ANSICHTSSACHE

Markt für Mittelstandsanleihen steckt in der Krise

Börsen-Zeitung, 6.6.2014 Mittelstandsanleihen stehen in der Kritik. Und das zu Recht. Denn viele Ausfälle belasten das gesamte Marktsegment. Doch nicht alle Chancen sind vertan. Wer in den vergangenen Monaten die Berichte über Anleihen aus dem...

Markt für Mittelstandsanleihen steckt in der Krise

Mittelstandsanleihen stehen in der Kritik. Und das zu Recht. Denn viele Ausfälle belasten das gesamte Marktsegment. Doch nicht alle Chancen sind vertan. Wer in den vergangenen Monaten die Berichte über Anleihen aus dem Mittelstand verfolgt hat, dem präsentierte sich ein düsteres Bild: Ausfall über Ausfall, Marktkenner prognostizieren das Ende des Segments, die bevorstehende Rückzahlungswelle wird mit einem Tsunami verglichen. Für mich ist das mediale Schwarzmalerei! Und die ist nicht zielführend.Zugegeben, es gibt eine Vielzahl von Problemen und die Zahl der Ausfälle ist zweifellos viel zu hoch. Doch ein differenzierter Blick lohnt sich. Rund 5 Mrd. Euro wurden bisher platziert. 14 Emittenten sind ausgefallen, etwa jeder Zehnte. Mehr als die Hälfte der Ausfälle betraf die Branche der erneuerbaren Energien, die für 357,5 Mill. Euro des Gesamt-Insolvenz-Volumens von 632,5 Mill. Euro verantwortlich ist. Hier haben zweifellos die Veränderungen der Förderpolitik und der weltweite Wettbewerb heftig zur Negativentwicklung beigetragen. Ohne dieses Branchenproblem würde die Ausfallrate bei etwa 6 % liegen. Sie sinkt sogar auf rund 4,5 %, wenn Fälle, in denen offenbar die Staatsanwaltschaft ermittelt, noch herausgerechnet werden. Eine solche Quote wird von Investoren bei einem gebotenen Zins von 7 % durchaus als angemessen betrachtet. Mit dieser Auswertung will ich die Lage nicht schönreden. Aber die Analyse der Ausfälle zeigt, dass manche pauschale Betrachtung zu kurz greift und die Breite des Segments ausblendet. So notieren stabil über 70 % der aktuellen Mittelstandsanleihen oberhalb von 90 % und damit auf einem hinnehmbaren Niveau. Viele Erfolgsgeschichten, von denen leider viel zu wenig in den Medien zu lesen ist, notieren oberhalb von 100 % mit Sekundärmarktrenditen von 4 bis 5 %. Hieran sollten sich die bonitätsstarken Mittelständler orientieren, die eine Anleihe grundsätzlich in Erwägung ziehen. Nach meiner festen Überzeugung würden diese Emittenten auch heute mit Zinssätzen zwischen 5 und 6 % ausreichend Investoren finden. Zweifellos gehört Mut dazu, jetzt in dieses Segment einzusteigen. Es wäre jedoch ein enorm positives Signal und mit einer großen Aufmerksamkeit verbunden. Bereinigung des MarktesWas ist noch zu tun, um dieses Segment zu erhalten? Zum einen die Fortsetzung der bereits begonnenen Bereinigung des Marktes durch die Investoren. Investoren kaufen nicht mehr blind jede Emission. Wahrscheinlich haben sie dies nie getan, aber die eigene Analyse und Risikobeurteilung stehen heute ganz sicher an vorderster Stelle, und der Blick auf die Finanzdaten und das Geschäftsmodell rangieren weit vor einer reinen Orientierung an veröffentlichten Ratings. Auch bei den privaten Investoren überwiegen die Selbstentscheider, die die Risiken kennen und sich deshalb auch nicht beschweren, wenn eine Investition schiefgeht.Darüber hinaus müssen die am Markt befindlichen Emittenten ihre Kommunikation deutlich verstärken und neben der kontinuierlichen Lieferung von Informationen über den Geschäftsverlauf das Thema der Refinanzierung rechtzeitig in den Mittelpunkt stellen. Die Emittenten am Mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf beschäftigen sich früh mit dem Thema der Rückzahlung, wie ich in diversen Gesprächen vernehmen kann. Richtig ist sicher, bereits zwei Jahre vor Fälligkeit aktiv zu werden, nicht erst ein Jahr vorher. Finden und kommunizieren die Firmen und ihre Kapitalmarktpartner überzeugende Konzepte, dürfte der prophezeite Tsunami ausbleiben – zumindest im Rheinland. Die Transparenz und Offenheit heutiger Emittenten ist für uns ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung des Segments. Unternehmen müssen passenNatürlich müssen auch die künftigen Emittenten in dieses Segment passen. Zweifellos ist nicht jedes Unternehmen und jede Unternehmenssituation geeignet für den Kapitalmarkt. Die Vorabfilterung ist allerdings schwierig, und ein Wettlauf um möglichst scharfe Mindestanforderungskataloge wird das Problem nicht lösen. Alle von uns geführten Diskussionen kamen stets zu dem Ergebnis, dass es keine realisierbare Mixtur aus Kennzahlen gibt, die in allen Fällen passt und den Ausfall eines Emittenten verhindern könnte. Insofern ist es nur konsequent, keine verbindlichen Kriterien aufzustellen oder eben Wünsche zu formulieren, die in die richtige Richtung gehen. Allerdings sollten sich alle möglichst daran halten, was seitens der Emittenten und Begleiter leider noch nicht zu erkennen ist. Mut machen sollte, dass die Investoren zu “funktionieren” scheinen, denn im jüngsten Emissionsfall mit schwierigen Finanzkennzahlen wurde keine Vollplatzierung erreicht. In einer großen deutschen Wirtschaftszeitung hieß es kürzlich: “Schwache Schuldner müssen sich über ihre Refinanzierung keine Sorgen machen. Investoren auf der verzweifelten Suche nach Rendite reißen selbst solchen Unternehmen neue Bonds förmlich aus den Händen, weil diese etwas mehr Zinsen bieten als Anleihen von Schuldnern mit guter Bonität.” Es wäre trotzdem höchst wünschenswert, wenn mehr echte Mittelständler mit guten Bonitäten den Kapitalmarkt und insbesondere die Anleihe als Alternative und Ergänzung zur Bankfinanzierung nutzen würden und nicht die Emittenten der erneuerbaren Energien und Immobilienprojekte das Bild prägen würden. Das würde dem Markt neues Vertrauen geben und langfristig hilfreicher sein als der aktuell zu beobachtende Trend zu immer mehr Besicherung der Anleihen.Der Markt steckt zweifellos noch in der Krise. Doch anders als andere sehe ich nicht nur schwarz, sondern eine laufende Marktbereinigung. Wir sollten gemeinsam die Chancen nutzen, die bekanntlich in jeder Krise stecken, und den Markt für Unternehmensanleihen kleiner und mittlerer Unternehmen für Anleger und Emittenten weiter als Qualitätssegment etablieren.Dirk Elberskirch ist Vorstandsvorsitzender der Börse Düsseldorf.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Dirk Elberskirch Der Markt für Mittelstandsanleihen steckt zweifelsohne in einer Krise. Es wird aber auch sehr viel Schwarzmalerei betrieben.——-