VOLATILITÄTS-CHECK - GASTBEITRAG

Mit dem Risiko handeln

Börsen-Zeitung, 9.4.2020 Weltweit steigen die Infektionszahlen von Covid-19, immer mehr Länder entschließen sich zum Shutdown des gesellschaftlichen Lebens und der Wirtschaft. Folglich regiert an den Märkten Unsicherheit. Absehbar ist: Die...

Mit dem Risiko handeln

Weltweit steigen die Infektionszahlen von Covid-19, immer mehr Länder entschließen sich zum Shutdown des gesellschaftlichen Lebens und der Wirtschaft. Folglich regiert an den Märkten Unsicherheit. Absehbar ist: Die Volatilität wird so lange anhalten, bis die Unsicherheiten um das Coronavirus abebben. Breitet sich das Virus weiter aus und flacht die Zahl der Infizierten nicht ab, wird die Volatilität hoch bleiben. Bisher sind wir noch lange nicht über den Berg, nachdem die USA die derzeit weltweit höchste Zahl an Infektionen melden. Gerade die USA sind aus weltwirtschaftlicher Sicht einer der größten Treiber. Solange die Staaten so massiv vom Ausbruch des Virus betroffen sind, werden auch die weltweiten Märkte leiden. Starker AbschwungGanz klar, der globale wirtschaftliche Abschwung wird erheblich sein – auch das nährt die Marktschwankungen. Was die Märkte vorerst wieder beruhigen könnte, wäre ein massives Eingreifen der Staaten. Wir haben geldpolitische Maßnahmen gesehen, aber diese haben noch keine Wirkung gezeigt. Wahrscheinlich werden zusätzliche staatliche Maßnahmen nötig sein, um die Bevölkerungen und Märkte zu beruhigen. Darüber hinaus wäre auch die Nachricht über den baldigen Einsatz eines Impfstoffs oder einer wirksamen Therapie sicherlich ein Faktor, der die Märkte beruhigen könnte. Und es gibt auch erste Lichtblicke: Der Wirtschaftsmotor China kommt wieder in die Gänge. Doch auch hier bleibt die Frage noch offen: Kann China die Neuinfektionen auf Dauer niedrig halten und eine zweite Ansteckungswelle verhindern?Zyklische Branchen wie Luftfahrt, Tourismus und Events sind derzeit schwer unter Beschuss. Ihnen brechen die Einnahmen fast komplett weg. Doch es gibt auch Gewinner, die, je länger die Krise anhält, noch stärker profitieren. Beispielsweise “Stay at home”-Aktien wie Delivery Hero, Sony, Walt Disney oder Netflix. Hinzu kommen nun auch “Work from home”-Aktien wie Teamviewer, Microsoft, Zoom Video Communications.Beim als sicherer Hafen gesehenen Gold dürfte weiteres Potenzial bestehen, ungeachtet der jüngsten Abverkäufe. Schon bei den extremen Marktschwankungen des Jahres 2008 hat sich gezeigt, dass der Goldpreis analog zu den Aktien- und Anleihekursen fällt. Um Liquidität zu gewinnen, wurde auch jetzt wieder Gold abgestoßen. Genau wie 2008 lockern die Zentralbanken im Kampf gegen die Krise ihre Geldpolitik massiv. Im Zuge der Finanzkrise legte der Preis des Edelmetalls eine beispiellose Rally hin – das ist auch diesmal zu erwarten. Hier ist jedoch der Zeitrahmen im Blick zu behalten: Solange es an den Märkten hoch hergeht und die Unsicherheit bestehen bleibt, sollten Anleger bei Gold profitieren. Ölpreis vor StabilisierungVolle Öllager und eine sinkende Nachfrage machen Ölkonzernen in der Coronakrise zu schaffen. Dennoch besteht beim Ölpreis die Chance auf eine Bodenbildung. Aktuell laufen Gespräche zwischen den USA und Russland, die sich seit kurzem einen Ölkrieg mit Saudi-Arabien liefern. Die Saudis haben angekündigt, ab April 12,3 Mill. Barrel pro Tag zu fördern; bislang lag die Fördermenge bei unter 10 Mill. Barrel. Das Überangebot und ein gleichzeitiger Nachfrageschock aufgrund des Coronavirus belasten den Ölpreis doppelt. Daher haben Putin und Trump am 30. März telefoniert, in den kommenden Tagen sollen sich auf Ministerebene weitere Gespräche anschließen.Investoren sind bekanntlich von unterschiedlicher Risikobereitschaft geprägt. Wer sich jetzt unsicher fühlt, sollte die Ruhe bewahren und abwarten. Die Märkte könnten noch weiter fallen. Sichere Einstiegsmöglichkeiten sind noch nicht da. Risikoaffine Anleger hingegen sind entschiedene Fans der Volatilität – für sie ist jetzt eine gute Zeit. Um die Unsicherheit an den Märkten aufzufangen, bieten sich derzeit auch Absicherungsgeschäfte an; insbesondere mit Short-Positionen. Anleger sollten zudem nicht vergessen, dass die Volkswirtschaften gut aufgestellt sind. Die Pandemie trifft die konjunkturelle Entwicklung zwar unerwartet und sehr stark, aber sie wird sie nur kurz- bis mittelfristig ausbremsen. Auf mittel- bis längerfristige Sicht ist absehbar: Positive Nachrichten, wie Impfstoffe und Therapien gegen das Virus, werden die derzeit trübe Stimmung sofort drehen.- Simona Stoytchkova, Geschäftsführerin IG Europe Deutschland und Mitglied im Vorstand von IG Europe