IM INTERVIEW: ALEX ARAUJO, M&G

"Megathemen treiben Outperformance"

Fondsmanager: Bewertungen reflektieren häufig das Potenzial nicht, das sich für Unternehmen aus den langfristig wirksamen Kräften ergibt

"Megathemen treiben Outperformance"

Anleger, die langfristig überdurchschnittliche Erträge erzielen wollen, müssen die großen Trends im Blick haben, die die kommenden Jahre maßgeblich bestimmen werden, ist Alex Araujo überzeugt. Der Manager des M&G (Lux) Global Themes Fund sucht auf Basis einer Analyse der seiner Einschätzung nach relevanten Megathemen, darunter etwa große demografische Veränderungen, Aktien von Unternehmen, die von den großen Trends profitieren. Herr Araujo, Sie führen einen Fonds, der themengetrieben investiert. Was steckt dahinter?Wir fangen langfristige Trends und Kräfte ein, die für Outperformance an den Aktienmärkten sorgen. Viele Marktteilnehmer sind kurzfristig orientiert, was die Möglichkeit schafft, unterbewertete langfristige Gelegenheiten zu nutzen. Marktteilnehmern fällt es schwer, langfristige Gelegenheiten zu erfassen, mit der Folge, dass sie ihnen in Phasen der Unsicherheit einen negativen Wert zuteilen. Megathemen treiben in langfristiger Sicht Outperformance, und wir sind oft in der Lage, Unternehmen zu einem fairen Preis zu erwerben, deren Bewertung aber noch nicht das Potenzial enthält, das sich aus den langfristig wirksamen Kräften ergibt. Fahren Sie also einen Top-down Ansatz?Es ist eine Kombination aus Top-down- und Bottom-up-Ansatz. Wir stellen uns zunächst die Frage, welche Kräfte zu langfristigen und nachhaltigen Veränderungen führen, ehe wir uns um Einzelunternehmen kümmern. Die Identifizierung der Kräfte erfordert einen hohen Recherche- und Leseaufwand. Wir haben vier Themenfelder für unseren Fonds ausgesucht. Demografie ist einer der großen Megatrends. Was bedeuten die demografischen Veränderungen unserer Zeit für Investoren?Demografie ist eine unvermeidbare Kraft, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Wir werden nun einmal jeden Tag älter. Es gibt hier zwei Aspekte: Die Gesellschaft wird immer älter, und die Menschen leben länger als früher. Diese Kombination sorgt für viele Unternehmen für langfristige Gelegenheiten. So gibt es einen steigenden Bedarf an geeigneter Unterbringung alter Menschen. Es gibt viele Erfordernisse und von Unternehmen angebotene Produkte, die am Aktienmarkt nicht hinreichend dafür bewertet werden, dass immer mehr Menschen 100 Jahre oder sogar älter werden. Zu den betroffenen Branchen beziehungsweise relevanten Themen zählen der Finanzsektor, das Gesundheitswesen und eine sich ändernde Nachfrage nach Konsumgütern und Dienstleistungen. Dabei sind regionale Unterschiede zu beachten. Neben der Alterung ist ein weiteres demografisches Thema die sehr stark wachsende Bevölkerung Afrikas. Wir fangen auch gewisse Healthcare-Trends in gewissen Gesellschaften und Volkswirtschaften ein, wie stark steigende Diabetes-Erkrankungen in den USA. Sie führen auch Umweltthemen als wichtigen Trend an. Was kann man hier alles spielen?Die Umwelt steht zurzeit sehr stark im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Der Beitrag des Menschen zur Erderwärmung ist eine der großen gesellschaftlichen Sorgen. Es gibt umfangreiche Aktivitäten, die Erderwärmung aufzuhalten. Zudem stehen umweltschädliche Emissionen im Fokus, etwa Diesel-Emissionen und die Umweltverschmutzung durch die Industrie in China. Das schafft Gelegenheiten für Unternehmen, die dazu beitragen können, die Folgen der Erderwärmung und der Umweltverschmutzung umzukehren oder zumindest zu mildern. Themen sind hier beispielsweise erneuerbare Energien, Brennstoffe für den Übergang, die Umstellung der Industrie auf neue Energiequellen, sauberes Wasser und Abfallrecycling. Welche Chancen bietet das Infrastrukturthema?Auch dies ist ein sehr wichtiges und chancenreiches Thema. Weltweit besteht ein enormer Bedarf an mehr, besserer und neuer Infrastruktur. In Deutschland verfügen Sie über eine relativ gute Infrastruktur. In anderen Teilen der Welt sieht das jedoch anders aus, insbesondere auch in den USA. Dort gibt es einen signifikanten Bedarf, was Straßen, Flughäfen und Eisenbahn betrifft. In Deutschland ergeben sich Chancen durch den Trend hin zu grüner Energie und weg von der Kohle. Außerdem schauen wir uns in Deutschland die Themen Transport- und digitale Infrastruktur an. Chancen ergeben sich insbesondere