Neue IPO-Welle rollt auf China zu

28 Firmen vor Debüt - Zuteilungssystem gleicht Lotterie - Shanghai Composite gibt um 0,6 Prozent nach

Neue IPO-Welle rollt auf China zu

Auf China rollt eine neue IPO-Welle zu. Die Behörden haben insgesamt 28 Börsengänge bis Jahresende genehmigt. Der Zuteilungsprozess für Privatanleger könnte dem Aktienmarkt rund 530 Mrd. Dollar entziehen, wird befürchtet.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtChinas Behörden haben einen Neustart des Marktes für Initial Public Offerings (IPO) beschlossen. Zehn Börsengänge – jeweils fünf in Schanghai und in Shenzhen – wurden bereits wieder eingeleitet, mit einem gesamten IPO-Volumen von umgerechnet 470 Mill. Dollar. Insgesamt sollen bis Jahresende 28 Börsenkandidaten aufs Parkett geführt werden.Die Ankündigung sorgte für leichte Verluste am breiten Aktienmarkt. So gab der Shanghai Composite am Montag um 0,6 % auf 3 611 Punkte nach. Dabei spielten aber auch Gewinnmitnahmen eine Rolle, weil sich der Index in der vergangenen Woche um 1,4 % befestigt hatte. Gegenüber dem Stand vom Jahresanfang weist der Index mittlerweile wieder ein Plus von 11 % auf – nach der enormen Rally, die im Juni abbrach und dann in einen regelrechten Crash mit dem Tiefpunkt im September mündete.Während die Aktien außerhalb des Finanzsektors stärker nachgaben, konnte zum Wochenauftakt die Titel von Wertpapierhäusern von der Ankündigung der Behörden profitieren. So legten Guosen Securities in Shenzhen um 1,7 % zu. Allerdings brach der Kurs von Guotai Junan International, die in Hongkong notierte Broker-Tochter einer chinesischen Investmentbank, um 12,3 % ein, nachdem mitgeteilt worden war, dass man den Kontakt zu Chairman und Chief Executive Officer Yim Fung verloren habe. Vermutet wird, dass das Verschwinden des profilierten Spitzenmanagers und Ehrenvorsitzenden der Chinese Securities Association of Hong Kong mit der Antikorruptionskampagne der chinesischen Regierung zusammenhängt, die mittlerweile auch auf die Wertpapierindustrie ausgedehnt worden ist. Der Kurs der Muttergesellschaft Guotai Junan Securities gab in Shanghai um 2,1 % nach. Erheblicher EinflussDie von der China Securities Regulators Commission (CSRC) genehmigten 28 Börsengänge waren im Juli nach Beginn des Crashs suspendiert worden. Der Einfluss des Neustarts der IPOs auf den Aktienmarkt könnte erheblich sein, weil diese nach Analystenschätzungen Mittel von rund 530 Mrd. Dollar binden könnten.In China laufen Börsengänge nach einem Zuteilungssystem ab, das immer wieder als “Lotterie” beschrieben worden ist. Privatanleger müssen, wenn sie an eine Zuteilung kommen wollen, die Mittel dafür hinterlegen. Dann haben sie, wie Untersuchungen zeigen, eine Chance von im Schnitt 0,6 %, dass sie die Aktien auch erhalten. Bekommen sie die Aktien, haben sie quasi einen Hauptgewinn gezogen: In den 18 Monaten bis Juni dieses Jahres kamen IPOs nach Berechnungen der chinesischen Investmentbank China International Capital Corp. (CICC) auf einen durchschnittlichen Zeichnungsgewinn von 681 %. Dies liegt daran, dass chinesische Regulatoren inoffiziell die Deckelung der Bewertungen im Rahmen von IPO verlangen. Dieser Deckel liegt dem Vernehmen nach bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 23.Allerdings hat das Zuteilungsverfahren den Nachteil, dass es – wegen der Hinterlegungspflicht – große Summen bindet und damit dem Markt entzieht. Daher hat die CSRC die Regeln geändert. Nach den 28 angesetzten Börsengängen wird die Behörde die Hinterlegungspflicht ab 2016 abschaffen, um so den Entzug von Marktliquidität künftig zu verhindern. Allerdings wird erwartet, dass damit noch mehr Anleger eine Zuteilung beantragen und die Chance, an Aktien zukommen, auf etwa 0,01 % fällt. Damit werde das System einen noch stärkeren Lotteriecharakter haben, wird erwartet. Deckelung der BewertungenOb die Behörden auch die Decklung der Bewertungen aufgeben, ist noch nicht bekannt. Ein Sprecher der CSRC hat kürzlich angemerkt, die Behörde bleibe beim Prinzip angemessener Bewertungen. Die Analysten der CICC erwarten jedenfalls, dass die Zeichnungsgewinne auf rund 300 % zurückgehen, wobei sie betonen, dass es sich dabei um eine konservative Schätzung handele . Banken für HongkongNeben den Börsengängen in Schanghai und Shenzhen streben vor allem einige chinesische Kreditinstitute auch an den Aktienmarkt von Hongkong, wo es bis Jahresende eine regelrechte IPO-Flut geben soll. So will das Regionalinstitut Bank of Jinzhou in Hongkong umgerechnet 943 Mill. Dollar erlösen, die Bank of Qingdao 666 Mill. Dollar. Das IPO der Bank of Zhengzhou soll mehr als 500 Mill. Dollar einspielen. Für das kommende Jahr haben sich in Hongkong bereits die beiden größten chinesischen Flugzeug-Leasing-Firmen angesagt. BOC Aviation, eine Tochter der Großbank Bank of China, will 1 bis 1,5 Mrd. Dollar erzielen. China Development Bank Leasing (CDB Leasing) denkt an einen Erlös von rund 1 Mrd. Dollar. Bei CDB Leasing gehört die Deutsche Bank zum begleitenden Bankenkonsortium.Analysten meinen, dass der Zeitpunkt für die neue IPO-Welle gut gewählt ist. So hat Zhou Jintao, Chefökonom von China Securities, vorausgesagt, dass der Tiefpunkt der konjunkturellen Entwicklung in China für das erste Quartal des nächsten Jahres zu erwarten sei. Von einer solchen Entwicklung würden insbesondere zyklische Aktien profitieren, heißt es am Markt.