Unternehmensanleihen

Moderate Inflation ist für Corporates verkraftbar

Eine moderate Inflation ist für die Unternehmensanleihen durchaus verkraftbar, meint Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Dennoch bleibt das Risiko einer nicht nur transitorischen Inflation.

Moderate Inflation ist für Corporates verkraftbar

Von Ulrich Kater*)

Die Inflation ist das neue Megathema an den Finanzmärkten 2021. Die stark gestiegenen Preise für Rohmaterialien, Vorprodukte oder Transportleistungen werden an­ders als in den Vorjahren durch die Unternehmen überwälzt. Viele international tätige Firmen berichten, dass dies auch endlich mal eine Gelegenheit ist, jahrelang aufgestauten Kostendruck im harten internationalen Wettbewerb etwas abzulassen. Monatliche Inflationsraten in den USA von mehr als 5% und in Deutschland über 4% lassen insbesondere die öffentliche Debatte über die Teuerung hochkochen.

Viele Beobachter sehen jetzt die große Inflation anlaufen, auf die sie ja eigentlich immer schon gewartet haben. Getreu dem Motto: Wer lange genug mit Geldscheinen gießt, wird Inflation ernten. Dagegen stehen die Notenbanken, die auf den temporären Charakter der Preisbewegung hinweisen: Für die Europäische Zentralbank (EZB) ist es gegenwärtig noch kein neuer Inflationsprozess, sondern eine Preiswelle, die sich auch wieder beruhigen wird. Die Notenbanken haben dabei eine Reihe von absehbaren statistischen Effekten auf ihrer Seite. So wird etwa in Deutschland im Januar tatsächlich ein Basiseffekt für einen Abwärtssprung in der Inflationsrate von etwa einem halben Prozentpunkt sorgen. In den USA werden Teilkomponenten des Verbraucherpreisindex, die coronabedingt extrem in die Höhe geschossen waren, auch wieder sinken, allen voran die Preise im Automobilsektor. Es spricht also viel dafür, dass der viel beschworene „transitorische Charakter“ hoher Inflationsraten zumindest teilweise vorhanden ist.

Viele Risiken vorhanden

Aber es bleiben viele Risiken zurück, die gegenwärtig sogar ansteigen. Eines dieser Risiken liegt darin, dass die Wucht der Preisüberwälzungen immer noch unterschätzt wird. Die Inflationsprognosen mussten bereits deutlich nach oben angepasst werden, und die Risiken sind weiter nach oben gerichtet. Treiber sind neben den Güterpreisen nun zunehmend die Energiepreise. Erdgas ist aus einer Kombination ungünstiger Umstände knapp, bei Erdöl fällt dem Opec-Kartell wieder eine größere Rolle zu, da die Fracking-Förderung in den USA aus umweltpolitischen Gründen zunehmend gedeckelt wird. Ein noch schwerer wiegendes Risiko besteht darin, dass in der kommenden Zeit weiter erhöhter Inflationsraten Verhaltensänderungen in Gang kommen, die einen neuen Inflationsprozess anlaufen lassen. Hier sind natürlich zuerst die Tarifpartner im Fokus, die sich zusätzlich zu inflationsunschäd­lichen Einmalkompensationen zu­nehmend auf Inflationsausgleiche in der längeren Frist einigen könnten. Auch die Unternehmen könnten in Zukunft häufiger als in der Vergangenheit Preisrunden ausrufen, weil es allen Konkurrenten ja ähnlich geht und daher die Gefahr des Marktanteilsverlustes geringer ausfällt. Kurz gesagt: Die eigentliche Gefahr in der gegenwärtigen Lage besteht darin, dass die Inflationserwartungen anspringen.

Die Anleihemärkte haben bislang noch recht moderat reagiert. Die langfristigen Inflationserwartungen in den Anleihepreisen stiegen dagegen nur moderat und liegen jetzt in den USA leicht über, in Euroland leicht unter 2%. Was allerdings deutlich angestiegen ist, sind die langfristigen Inflationsrisikoprämien. Obwohl also die Inflationserwartungen noch im Bereich der Notenbankziele von 2% verankert sind, ist der Markt unsicherer geworden, wo es hingeht. Da der Anstieg der Risikoprämie deutlich niedriger ausfällt als die Erhöhung der Inflationsrate, ist der Realzins bei sicheren Anleihen in einer Momentaufnahme auf rekordniedrigem Niveau. Damit weitet sich die bislang schon längste Phase negativer Realzinsen noch aus. Wer in den vergangenen zehn Jahren auch nur zu Geldmarktkonditionen angelegt hat, muss mittlerweile einen kumulierten Kaufkraftverlust von etwa 15% verkraften.