dadurch, dass es weltweit einen mehrere Billionen Dollar betragenden Rückstand bei den Infrastrukturinvestitionen gibt. Austerität und mangelnde Mittel haben dazu geführt, dass Aufgaben zunehmend auf den Privatsektor übertragen werden, um den Bedarf zu decken. Sie setzen auch auf Innovationen. Welche sind das?Innovation ist an sich nichts Neues. Innovation geschieht seit Jahrhunderten und begleitet uns immer. Dampfmaschinen und Flugzeuge waren Innovationen, die enorme Gelegenheiten mit sich brachten. Derzeit bietet vor allem die digitale Kommunikation Chancen. Das Gleiche gilt für den sich verändernden Transportmix, das heißt der Übergang von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Fahrzeugen hin zu umweltfreundlicheren Lösungen wie elektrisch betriebene oder Hybridfahrzeuge. Auch der zunehmende Bedarf an Cybersecurity sorgt für Chancen. Im medizinischen Bereich ist etwa an die Genetik zu denken. Wie setzen Sie diese Themen anlagetechnisch um?Die Megathemen sind für uns der Ausgangspunkt, um im nächsten Schritt spezifische Unternehmen für ein Investment zu finden. Ein Unternehmen, in das wir investieren wollen, muss in mindestens einem der langfristigen Megathemen engagiert sein. Wichtig ist für uns auch ein diszipliniertes Anlegen. Wir wollen überhitzte Stories beziehungsweise unrealistische und unprofitable Konzepte meiden. Es gibt einen großen Unterschied zwischen guten Ideen und guten Unternehmen. Wir gehen einigen Hypes aus dem Weg. Aktuell gibt es beispielsweise einen Hype um alternative Produkte für Fleisch, wie bei einem IPO jüngst beobachtet werden konnte. Möglicherweise hat das Unternehmen, dessen Aktie stark gestiegen ist, aufregende Perspektiven. Aber ohne einen klaren Pfad hin zu Profitabilität und Cash-flows ist es für uns schwierig, in das Unternehmen zu investieren. Es gibt zwar einen großen Trend hin zu Fleischersatz. Wir würden aber eher in ein diversifiziertes Unternehmen investieren, das Ersatzprodukte als ein Teil seines Produktportfolios anbietet. Bei den alternativen Fahrzeugantrieben sorgt Tesla für Furore. Was halten Sie von dem Unternehmen?Tesla hat ein sehr aufregendes, innovatives und interessantes Produkt. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass das Unternehmen für uns interessant ist. Wir setzen lieber auf etablierte und profitable Automobilhersteller mit Innovationen. Dadurch sind wir nicht vom Erfolg einer einzelnen Innovation abhängig. Uns gefällt Toyota. Das Unternehmen ist etabliert und profitiert mit seinen Hybridfahrzeugen vom Trend zu umweltfreundlicheren Antrieben. Seine Hybridfahrzeuge sind in Großbritannien die favorisierten Automobile der Uber-Fahrer, weil sie so zuverlässig sind. Toyota ist auch beim Wasserstoffantrieb führend. Als Investor ist man aber nicht vom Erfolg dieser Innovationen abhängig. Wer geduldig ist, kann als Anleger langfristig von den Innovationen profitieren. Welche vom Demografie-Thema getriebene Investments haben Sie gemacht?Eine unserer größten Positionen ist AIA, ein in Hongkong gelisteter chinesischer Versicherer. Das Unternehmen ist etabliert und profitabel und generiert Cash-flows. AIA ist sehr gut positioniert, um von der stark wachsenden Mittelschicht in Asien und vor allem in China zu profitieren. Es gibt in der Region eine stark steigende Nachfrage nach Versicherungen beziehungsweise Altersvorsorgeprodukten, zum einen wegen der alternden Bevölkerung vor allem in China, zum anderen wegen des zunehmenden Wohlstands der wachsenden Mittelschicht. Ein weiteres Unternehmen ist Shimano, ein japanischer Hersteller von Fahrradteilen. Es profitiert vom Trend der jungen Stadtbevölkerung weg vom Auto hin zum Fahrrad. Hinzu kommt die steigende Nachfrage älterer Menschen nach elektrischen Fahrrädern. Das Unternehmen ist etabliert und profitabel und profitiert sowohl von junger als auch von alter Demografie. In welche Unternehmen haben Sie unter ökologischen Gesichtspunkten investiert?Zu unseren Positionen zählt Orsted, ein dänischer Betreiber von Offshore-Windparks. Offshore-Wind ist das weltweit am stärksten wachsende Erneuerbare-Energien-Segment. Die Windparks sind weit weg von bevölkerten Gegenden und in der Lage, zuverlässig und kosteneffizient saubere Energie zu produzieren. Die Dänen sind die Pioniere im Offshore-Wind-Geschäft und vertreiben ihr Produkt weltweit, einschließlich der Vereinigten Staaten. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.