GASTBEITRAG

Mit künstlicher Intelligenz die Kunst der Goldpreisprognose beherrschen

Börsen-Zeitung, 20.7.2018 An Goldpreisprognosen hat sich schon so mancher die Zähne ausgebissen. Aus finanzmarkttheoretischer Sicht ist die Bewertung von Gold eine besonders harte Nuss, da traditionelle Bewertungsmethoden aufgrund der Eigenheiten...

Mit künstlicher Intelligenz die Kunst der Goldpreisprognose beherrschen

An Goldpreisprognosen hat sich schon so mancher die Zähne ausgebissen. Aus finanzmarkttheoretischer Sicht ist die Bewertung von Gold eine besonders harte Nuss, da traditionelle Bewertungsmethoden aufgrund der Eigenheiten des Edelmetalls an ihre Grenzen stoßen. So ist die Goldpreisprognose zum Prüfstein für Prognosemodelle avanciert. In der künstlichen Intelligenz könnte sie nun ihren Meister gefunden haben. Prognosekraft an den Finanzmärkten ist selten, aber heiß begehrt. Beinahe alle Marktteilnehmer sind ihr auf der Spur, denn ohne Prognosekraft sind überdurchschnittliche Renditen an den Finanzmärkten Wunschdenken. Das gilt auch für Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI), die den gleichen Marktgegebenheiten unterworfen sind. Auch sie müssen die Fähigkeit besitzen, die Entwicklung von Vermögenspreistreibern mit einem hohen Maß an Präzision vorhersagen zu können, um Überrenditen zu erzielen. Das ist allerdings nicht so einfach, denn je kürzer das betrachtete Zeitintervall ausfällt, desto weniger lassen sich die Vermögenspreise festnageln. Hoffnung gibt es trotzdem. Während Renditen auf kurze Sicht sehr volatil sein können, steigt ihre Prognostizierbarkeit mit der Verlängerung des Zeitintervalls. Unberechenbarer MarktWöchentliche Zeiträume sind gemäß empirischen Studien bereits etwas vielversprechender. Richtet man den Blick noch weiter in die Zukunft, steigt die Prognosekraft zwar weiter an, verliert aber an Präzision insofern, als sich Prognostiker mit der Erkenntnis begnügen müssen, dass auf steigende Märkte fallende folgen und umgekehrt. Dieses Wissen ist jedoch zu undifferenziert, um damit am Markt Geld zu verdienen.Ungeachtet langer oder kurzer Zeitintervalle ist der Goldmarkt besonders unberechenbar. Das Edelmetall ist ein eigenwilliger Vermögenswert, der sich klassischen Bewertungs- und Prognosemethoden entzieht, die in vielen Anlageklassen traditionell zur Anwendung kommen. Grund dafür ist, dass Gold im Gegensatz zu anderen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen keine regelmäßigen Cash-flows aufweist, über deren Diskontierung sein fairer Wert errechnet werden könnte. Dadurch wird das gelbe Metall zum Prüfstein des prognostischen Könnens. Erschwerend kommt hinzu, dass der Goldpreis stark von der globalen Anlegerstimmung getrieben wird, die unbeständig und darum schwer greifbar ist. Sie bietet jedoch den einzigen Anhaltspunkt für eine Bewertung des Edelmetalls. Es kommt also darauf an, diese Stimmung zu erfassen, zu quantifizieren und in Anlageerkenntnisse umzuwandeln. Während es für den menschlichen Analysten beinahe unmöglich ist, ein solch flüchtiges Konzept vollumfänglich zu erstellen und umzusetzen, ist künstliche Intelligenz besser dafür gerüstet. Dank überlegener Datenverarbeitungsmethoden und -geschwindigkeit können KI-Algorithmen so einen Bereich erschließen, der herkömmlichen Bewertungsmethoden bislang verschlossen geblieben ist.Das globale Interesse der Marktteilnehmer an Gold ist dabei das Barometer der Anlegerstimmung, die sich in der breiten Masse an öffentlichen Textquellen widerspiegelt. Wir greifen dieses Interesse mittels einer quantitativen Auswertung von Begriffen ab, die eine hohe Relevanz für Gold als Finanzanlage besitzen. Signifikante Begriffe findenUm die Signifikanz der Begriffe für die Finanzmärkte sicherzustellen, wird die gesamte Wikipedia-Datenbank systematisch durchsucht und ausgewertet. In einem ersten Schritt werden alle Wörter erfasst, die auf dem Wikipedia-Eintrag zu Gold erscheinen. Danach