GASTBEITRAG

Mit Spin-off-Unternehmen Werte schaffen

Börsen-Zeitung, 5.4.2014 Die Kursentwicklung von abgespaltenen Unternehmensteilen, sogenannten Spin-offs, übertrifft in vielen Fällen die ihrer Muttergesellschaft. Dabei kommt dem Timing und der Stärke der Kursschwankungen eine besondere Bedeutung...

Mit Spin-off-Unternehmen Werte schaffen

Die Kursentwicklung von abgespaltenen Unternehmensteilen, sogenannten Spin-offs, übertrifft in vielen Fällen die ihrer Muttergesellschaft. Dabei kommt dem Timing und der Stärke der Kursschwankungen eine besondere Bedeutung zu. Denn daraus können sich erfolgreiche Marktsystematiken ableiten lassen.Fusionen und Übernahmen beflügeln die Kursfantasien vieler Investoren. Das aktuell niedrige Zinsniveau begünstigt dabei Aktivitäten im Bereich der sogenannten Mergers & Acquisitions (M & A). In diesem Zusammenhang lohnt sich auch ein Blick auf eine den M & A ganz entgegengesetzte Aktivität: die Abspaltung von Unternehmensteilen, im Fachjargon als Spin-off bezeichnet. Vielen Anlegern ist sicherlich noch einer der jüngsten Spin-offs im deutschen Markt präsent – nämlich die Abspaltung Osram von Siemens. Besonders der amerikanische Markt verzeichnet seit einigen Jahren wieder großen Zuwachs. Geplante TransaktionenPopuläres Beispiel für einen möglicherweise zukünftigen Spin-off ist die Forderung des Großinvestors Carl Icahn nach einer Abspaltung des lukrativen Online-Bezahldienstes Paypal von seiner Muttergesellschaft Ebay. Darüber hinaus plant für 2014 Time Warner die Abspaltung des Magazingeschäfts “Time Magazine”. Der Chemieriese DuPont hingegen treibt im Zuge seiner Fokussierung auf die Geschäftsbereiche Agribusiness, Nahrungsmittel und Biotechnologie die Abspaltung des Bereichs Performance Chemical, der unter anderem Materialien wie Teflon sowie Spezialfarben und Lacke herstellt, voran.Die Gründe für einen Spin-off können sehr unterschiedlich ausfallen. Am Anfang steht in der Regel die Auffassung des Managements, eine Unternehmenseinheit passe strategisch oder operational nicht mehr zu den anderen Geschäftsbereichen und das Unternehmen sei im Hinblick auf seine einzelnen Geschäftseinheiten nicht korrekt bewertet. Dabei wird erwartet, dass der Wert von Muttergesellschaft und Tochterunternehmen in der Summe nach einer Trennung größer wird als im Konglomerat. In der Theorie spricht man auch von einem Konglomerat-Discount, also einen Abschlag zum effektiven Wert der gehandelten Aktien. Dieser rührt daher, dass Investoren grundsätzlich sogenannte “Pure Plays” bevorzugen. Darunter versteht man Unternehmen mit einem klaren strategischen Fokus. So können Geschäftseinheiten oft leichter und zielgerichteter geführt werden, wenn das Kapital und die Ressourcen auf weniger unterschiedliche Geschäftsmodelle und mehr gleichgerichtete Bedürfnisse ausgerichtet sind. Zudem können Abspaltungen die Unternehmensbewertungen von Analysten wegen niedrigerer Komplexität verbessern.In der Praxis hat sich tatsächlich gezeigt, dass sich Manager einer erfolgreichen Tochter mit dem neu entstandenen Unternehmen stärker verbunden fühlen und dessen Identität und Philosophie aktiver gestalten. Dank entstehender Anreize wird die Tochter letztlich stärker auf Kernkompetenzen ausgerichtet und im Markt fokussierter positioniert. Außerdem unternimmt das Management in der Regel vermehrte Anstrengungen zur Verbesserung der Kostensituation und des Shareholder Value. Positive WirkungOft wirkt sich dies positiv auf die Kursentwicklung der Aktien beider Unternehmen – der ursprünglichen und der neu geschaffenen Gesellschaft – aus. Wissenschaftliche Studien belegen zudem, dass sich die Kurse der abgespaltenen Tochtergesellschaften oft besser entwickeln als die ihrer Mütter. Beeindruckende EntwicklungSo hat Abbvie seit seiner Abspaltung im Dezember 2012 eine beeindruckende Kursentwicklung absolviert und die Performance seiner Mutter deutlich übertroffen. