Moskaus Börse weltweit Schlusslicht

Für 2015 kann keine Entwarnung gegeben werden - Bonität droht auf Ramschniveau zu sinken

Moskaus Börse weltweit Schlusslicht

Putins Volkswirtschaft hat viele Baustellen. Seit dem Herbst macht nach den Sanktionen und dem Ölpreisverfall nun auch der Rubel Schwierigkeiten. Neben anderen Negativfaktoren war er einer der Hauptgründe, warum die Moskauer Börse zum weltweiten Schlusslicht wurde. Entwarnung kann auch für 2015 nicht gegeben werden. Einzelne Branchen bleiben als Investment aber trotzdem interessant.Von Eduard Steiner, MoskauAn Negativrekorden mangelte es der russischen Börse im abgelaufenen Jahr fürwahr nicht. So dick, wie es allerdings Mitte Dezember kam, hatte nicht einmal den Pessimisten geschwant. Damals nämlich fiel die Marktkapitalisierung aller russischen Unternehmen auf unter 390 Mrd. Dollar und damit unter die des Microsoft-Konzerns. Als dann am 15. und 16. Dezember, dem “schwarzen Montag” und “schwarzen Dienstag”, der Leitindex RTS um jeweils über 10 % abstürzte, näherte er sich mit 578 Punkten bereits gefährlich dem Tiefstand des Finanzkrisenjahres 2008 / 2009, der dem Allzeithoch von 2 487,9 Punkten gefolgt war. Unterm Strich beendete der RTS das Börsenjahr 2014 mit einem Minus von 42 %, womit Russland das Schlusslicht unter allen Börsen weltweit bildet. Der vom gesunkenen Ölpreis mitgerissene Rubel gibt Russlands Aktienmarkt den Rest. Am 18. Dezember erreichte der Rubel seinen vorläufigen Tiefststand bei 75,35 Rubel gegenüber dem aus Euro und Dollar bestehenden Währungskorb, der Anfang 2014 noch bei 38,24 Rubel notiert hatte. Leitzins angehobenDas war mit ein Grund dafür, dass die Zentralbank den Leitzins von 10,5 % auf 17 % erhöht hat. Dass die Kreditzinsen den realen Sektor folglich abwürgen statt beflügeln, wird als einer der Hemmschuhe für die nächste Zeit gesehen. Als zweiter gilt die Gefahr, dass Russlands Rating auf Ramschniveau herabgestuft werden könnte. Moody’s hat das Land als letzte der drei führenden Agenturen auf eine Stufe über Ramschniveau gesenkt, wie die Konkurrenz mit negativem Ausblick.Waren die Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor, die aufgrund ihrer vorwiegend staatsdominierten Eigentümerstruktur auch mit westlichen Sanktionen belegt wurden, im Vorjahr gemieden, so erfreute sich der Metall- und Bergbausektor merkbarer Beliebtheit. Vor allem die Stahlfirmen schlugen sich aufgrund niedriger Ausgaben gut, während die Produzenten von Buntmetallen sich hoher Preise auf ihre Produkte erfreuten. Nicht zufällig empfehlen die Analysten der Deutschen Bank der Investitionsbank Morgan Stanley Papiere des Nickelproduzenten Norilsk Nickel und des weltgrößten Aluminiumherstellers UC Rusal. Letzterer hat auf der Börse in Hongkong im Vorjahr um 110 % zugelegt und sieht einer weiter steigenden Nachfrage entgegen. Auch Norilsk Nickel, die zuletzt ausgabenintensive ausländische Aktiva abstieß, wird künftig gut davon leben, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt. Die russischen Stahlerzeuger wiederum, die in der Finanzkrise schwer gestrauchelt waren, haben inzwischen auf Sparen und Effizienz gesetzt, was deutliche Verbesserungen in der Rentabilität nach zog. Hohe Dollar-SchuldenVor dem Hintergrund der aktuell instabilen Situation in Russland, die sich nicht so schnell beruhigen wird, haben jene Unternehmen die Nase vorn, die ihre Einnahmen vorwiegend in Devisen generieren, ihre Ausgaben aber in Rubel bestreiten und zudem wenig Auslandsschulden zu bedienen haben. Bei letzterem Punkt machen die Sanktionen, die den Zugang russischer Firmen zum westlichen Kapitalmarkt beschränken, zu schaffen. Denn während sich etwa UC Rusal erfolgreich refinanzieren konnte, ist der landesweit größte und vom Westen sanktionierte Ölkonzern Rosneft auf die Hilfe des Staates angewiesen. Insgesamt sind Russlands Unternehmen mit rund 450 Dollar im Ausland verschuldet, wovon dieses Jahr gut 60 Mrd. Dollar fällig werden. Banken waren per 31. Juli 2014 laut Zentralbank mit über 200 Mrd. Dollar im Ausland verschuldet, wovon etwa 