Nächste Yen-Intervention nur eine Frage der Zeit
Nächste Yen-Intervention steht bevor
Positive Konjunkturdaten können japanische Währung nicht stützen – Immer neue Rekordtiefs zum Euro
mf Tokio
Angesichts der scharfen Warnungen aus dem Finanzministerium stellt man sich am Devisenmarkt auf eine weitere Intervention gegen den weiteren Wertverfall der japanischen Währung ein. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit, weil ein Eingriff die strukturellen Hintergründe der Yen-Schwäche nicht ändern würde.
Nach Ansicht von Analysten der Bank of America Securities und von Citigroup wird das japanische Finanzministerium das nächste Mal wahrscheinlich erst bei einem Wechselkurs von 165 Yen zum Dollar am Devisenmarkt intervenieren. Bislang galten 160 Yen zum Dollar als inoffizielle Schwelle für einen Eingriff, der die Talfahrt der japanischen Devise stoppen soll. Bei diesem Kursniveau hatte die japanische Regierung Ende April und Anfang Mai für insgesamt 8 Bill. Yen (46,5 Mrd. Euro) Dollar verkauft und damit den Wechselkurs vorübergehend auf 153 Yen zum Dollar drücken können.
Der Dollar-Yen-Wechselkurs überschritt am vergangenen Freitag erstmals seit Dezember 1986 kurzzeitig die Marke von 161 Yen und übertraf sie im europäischen Handel auch wieder am Montag. Das laut Tankan-Umfrage verbesserte Geschäftsklima in der Großindustrie und der erste Anstieg der Industrieproduktion seit über einem Jahr konnten dem Wechselkurs keinen Auftrieb verleihen. Zum Euro schwächte sich der Yen erneut auf einen Rekordwert von über 173 ab.
Viele Marktbeobachter bezweifeln jedoch, ob eine erneute Intervention mehr Erfolg als zuvor beschieden haben wird. „Interventionen ändern nichts an den Fundamentaldaten und den strukturellen Kapitalabflüssen“, sagte Bank-of-America-Securities-Devisenstratege Shusuke Yamada der japanischen Finanzzeitung Nikkei. Die japanische Währung gab in der abgelaufenen ersten Jahreshälfte um 12% zum Dollar nach und war damit die schwächste der großen Währungen.
Renditedifferenz beeinflusst Wechselkurs
Ein Hauptgrund ist die hohe Renditedifferenz von japanischen und US-Staatsanleihen. Dieser Spread hatte sich nach dem Einmarsch von Russland in der Ukraine und den schnellen Zinserhöhungen in den USA stark vergrößert. Zuletzt verstärkte sich die direkte Korrelation des Yen-Wechselkurses zur zehnjährigen US-Treasury-Rendite. Je mehr die US-Notenbank ihre erste Zinserhöhung nach vorne verschob, desto mehr verlor der Yen an Boden zum Dollar. Daran hat Japans erste Zinserhöhung seit 17 Jahren im März nichts geändert.
Auch die für Juli oder den Herbst erwartete zweite Anhebung auf 0,3% dürfte nach Ansicht vieler Beobachter den Yen wahrscheinlich kaum stärken. Damit gerät die Bank of Japan in eine Zwickmühle. Einerseits strebt sie eine nachhaltige Inflation mit einer Zielrate von 2% an. Der schwache Yen stützt diese Politik über steigende Importpreise. Andererseits treibt der schwache Yen die jährlichen Lebenshaltungskosten eines Haushalts um 90.000 Yen (523 Euro) nach oben, so eine Berechnung von Chefökonom Saisuke Sakai von Mizuho Research & Technologies, weil das Inselland 60% seiner Nahrungsmittel aus dem Ausland einführt. Diese „Yen-Inflation“ bremst den Privatkonsum und somit das Wirtschaftswachstum. Vor diesem Hintergrund kündigte Regierungschef Fumio Kishida schon neue inflationsdämpfende Maßnahmen für den Herbst an.
Zweifel am „sicheren Hafen“
Der ehemalige Vize-Finanzminister Hiroshi Watanabe, jetzt Präsident des Institute of International Monetary Affairs in Tokio, ist der Ansicht, dass nur die Hälfte des Wertverfalls seit Anfang 2022 auf den hohen Rendite-Spread zurückzuführen sei. Vielmehr werde am Devisenmarkt inzwischen bezweifelt, ob der Yen weiter seine Rolle als „sicherer Hafen“ spielen könne, unter anderem wegen des anhaltenden Handelsdefizits. „Die andere Hälfte ist darauf zurückzuführen, dass die Überbewertung des Yen (durch die Rolle als sicherer Hafen) abgebaut wurde“, meinte Watanabe.
„Selbst wenn die Zinsdifferenz schrumpfen sollte, wird der Yen wohl nicht so schnell wieder auf das vorige Niveau von 115 (je Dollar) zurückkehren.“
Ausländische Anleger haben die vorübergehende Aufwertung des Yen nach den bisherigen Interventionen offenbar genutzt, um in den fünf Wochen bis zum 21. Juni Gewinne mitzunehmen. Soweit sie in Yen gekauft hatten, schwächten sie mit ihrem Rückzug die japanische Währung. Der Nikkei 225 hat im ersten Halbjahr um 18,3% in der Landeswährung zugelegt und schnitt damit sogar besser ab als das US-Tech-Barometer Nasdaq 100. Aber im gleichen Zeitraum wertete der Yen zum Euro um fast 11% ab.
Die Unsicherheit über den Wechselkurs dürfte das ausländische Engagement in japanische Aktien dämpfen.
Dagegen zeigten institutionelle und private Anleger aus Japan bislang nur eine geringe Bereitschaft, ihre ausländischen Wertpapiere zu verkaufen, um ihrerseits Gewinne zu realisieren. Laut Finanzministerium stieg das japanische Nettovermögen im Ausland im Vorjahr um 12% auf 471,3 Bill. Yen (2,7 Bill. Euro). Dabei verkauften diese Anleger vermutlich aufgrund von Allokationsquoten ausländische Aktien für 16 Mrd. Dollar.
Doch dieses Kapital scheint im Ausland zu bleiben. Daher hat die Regierung im Mai überlegt, für die Repatriierung Steuernachlässe zu gewähren, um den Yen zu stärken.