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist Osram, das im Juli 2013 von Siemens abgespalten wurde und auf eine stattliche Kurssteigerung seit dem Spin-Off blicken kann. Tripadvisor, von der sich Expedia Ende 2011 getrennt hatte, legte seither eine imposante Kurssteigerung hin und damit in der Wertentwicklung die Muttergesellschaft schlug.Allerdings gibt es auch Negativbeispiele wie die Ausgliederung des Mobilfunkgeschäfts von Infineon in die Spin-off-Gesellschaft BenQ. Oder aber der 1996 von dem US-amerikanischen Telekomriesen AT & T abgespaltene Telekom- und Netzwerkausrüster Lucent Technologies, dessen Aktie im Zuge des Platzens der Internet- und Telekomblase dramatisch abstürzte.Zu Beginn der Eigenständigkeit – also in der ersten Phase nach dem effektiven Datum des Spin-offs – wirken die Tochterunternehmen zunächst verwaist: Analysten haben sich üblicherweise noch kein konkretes Bild über sie gemacht, und im Falle einer völligen Unabhängigkeit sind die Aktien zudem an die Anteilseigner der Mutter übertragen worden – an Aktionäre, die sie aber nicht selbst gewählt haben und es womöglich auch nicht aus freien Stücken getan hätten. Handelt es sich bei ihnen beispielsweise um Indexfonds oder ähnliche institutionelle Investoren mit streng festgeschriebenen Anlagevorschriften, so kommt es nicht selten vor, dass die Anteile des neu entstandenen Unternehmens in großer Zahl und unverzüglich wieder veräußert werden müssen. Typischerweise gerät der Aktienkurs der Tochter auch deshalb in den ersten Tagen nach dem Spin-off unter Druck. Für viele Investoren ist es schwierig abzuschätzen, zu welchem Zeitpunkt sich das Blatt wieder wenden könnte. Studien haben gezeigt, dass dem Timing für einen Einstieg in Spin-offs und ihrer zu Beginn typischerweise hohen Kursschwankungen eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Zunächst VerlusteSo belegten Untersuchungen der Credit Suisse zum amerikanischen Aktienmarkt, dass die Kursentwicklungen der Spin-offs während der ersten 27 Tage nach dem Effektivdatum in den meisten Fällen hinter der ihrer Benchmark – des S & P 500 – zurückblieben, die Benchmark daraufhin allerdings übertrafen und schließlich kontinuierlich weiter anstiegen. Mutterunternehmen wie Tochtergesellschaften waren während der ersten 30 Tage nach dem Spin-off hohen Kursschwankungen ausgesetzt. Neuer IndexFür Investoren, die in diese Marktsystematik investieren möchten, dürfte die Berücksichtigung der ersten Phase nach dem Spin-off attraktive Chancen bieten. Der Indexanbieter Solactive hat nun einen neuen Index aufgelegt – den Solactive Global Spin-off Performance Index, der sich diesen Spin-off-Effekt zunutze machen will. Dieser bislang einzigartige, global ausgerichtete Index ist transparent und reflektiert systematisch die Aktienkursentwicklung von weltweit 20 Unternehmen ab, die in der Vergangenheit im Rahmen einer Abspaltung von einem existierenden Unternehmen neu zur Notierung an einer Börse aufgenommen wurden. Um Anlegern einen schnellen und transparenten Marktzugang zu ermöglichen, wird der Solactive Global Spin-off Performance Index vierteljährlich angepasst. Bei der Aktienauswahl wird jeweils das jüngste Abspaltungsdatum im Hinblick auf die vierteljährliche Indexanpassung berücksichtigt. Ein weiteres Aufnahmekriterium: Die jungen Unternehmen müssen mindestens 30 Tage lang an der Börse notieren. Zudem fließen nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Kriterien wie Unternehmensgröße und Liquidität ein.—-Heiko Geiger, Executive Director bei Bank Vontobel