Märkte bangen um Chinas Wachstum
Die Wirtschaft der Volksrepublik verliert an Schwung. Darunter leiden in Europa und den USA vor allem die Aktienwerte, die viel Geschäft in China machen. Dazu zählen insbesondere Bergbauaktien, aber zum Beispiel auch Titel des Luxus- und des deutschen Automobilsektors.Von Grit Beecken und Christopher Kalbhenn, FrankfurtChina hält die Finanzmärkte auf Trab. Nachdem vor zwei Wochen stark ansteigende Geldmarktsätze die Banken des Landes in Nöte brachten und die Welt auf das Risiko einer chinesischen Kreditblase aufmerksam machten, verschreckten gestern schwache Konjunkturdaten die Investoren. Im Juni sank das Exportvolumen der Volksrepublik um 3,1 %, die Importe gingen um 0,7 % zurück. Das ist der erste Rückgang der Ausfuhren seit 17 Monaten.Es mehren sich die Zeichen, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt an Schlagkraft verliert. Einige Experten fragen sich bereits, ob China zum ersten Mal seit 15 Jahren die eigenen Wachstumsprognosen verfehlen könnte. “In China ist eine Konjunkturverlangsamung festzustellen”, sagt Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees von Carmignac Gestion. Nun spekulieren einige Investoren auf konjunkturstimulierende Maßnahmen der chinesischen Regierung. Der SSE Composite legte um 2,2 % auf 2 008 Zähler zu. Seit Jahresbeginn hat der chinesische Leitindex 9,4 % eingebüßt. Das spricht aus Sicht mancher Anleger für ein Investment. Nahe historischer Tiefststände”Chinas Märkte sind attraktiv bewertet. Die Bereiche wie z.B. Konsumgüter, die von den Reformen der neuen Regierung profitieren, werden sich gut entwickeln”, sagt Scott Davidson von Natixis Global Asset Management. Das sieht man auch bei Schroders so: Die Bewertungen sowohl für den Offshore- als auch für den chinesischen Inlandsaktienmarkt bewegten sich in der Nähe historischer Tiefststände.Das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt bei etwa 1,3 und sei damit nur rund 10 % von den niedrigsten Ständen entfernt. “Unserer Ansicht nach sind die sehr geringen Erwartungen und andere negative Einflüsse in den aktuellen Bewertungen bereits eingepreist. Die aktuellen Stände bilden daher unserer Meinung nach bereits den Boden, auch bei schwachen Wachstumsprognosen”, sagt Louisa Lo, Fondsmanagerin des Schroder ISF Greater Chinese Equities.Ob die Wette auf einen Konjunkturstimulus aufgeht, ist allerdings ungewiss. Denn das langsamere Wachstum erscheint Regierungschef Li Keqiang chinesischen Medienberichten zufolge durchaus akzeptabel. Die makroökonomische Kontrolle müsse langfristig denken und sicherstellen, dass die Wachstumsrate, Beschäftigung und andere Indikatoren “nicht unter unsere Untergrenzen rutschen und die Inflation nicht unsere Obergrenze überschreitet”. Hoher Anteil der Dax-ErträgeIn welchen Ausmaß das Europas Aktienmärkte betrifft, zeigt eine Untersuchung des Cambridge-Professors Peter Nolan, über die die “Financial Times” berichtet. Demnach trugen von 2007 bis 2009 ausländische Unternehmen 28 % zur Industrieproduktion Chinas bei. 90 % der chinesischen Exporte von Hochtechnologieprodukten entfielen auf nicht-chinesische Firmen. Durch die weitere Öffnung des chinesischen Marktes könnten die Anteile seitdem noch gestiegen sein. Zwischen 1990 und 2012 stiegen zudem die ausländischen Direktinvestitionen von 2,1 Bill Dollar auf 23,6 Bill. Dollar. 79 % davon kamen aus den Industrieländern. Dax-Konzerne fahren Schätzungen zufolge einen hohen Anteil ihrer Erträge 15 bis 20 % in China ein.Der Dax hielt sich gestern aber ganz gut. Nach einer Spanne von 7 991 bis 8 081 lag der Index um 17:10, als seine Berechnung aussetzte, mit einem Minus von 0,1 % bei 8 049 Zählern. Bei den Autowerten, die einen hohen China-Anteil haben, machten sich die Daten aus dem Land nicht erkennbar bemerkbar. Volkswagen legten sogar um 0,9 % zu. Die gestern ebenfalls veröffentlichten Zahlen zum Fahrzeugabsatz in China waren zudem alles andere als negativ. So ist der Absatz z.B. von Audi im Juni Vergleich zum Vorjahr um 33,5 % gestiegen.Unter Druck gerieten dagegen die Bergbauaktien, die schon seit geraumer Zeit unter sinkender Nachfrage aus China leiden. Unter den Stoxx-Sektorindizes war derjenige der Grundstoffehersteller mit einem Minus von 0,9 % Tagesverlierer. Seit Jahresbeginn hat er rund 26 % eingebüßt. Die Branche litt gestern auch unter negativen Studien. So stufte UBS den Sektor von “Overweight” auf “Neutral” zurück. Begründet wurde dies mit neben der angekündigten Reduzierung der Anleihekäufe der US-Notenbank mit dem rückläufigen Wachstum Chinas, was das Haus auch veranlasst hat, die Metallpreisprognosen zu reduzieren. Zudem erklärte Goldman Sachs, dass sich ihre negative Einschätzung für den Sektor durch die Erwartung einer wirtschaftlichen Abschwächung Chinas und niedrigerer Eisen- und Kupferpreise verstärkt habe.Der ebenfalls China-lastige Luxussektor tendierte wiederum fester. Grund war die Mitteilung der britischen Burberry, dass ihr Umsatz im zweiten Quartal dank der chinesischen Nachfrage im Vorjahresvergleich um 18 % gestiegen ist. Burberry gewannen 4,8 %.