SERIE: NACHHALTIGKEIT IM FINANZSEKTOR (TEIL 8) - DER FINANZSEKTOR WIRD GRÜNER - IM GESPRÄCH MIT MARIA LETTINI, FAIRR

Nahrungsmittelrisiken im Blick

Britische Investoreninitiative brandmarkt Belastung von Umwelt und Gesundheit durch Fleischproduktion

Nahrungsmittelrisiken im Blick

Der Herstellung von Fleisch werde zu wenig Augenmerk von Investoren gewidmet, meint die Initiative Farm Animal Investment Risk and Return (FAIRR). Denn die Fleischproduktion berge Gesundheits- und Klimarisiken, so die Geschäftsführerin der Initiative, Maria Lettini, im Gespräch.Von Dietegen Müller, FrankfurtVor über zwei Jahren hat sich die Initiative FAIRR gebildet, die laut eigenen Angaben inzwischen von Vermögensverwaltern unterstützt wird, die zusammen 4,1 Bill. Dollar Assets under Management vorweisen. Die Abkürzug FAIRR steht für Farm Animal Investment Risk and Return und geht auf den britischen Private-Equity-Investor Jeremy Coller (Coller Capital) zurück. Dieser erklärte, mit seiner 2015 gestarteten Initiative in 40 Jahren die Abschaffung der Massentierhaltung in der Landwirtschaft erreichen zu wollen.Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagt FAIRR-Geschäftsführerin Maria Lettini, es gehe der Initiative darum, Investoren auf die Risiken im Nahrungsmittelsystem und insbesondere in der Produktion von tierischen Eiweißen hinzuweisen und Unternehmen zu beeinflussen, sich für tier- und umweltfreundlichere Produktionsweisen einzusetzen.Dieses Thema solle in den umfangreichen Kanon von ESG-Kriterien aufgenommen werden – die Abkürzung steht für Umweltfragen (Environment), Sozialaspekte (Social) und gute Unternehmensführung (Governance). Maria Lettini stieß von der von den Vereinten Nationen unterstützen Investoreninitiative Principles for Responsible Investment (PRI) zu dem “Start-up”, wie sie die Initiative bezeichnet. AntibiotikaresistenzEine der zentralen Forderungen von FAIRR ist der Verzicht auf den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. “Damit verbunden sind eine Menge Risiken”, sagt Lettini. Dazu zählt etwa die Herausbildung resistenter Keime, die auch beim Menschen mit einer hohen Zahl Todesfälle in Zusammenhang gebracht werden. Laut der früheren Deutsche-Bank-Aktienspezialistin werden in Europa rund 70 % aller verabreichten Antibiotika in der Tierzucht eingesetzt.Lettini verweist auch auf weitere unerwünschte Nebeneffekte einer auf tierische Eiweiße ausgerichteten Nahrungsmittelproduktion. So würde die Fleischproduktion zur Abholzung der Regenwälder beitragen, und durch den massenhaften Anbau von Futtermitteln wie Soja würden Böden überbeansprucht. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, schätzt zudem, dass weltweit rund 14,5 % der Treibhausgasemissionen auf die Tierzucht zurückgehen. Laut Lettini hat das Thema inzwischen auf Investorenkonferenzen etwa von BlackRock oder Neuberger Berman in den USA Aufmerksamkeit gefunden. Es werde stärker als mögliches Risiko bewertet, so könnten etwa die Bewertungen von Lebensmittelherstellern überhöht sein. Auch im Bereich grüner Anleihen (Green Bonds) gebe es eine Menge Bewegung, so Lettini.65 globale Nahrungsmittelproduzenten hätten einen sogenannten Benchmark-Test mit FAIRR absolviert, der im Januar publiziert werden soll. Dabei gehe es nicht darum, Multiple-Choice-Kästchen anzukreuzen, so Lettini. Geprüft worden seien die Unternehmen etwa darauf, wie viel Wasser sie verbrauchen, ob und wie sie Antibiotika einsetzen und wie sie mit Sicherheitsfragen umgehen. FAIRR arbeite dabei mit “Research-Providern” zusammen, und stütze sich auf “öffentlich zugängliche Daten”. Der Großteil der untersuchten Unternehmen kommt aus Asien, rund ein Fünftel sind private Unternehmen, die nicht an der Börse gelistet sind. Neue ProduktionsformenStattdessen ließen sich aber neue Formen der Lebensmittelproduktion umsetzen. So habe das von der Großbank UBS und dem Microsoft-Gründer Bill Gates unterstützte US-Startup Impossible Foods einen Burger kreiert, der nur aus pflanzlichen Zutaten bestehe, aber wie ein echter Fleisch-Burger schmecken soll und dem nicht ganz durchgegarten, blutigen Hamburgerfleisch täuschend ähnlich sieht. Im vergangenen Jahr hat der Singapurer Staatsfonds Temasek 75 Mill. Dollar in Impossible Foods investiert. Auf bessere Burger allein reduzieren lassen will Lettini die FAIRR-Initiative aber nicht: “Das geht über das Burger-Thema hinaus.” Doch zeigt das Beispiel, dass es nicht nur um das Risikobewusstsein, sondern auch um die Identifikation von neuen, womöglich lukrativen Geschäftsmodellen geht.Zu den Unterstützern von FAIRR zählen bisher Fondsgesellschaften überwiegend aus dem angelsächsischen Raum sowie aus den Niederlanden Robeco. In Deutschland hat FAIRR keine Mitglieder, wie Lettini sagt. Es habe zwar eine Kooperation mit Allianz Global Investors (AGI) gegeben, bei der ein Bericht erstellt wurde, aber AGI ist kein Mitglied. Die Allianz hat das Wohlergehen von Tieren als eines von dreizehn Investmentkriterien im Rahmen ihrer ESG-Checkliste aufgenommen und bemängelt fehlende Transparenz: “Es kann ein dänisches Schwein sein, das in Spanien medikamentös behandelt und in Italien geschlachtet wurde, aber was der Konsument nur sieht, ist ,italienisches Schweinefleisch”`, so der Versicherer.FAIRR vertritt deshalb in einem Arbeitspapier die radikale Auffassung, es müsse eine politische Intervention etwa in Form einer “Fleischsteuer” geben, analog zur Tabak- oder Zuckersteuer.—-Zuletzt erschienen:- Pensionskassen robben an nachhaltige Geldanlage heran (24. Januar)- Nachhaltigkeitsberichte zahlen sich aus (20. Januar)