werden diese Begriffe mittels des TF-IDF-Maßes (Term Frequency-Inverse Document Frequency) mit deren Vorkommen in der gesamten Wikipedia-Dokumentenkollektion verglichen. Je höher das Maß, desto größer ist die Relevanz des Begriffes für Gold als Finanzanlage. So können irrelevante Begriffe, die keine starke Kopplung an Gold aufweisen, von der Analyse ausgeschlossen werden. Sind die maßgebenden Begriffe einmal bestimmt, werden sie in einen Algorithmus eingespeist, der über Internetquellen das globale Interesse an Gold und die Dynamik dieses Interesses erfasst und auswertet. Ist das Interesse hoch, resultiert dies in der Regel in einer höheren Volatilität des Goldpreises, was den Algorithmus dazu bewegt, keine weiteren Investitionen in Gold zu tätigen, wenn nicht sogar eine Reduktion der Allokation zu veranlassen. MammutaufgabeIm Gegensatz dazu sehen wir in einem geringen Interesse einen Indikator für eine niedrige Volatilität und bauen unsere Goldposition entsprechend aus. Ein solches Vorgehen wäre für einen menschlichen Analysten eine Mammutaufgabe. Eine immense Datenmenge muss durchforstet, präzise Erkenntnisse müssen generiert, diese zu einem kohärenten Ganzen zusammengesetzt und davon Investitionsmaßnahmen abgeleitet werden – und das innerhalb kürzester Zeit.Anlageerkenntnisse generieren ist eine Sache. Sie anzuwenden eine andere. Das gilt für Goldanlagen genauso wie für andere Investitionsentscheide. Bietet ein Markt keinen Spielraum, um Informationen zu gewinnen, können keine profitablen Anlagestrategien umgesetzt werden. So ein Spielraum besteht dann, wenn sich neu veröffentlichte Informationen nicht sofort in Vermögenspreisen spiegeln. Daraus resultieren vorübergehende Fehlbewertungen und somit Chancen für Anleger. Die Informationseffizienz eines Marktes steht also in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zu seinem Prognosepotenzial. Je effizienter ein Markt Informationen verarbeitet, desto weniger Informationsvorteile können gewonnen werden. Unter der Form der starken Markteffizienz, wie sie die Markteffizienzhypothese definiert, laufen die Märkte reibungsfrei und reflektieren ohne jegliche Verzögerung jede Information, sei sie öffentlicher oder privater Natur. Hier könnten keine Informationsvorteile gewonnen werden, weder durch den Menschen noch durch KI. Jede Marktform hingegen, die diese Perfektion nicht erreicht, bietet Handlungsspielraum und somit Ansatzpunkte für KI. Mit Hilfe neuer Methoden der Datensammlung und -verarbeitung ist KI in der Lage, öffentliche Informationsquellen zu nutzen, neue Informationsmuster zu erkennen und diese in wertvolle Anlageerkenntnisse umzuwandeln. Diese Fähigkeit der Datenverwertung ist der Kern der Wertschöpfung in Finanzanlagen durch KI. Gold dient als Paradebeispiel, dessen Bewertung aufgrund seiner Eigenheiten anspruchsvoll ist. In jedem Marktsegment, das die nötigen strukturellen Bedingungen aufweist, kann KI eingesetzt werden, so dass der Schlüssel zum erfolgreichen Investieren greifbar wird: Prognosekraft. Ohne TransaktionskostenDie Wertentwicklung (vgl. Grafik) dient nur zur Veranschaulichung und spiegelt nicht die historische Wertentwicklung wider und ist kein verlässlicher Indikator für die aktuelle oder zukünftige Wertentwicklung. In der Grafik werden die simulierte Wertentwicklung von Vescores KI-Goldstrategie und die historische Wertentwicklung des Goldpreises (Bloomberg Ticker: GOLDLNPM Index) dargestellt. Die Performancedaten basieren auf Rückrechnungen vom 1. Januar 2006 bis zum 3. Juli 2018. Die Backtesting-Ergebnisse wurden durch die rückwirkende Anwendung eines Modells basierend auf historischen Daten berechnet. Backtesting-Ergebnisse werden brutto ausgewiesen und beinhalten nicht den Effekt von rückwirkend getesteten Transaktionskosten, Managementgebühren, Performancegebühren oder anderen Kosten, falls zutreffend.—-Daniel Seiler, Head of Vescore (Vontobel Asset Management)