Midterms helfen der Wall Street nicht

Steigende Anleiherenditen belasten Aktien - Keine Rally zur Halbzeit der US-Präsidentschaft in Aussicht

Midterms helfen der Wall Street nicht

Normalerweise läuft es für die Wall Street kurz vor Zwischenwahlen zum US-Kongress richtig gut. Vier Wochen vor den diesjährigen Midterms sieht es nicht danach aus, dass sich das Muster wiederholt. Steigende US-Anleiherenditen bremsen den seit mehr als neun Jahren laufenden US-Aktienmarkt aus.sp New York – Eigentlich sollte der Oktober in diesem Jahr ein richtig guter Monat für die Wall Street werden. Denn auch wenn der Start in das vierte Quartal bei vielen Investoren und Historikern böse Erinnerungen unter anderem an die Jahre 1929, 1987 und 2008 weckt, als der Dow Jones kurz nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers die am 10. Oktober abgeschlossene Handelswoche mit einem Minus von 18 % beendete, hat der Oktober in den Jahren mit Kongresswahlen zur Halbzeit einer US-Präsidentschaft oft gute Ergebnisse gebracht.In diesem Jahr sieht es vier Wochen vor den Midterms allerdings nicht danach aus, als würde sich das historische Muster wiederholen. Die steigenden Zinsen in den USA haben die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen am Dienstag erneut auf ein Siebenjahreshoch gehoben. Das machte wie schon in den vergangenen Tagen vor allem Technologieaktien wie Amazon oder Netflix zu schaffen, deren Börsenwerte sich zu einem großen Teil auf erwartete Gewinne in der fernen Zukunft stützen. Doch nicht nur der steigende Yield von Treasuries macht US-Aktien zu schaffen. Auch die Spannungen zwischen den USA und China schaffen Verunsicherung, der steigende Ölpreis belastet die Wachstumsaussichten und die italienische Regierung sorgt auch diesseits des Atlantiks für Irritationen.Seit 1950 ist der Dow Jones Industrial Average im Monat vor den alle vier Jahre stattfindenden Zwischenwahlen Anfang November durchschnittlich 3,1 % geklettert, wie Daten des Stock Trader Almanac zeigen. Auch der S & P 500, der Nasdaq Composite und Russell 1 000 sind vor den Midterms meistens gut weggekommen. Mehr noch, die Schlussquartale zur Halbzeit einer US-Präsidentschaft läuten an den US-Börsen oft die beste Neunmonatsspanne während der Amtszeit eines US-Präsidenten ein. Seit 1949 ist der Dow in den drei Quartalen ab Anfang Oktober vor einer Zwischenwahl um durchschnittlich 20,4 % gestiegen, während der S & P 500 um 21,1 % vorangekommen ist. Technologieaktien im Nasdaq, für die die Daten im Almanac bis 1971 zurückreichen, haben in den neun Monaten rund um die Midterms sogar 32 % zugelegt. Muster ohne WertUnter US-Präsident Donald Trump, der sich auch sonst nicht an Vorlagen hält, hat sich der politische Wahlzyklus schon im bisherigen Jahresverlauf anders als sonst vor Midterm-Wahlen gewohnt an den Aktienmärkten abgebildet. Der S & P 500 hat knapp ein Zehntel zugelegt und liegt damit selbst nach den jüngsten Rückschlägen deutlich über dem Durchschnitt von 6 %, die seit 1942 in einem Jahr mit Zwischenwahlen zum Kongress verbucht werden konnten. Das liegt nach Einschätzung von Beobachtern vor allem daran, dass Trump die von ihm versprochene Steuerreform erst zum Ende des vergangenen Jahres auf den Weg brachte, nachdem er sich zuvor monatelang und ohne Erfolg an einer Reform der US-Krankenversicherung abgearbeitet hatte. Andere US-Präsidenten hätten in den meisten Fällen schneller für Impulse gesorgt, deren Wirkungen in den Monaten vor den Zwischenwahlen bereits eingepreist waren.Die von Trump veranlassten Steuererleichterungen kommen erst in diesem Jahr zum Tragen. Im dritten Quartal haben sie nach Einschätzung von Analysten erneut für mehr als ein Drittel der Gewinnzuwächse bei US-Unternehmen im S & P 500 gesorgt (siehe Grafik). Das gilt in besonderem Maß für US-Großbanken wie J.P. Morgan Chase, Wells Fargo und Citi, die am Freitag die Berichtssaison eröffnen. Doch während die US-Konzerne mit Unterstützung der Steuerreform auch nach dem dritten Quartal auf dem Weg zu Gewinnzuwächsen in der Größenordnung von einem Fünftel im Gesamtjahr sein dürften, richtet sich der Blick bereits auf den kommenden Turnus, in dem sich das Gewinnwachstum im S & P 500 ohne neue Fiskalimpulse nach Einschätzung des Informationsdienstes Factset halbieren wird.Die eingetrübten Wachstumsaussichten der US-Unternehmen fallen zusammen mit steigenden Zinsen in den USA und der höchsten Rendite auf US-Treasuries seit 2011. Damals lag das Verhältnis von Aktienkursen und erwarteten Gewinnen im S & P 500 beim 13-Fachen, während das Multiple heute bei 17 liegt. Je näher die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen an die Marke von 3,5 % herankomme, desto höher sei das Risiko, dass Investoren nicht mehr in der Lage sein werden, die Bewertungen auf dem Aktienmarkt für vernünftig zu halten, sagt Leo Grohowski, Chief Investment Officer von BNY Mellon.Der politische Wahlzyklus dürfte auch nach den Midterms im November zunächst keine neuen Impulse liefern. In den zwölf Monaten nach einer Kongresswahl, die zu unterschiedlichen Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus führten, ist der S & P 500 seit 1928 im Durchschnitt um 0,2 % zurückgefallen.