zu 7,5 % Zinsen bezahlt – ist Russland einer der beliebtesten Märkte der Region, natürlich bei all den Risiken, welche das vielfach unberechenbare Schwellenland aufweist. Auch das Anleiheteam von Raiffeisen Capital Management erachtet Russland aufgrund der hohen Verzinsung der Staatsanleihen als einen der attraktivsten Märkte Zentral- und Osteuropas und ist sowohl im Lokalwährungssegment als auch in Hartwährungsanleihen investiert. Die meisten Marktteilnehmer gehen davon aus, dass der Ölpreis weiter ansteigen wird und zu Jahresende die 60-US-Dollar-Marke erreichen könnte. Davon würden die Investoren profitieren. Mit hohen Risiken behaftetFazit: Russland hat dank einer umsichtigen Finanzpolitik die durch Ölpreisverfall, Rubelabsturz und Strafmaßnahmen verursachte schwere Wirtschaftskrise besser bewältigt als erwartet. Auch wenn sich die Wirtschaft im Zuge der Stabilisierung des Ölpreises und der Währung nun langsam erholt, sind in den nächsten Jahren nur geringe Wachstumsraten wahrscheinlich. Solange wichtige strukturelle Reformen (Privatisierung der Wirtschaft, Bekämpfung von Korruption sowie die Gewährleistung von Rechtssicherheit) nicht in Angriff genommen werden, bleibt der Markt für Anleger mit Risiken behaftet.—-*) Ronald Schneider ist Leiter Anleihen, CEE & Global Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management.