Maschinenbauer schaltet um auf Angriff
Von Antje Kullrich, Düsseldorf
Zwei Jahre hat Gea-Chef Stefan Klebert den auf die Lebensmittelindustrie fokussierten Maschinenbauer neu organisiert und umgebaut. Ein Großteil ist geschafft. Mit einem neuen Fünfjahresvertrag im Gepäck schaltet Klebert jetzt in den Angriffsmodus. Nach Restrukturierung, Effizienzprogramm und einigen Desinvestments soll Gea wieder durch Zukäufe wachsen – ein historisch gesehen vertrautes Terrain, da auch die heutige Struktur des Konzerns eher ein Ergebnis aus Portfoliooptimierung denn aus langjährigem organischen Wachstum ist.
Der Schluck aus der Pulle, der Klebert vorschwebt, darf auch ruhig ein größerer sein. „Wir könnten sicher bis zu 1 Mrd. Euro oder sogar darüber investieren in eine Firma“, hatte er bereits am Jahresanfang selbstbewusst verkündet. Das wäre der Spielraum, ohne das Rating zu riskieren. Moody’s hat gerade Anfang April die „Baa2“-Einstufung bestätigt und den Ausblick von „negativ“ auf „stabil“ gesetzt. Die finanzielle Kraft des Konzerns ist mit einer Nettofinanzposition von 400 Mill. Euro Ende 2020 offensichtlich. Begleitet außerdem von einem fast verdoppelten Free Cash-flow von fast 630 Mill. Euro konnte es sich Gea auch leisten, das zweite Jahr in Folge eine Dividende in Teilen aus der Substanz zu zahlen. Klebert hatte in den beiden Umbaujahren auf Kontinuität der Ausschüttung nicht verzichten wollen. So erhalten die Aktionäre nach der Hauptversammlung in der kommenden Woche eine Dividendenrendite von rund 2,4%.
Vertrauen verspielt
Als der frühere Schuler-CEO den MDax-Konzern im Februar 2019 übernahm, hatte er ein im Kern stabiles, aber ertragsschwaches Unternehmen vorgefunden. Von der Konzentration auf die wenig konjunktursensible Nahrungsmittelbranche war auch Klebert von Anfang an überzeugt und hatte wie sein Vorgänger großes Potenzial für Gea-Maschinen in Schwellenländern identifiziert. Der Konzern produziert Kältetechnik, Melkanlagen oder Maschinen für die Getränkeindustrie. Auch Gebäckhersteller oder Milchverarbeiter zählen zu den Kunden. Geas Probleme lagen weniger in der Strategie, sondern in der Konzernorganisation. In den zwei Jahren zuvor hatte eine Kette von Zielverfehlungen in Folge einer verpatzten Neuaufstellung dafür gesorgt, dass ein erhebliches Maß an Vertrauen am Kapitalmarkt verspielt worden war. Dieses Vertrauen hat sich Gea, deren Vorstand seit Kleberts Amtsantritt komplett ausgewechselt wurde, in großen Teilen zurückerobert.
Das Geschäft ist wieder transparenter. Klebert hat die Einteilung des Konzerns in nur zwei große Bereiche – Standardprodukte und Individuallösungen – rückgängig gemacht und ist in weiten Teilen zu der früheren Struktur zurückgekehrt. Sie unterscheidet nach Zielbranchen und bei branchenübergreifend eingesetzter Anwendungen wie Separatoren und Pumpen nach Technologie. Den jetzt fünf Sparten hat die Gea-Führung mehr Verantwortung zurückgegeben und gleichzeitig den Einkauf gebündelt und die IT modernisiert.
Analysten eher neutral
Die Folge: Gea war eines von wenigen Unternehmen, deren Ergebnisse am Jahresende 2020 die Erwartungen aus der Vor-Corona-Zeit übertrafen – und das nicht direkt von der Pandemie profitierte. Seit dem Amtsantritt von Klebert hat der Gea-Aktienkurs mit der Performance des MDax in etwa Schritt halten können, Wettbewerberin Krones wurde dagegen deutlich abgehängt. Bei einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 hält sich die Euphorie der Analysten jedoch in Grenzen. Zwölf Beobachter sehen die Titel neutral, elf Analysten empfehlen die Gea-Papiere zum Kauf. J.P. Morgan gehört zu den drei Häusern, die von einem Investment in Gea derzeit eher abraten, obwohl Analyst Akash Gupta dem Maschinenbauer durchaus ein starkes Abschneiden im vergangenen Jahr attestiert. Doch er sieht zunehmenden Gegenwind durch steigende Rohstoffpreise, eher nachteilige Währungseinflüsse und Gehälteranstieg. Andere Werte seien für die erwartete zyklische Erholung der Konjunktur besser positioniert, resümiert Gupta.
Anders sehen es zum Beispiel Citigroup, die Ende März die Gea-Aktien auf „Kaufen“ hochsetzte, und die UBS, die bei ihrer positiven Einschätzung bleibt, obwohl sie den europäischen Investitionsgütersektor für historisch hoch bewertet ansieht.
Optimismus für 2021
Gea selbst verbreitet Optimismus. „Wir gehen davon aus, dass die Geschäftsdynamik wieder anzieht ab dem dritten Quartal, wenn die Pandemie dann weitgehend überwunden ist”, sagte Klebert in einem aktuellen Interview der Nachrichtenagentur Bloomberg. Außerdem dürfte es einen gewissen Nachholeffekt geben, wenn Unternehmen wieder mehr Fremdpersonal für Wartungen und Inspektionen in Ihre Produktionen hineinließen, äußerte der Manager.
Für das erste Quartal stellte der CEO zunächst einen Auftragseingang etwa in Höhe des Vorquartals in Aussicht, als er bei 1,2 Mrd. Euro lag. Den Umsatz sieht Klebert bei gut 1 Mrd. Euro. Die operative Marge solle gegenüber dem ersten Quartal 2020 höher ausfallen.
Bis Ende 2022 lautet Geas Ziel, die bereinigte Ebitda-Marge um ein bis zwei Prozentpunkte im Vergleich zum vergangenen Jahr auszubauen. Im kommenden September will der Vorstand neue Mittelfristziele bis 2026 benennen.
Elliott ist wieder raus
In den Aktionärskreis von Gea scheint Ruhe eingekehrt zu sein. Die Führung des Maschinenbauers geht davon aus, dass der aktionistische Hedgefonds Elliott nicht mehr an Bord ist. Dieser war im Zuge der zahlreichen Gewinnwarnungen eingestiegen und hatte Druck ausgeübt, das frühere Management auszutauschen. Elliott hatte auch den Aufsichtsrat unter Beschuss genommen. Größte Aktionäre sind der kuwaitische Staatsfonds, dessen Chef Ahmad Bastaki auf der Hauptversammlung am kommenden Freitag auf der Hauptversammlung nach 19 Jahren im Kontrollgremium ausscheidet. Kuwait hält knapp 10% des Grundkapitals, gefolgt von der Groupe Bruxelles Lambert mit etwa 8,5%. Der Rest ist Streubesitz. Fast zwei Drittel der Anteilseigner sitzen in Großbritannien oder den USA.