35 Mrd. Dollar dieses Jahr fällig werden.Entscheidend sei, das Vertrauen im Inland zu stärken, meint Diliana Deltcheva, Portfolio Manager Emerging Markets Debt bei F & C Investments. “Aufgrund seiner hohen Währungsreserven, seiner geringen Staatsverschuldung und des großen geldpolitischen und fiskalischen Spielraums kann es der russische Staat verkraften, ein bis zwei Jahre von externer Finanzierung abgeschnitten zu werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Währungsschwäche nicht zu einer Erosion des Vertrauens im Inland und zu einem Sturm auf die Banken führt”, erklärt sie.Russische Banken bleiben ein heikles Investment, da gerade die größten und attraktivsten Institute mit Sanktionen belegt sind. Gerade in den letzten Tagen des Vorjahres musste der Staat einigen Geldinstituten beispringen, weil ein Bank Run gedroht hatte. Durch Abwertung und Zinserhöhungen werde der Druck auf das Finanzsystem weiter zunehmen, die Kreditvergabe durch die Banken eingeschränkt werden und die Zahl notleidender Kredite steigen. Seit Jahresbeginn 2015 zeigt sich, dass der Ölpreis die Lage weiter verschärft und den Rubel zum Dollar in knapp drei Wochen um ca. 12 % gedrückt hat.Das Rubel-Problem ist ein Novum für die russische Börse. Bis vor Kurzem noch hatte die Zentralbank die Währung in einem weitgehend stabilen Korridor gehalten. Das hat zuletzt freilich immer mehr Geld aus den Währungsreserven verschlungen, weshalb die Zentralbank den Kurs im Herbst freigab. Nun ist der in Dollar notierte Leitindex RTS, der den Währungseffekt für ausländische Anleger einbezieht, von der Talfahrt des Rubels massiv betroffen, während der Leitindex Micex, der nur die Rubel-Papiere abbildet, weitgehend unverändert blieb.Sukzessive unter Druck war die russische Währung schon vor anderthalb Jahren geraten, weil damals allmählich zutage getreten war, dass das ölpreisgetriebene Wachstumsmodell ausgedient hat und die Voraussetzungen für ein investitionsgetriebenes Modell nicht geschaffen wurden. Im zurückliegenden Jahr verstärkten die außenpolitischen Manöver des Kremls in der Ukraine sowie die folgenden westlichen Sanktionen die Situation, ehe das Absacken des Ölpreises um über 50 % seit Mitte Juni die anderen Faktoren mit Wucht verstärkte. Hinzu kam am Ende das Stressszenario der Zentralbank, demzufolge Russlands Wirtschaft bei einem anhaltend niedrigen Ölpreis von 60 Dollar je Barrel im angelaufenen Jahr 2015 um bis zu 4,8 % schrumpfen und auch 2016 in der Rezession verharren könnte. Derzeit notiert die für die russische Ölsorte Urals maßgebliche Nordsee-Sorte Brent unter 47 Dollar. Inflationsrate schnellt hochVon einer “vollwertigen Wirtschaftskrise” 2015 geht etwa der international angesehene Ex-Finanzminister Aleksej Kudrin aus. Zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 würden die realen Einkommen der Bevölkerung sinken – und zwar um 2 bis 4,5 %. Der Import gehe um etwa 40 % zurück und betreffe großteils Anlagen und Technologie. Die Inflation ist schon 2014 auf 11,4 % hochgeschnellt.Morgan Stanley empfiehlt russische Banken zur Untergewichtung. Credit Suisse hat Ende Dezember die Sberbank von “Outperform” auf “Neutral” herabgestuft und das Kursziel von 110 auf 75 Rubel reduziert. Für die zweitgrößte russische Bank VTB haben die Schweizer die Einstufung “Underperform” beibehalten, das Kursziel aber von 2,2 Dollar auf 1,3 Dollar reduziert.Der Bankensektor werde nach wie vor gut durch internes Kapital und die Hilfe der Zentralbank unterstützt, schreibt Baring Asset Management in einer Analyse: In Russland würden sich auch weiterhin große Reserven an Öl und Gas sowie vieler anderer Rohstoffe befinden. “Dies sind Wertanlagen, die unserer Einschätzung nach aktuell unterbewertet sind.”Die Deutsche Bank erwartet den RTS-Index zum Jahresende 2015 bei 1 000 Punkten stehen. Der Ölsektor werde als potenzieller Treiber einer der attraktivsten Sektoren sein. Top-Picks seien der vom Importembargo profitierende Handelskonzern Magnit, Norilsk, der Telekommunikationskonzern MTS und der zweitgrößte Ölkonzern Lukoil.