Neustart am Schweizer Aktienmarkt
Schweizer Aktien, im Vorjahr der Outperformer Europas, tragen in diesem Jahr die rote Laterne. Schuld ist der Franken-Schock bzw. die Aufgabe der Euro-Wechselkursuntergrenze durch die eidgenössische Zentralbank.Von Daniel Zulauf, ZürichNach der Spitzen-Performance von 13 % des vergangenen Jahres bereiten Schweizer Aktien im laufenden Turnus wenig Freude. Kurz vor einem Allzeithoch wurde der SMI am 15. Januar von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) buchstäblich auf der Ziellinie abgefangen. Mit der Aufgabe der Euro-Wechselkursuntergrenze und der damit einhergehenden schockartigen Aufwertung des Franken löste die SNB einen spektakulären Kurseinbruch aus. Der SMI, das Kursbarometer der 20 höchstkapitalisierten Werte, notierte 48 Stunden nach dem unerwarteten Regimewechsel der SNB 14 % tiefer als zuvor. Die Kursverluste erstreckten sich zunächst über das ganze Tableau, wobei die Marktteilnehmer in den ersten Schrecksekunden kaum zwischen den einzelnen Werten zu differenzieren schienen.Inzwischen hat sich die Lage aber deutlich entspannt, was insbesondere der leichten Abwertung des Franken zu verdanken ist. Die Schweizer Valuta bewegt sich derzeit bei rund 1,06 sfr pro Euro, nachdem sie am 15. Januar noch knapp unter Parität geschlossen hatte. Aktuell notiert der SMI nur noch knapp 7 % unter dem Niveau vor dem Franken-Schock. Der Markt hat sich die Zeit für eine tiefergehende Bewertung der neuen Währungssituation genommen und ist dabei zu differenzierten Resultaten gelangt. Gewinnprognosen geschleiftDie Kurskorrektur vom 15. und 16. Januar war auch in dieser Schärfe grundsätzlich keine Übertreibung. Dies zeigt sich allein am Einfluss der Franken-Aufwertung auf die Gewinnerwartungen. Während die Analysten im Dezember noch mit einem durchschnittlichen Gewinnwachstum der Schweizer Unternehmen für 2015 von etwa 12 % gerechnet hatten, wird nun eine Nullrunde erwartet. Als Folge davon ist auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis sprunghaft angestiegen, was eine entsprechende Korrektur erforderlich machte. Dieses bewegt sich auch heute noch mit einem Faktor von rund 17 deutlich über dem historischen Mittel, und der Schweizer Aktienmarkt ist in Bezug auf seine Bewertung auch im internationalen Vergleich alles andere als billig.Freilich hat die Korrektur an den fundamentalen Qualitäten der Unternehmen nichts verändert. Diese Erkenntnis hat vielen Aktien in den vergangenen zwei Wochen Auftrieb gegeben. Zu erwähnen ist u.a. die hohe Dividendenfähigkeit vieler insbesondere großer Schweizer Unternehmen. Die ersten Jahresabschlüsse haben bereits gezeigt, dass Großkonzerne ihre Ausschüttungspolitik im Licht der neuen Währungssituation nicht oder höchstens marginal zu ändern gedenken. Damit bleibt der Schweizer Aktienmarkt mit einer durchschnittlichen jährlichen Dividendenrendite von 3 % eine attraktive Option im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld. Eine zweite Qualität ist zudem, dass eine Mehrheit der börsennotierten Unternehmen in der Schweiz global tätig sind und ihre Erträge und Kosten in Fremdwährungen in den meisten Fällen in einem relativ ausgeglichenen Verhältnis stehen. In diesen Fällen beschränken sich die negativen Wechselkurseinflüsse vorwiegend auf optische Übertragungseffekte, während die Gewinnmargen nicht tangiert werden.Vor diesem Hintergrund wenig überraschend gehören die großen Uhrenhersteller Swatch Group und Richemont zu den prominentesten Verlierern im SMI in diesem Jahr. Das “Swiss Made” der Produkte zwingt die Konzerne, einen großen Teil der Produktion in der Schweiz zu leisten, während die Verkäufe größtenteils im Ausland stattfinden. Ebenso logisch ist das Erscheinen der Aktien der dominanten Schweizer Telefongesellschaft Swisscom an oberster Stelle in dem Performance-Vergleich, zumal der fast ausschließlich im Inland tätige Konzern keine spontane Billigkonkurrenz aus dem Ausland zu befürchten hat. Neben Swisscom sind die Aktien des Zeitarbeitsvermittlers Adecco die einzigen Wertpapiere, welche die Kursdelle nach dem SNB-Entscheid bereits ausgebügelt haben. Im Fall Adecco dürften die Hoffnungen auf eine Stimulierung der Euro-Konjunktur durch die EZB eine wichtige Rolle gespielt haben. Weitgehend geschlossen haben die Lücke auch Titel wie Holcim, Nestlé, Syngenta oder UBS – teilweise, weil sie in einer ersten Reaktion zu stark abgestraft wurden, und teilweise, weil sie ihren fundamental guten Lauf fortsetzen können. An den Qualitäten des Schweizer Aktienmarktes hat sich am 15. Januar grundsätzlich nichts verändert – allein das Niveau ist nicht mehr dasselbe.