Im Bereich der Unternehmens­anleihen hat die Inflationsangst erstaunlich wenig Spuren hinterlassen. So sind in Europa die gehandelten Verzinsungen im Investment-Grade-Bereich seit Jahresanfang gerade mal um etwa 10 Basispunkte (BP) auf eine Verzinsung von 0,3% gestiegen. Im Herbst 2020 lagen die Renditen noch etwas höher, damals waren es jedoch die Risikoaufschläge und nicht die Inflation, die die Zinsen in die Höhe trieben. Die Angst vor Forderungsausfällen durch die Coronakrise ist seitdem kontinuierlich zurückgegangen, die Angst vor der Inflation dagegen gestiegen: Seit Februar werden die Renditen ausschließlich durch die monetären Themen Inflation und Geldpolitik getrieben. Das Gleiche lässt sich für US-Corporates feststellen, lediglich der Umfang des inflationsbedingten Renditeanstiegs ist dort mit bis zu 40 BP im Jahresverlauf etwas höher. Dies spiegelt sich auch im Preisgeschehen wider, denn die US-Inflationsrate liegt mehr als 2 Prozentpunkte oberhalb der europäischen.

Bei Unternehmensanleihen ist jedoch neben der Inflationsprämie die Ausfallrisikoprämie der wesentliche Renditetreiber. Hier ergibt sich ein weitgehend von Inflationssorgen ungetrübtes Bild. Europäische Investment-Grade-Anleihen verzeichnen mit einem Abstand von etwa 85 BP zu Bundesanleihen fast das ganze Jahr über sehr niedrige Risikospreads. In den USA gilt bei einem Spread-Level von 90 BP über Treasuries das Gleiche. Hochzinsanleihen haben sich in den USA wie auch in Euroland bei einem Risikozuschlag von etwa 300 BP eingependelt, Schwankungen im Jahresverlauf: fast keine. Im Idealfall sollte sich der Einfluss der Inflation auf den Unternehmenssektor in Grenzen halten, dann nämlich, wenn die Unternehmen ihren Kostendruck auf ihre Abnehmer überwälzen können und noch dazu der Schuldenstand durch negative Realzinsen entwertet wird. Im Gegensatz zur (nichtinflationären) Lage der vergangenen Jahrzehnte würde sich ein Inflationsprozess gerade dadurch auszeichnen, dass diese Überwälzung gelingt.

Profitable Unternehmen

Bislang gelingt es den Unternehmen erstaunlich gut, die gestiegenen Einkaufspreise durch Kostenmaßnahmen aufzufangen oder aber durch angepasste Verkaufspreise weiterzureichen. Die Profitabilität im Unternehmenssektor bewegt sich sowohl in den USA als auch in Europa auf Rekordniveau. Solange sich die Nachfrage weiter aufstaut, dürfte sich an diesem Umfeld wenig ändern. Damit sollten Spreads auf extrem niedrigen Niveaus verharren können. Selbst in Branchen, welche latent mit Überkapazitäten zu kämpfen haben, wie beispielsweise der Automobilsektor, ist das Pricing derzeit extrem gut – bei Energieunternehmen und Rohstoffproduzenten sowieso. Prekär für die Risikozuschläge aller Sektoren wäre dagegen eine überbordende Inflation, die die Notenbanken zu einer gesamtwirtschaftlichen Vollbremsung veranlasst. Solange es jedoch hierzu nicht kommt, behält das gesamte Segment der Unternehmensanleihen seine Attraktivität auch bei den gegenwärtig erhöhten Inflationsgefahren, insbesondere, weil aufgrund der extrem niedrigen Ausfallwahrscheinlichkeiten noch weitere Reduzierungen von Risikoaufschlägen vorstellbar sind.

*) Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der DekaBank.

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