Nicht alle Automobilzulieferer sind fit für die Zukunft

Hauck & Aufhäuser sieht durch Trend zum Elektroauto viele Chancen - Leoni, MS Industrie und ElringKlinger gelten als Hauptprofiteure

Nicht alle Automobilzulieferer sind fit für die Zukunft

Mit der wachsenden Verbreitung von Elektroautos werden Komponenten für Verbrennungsmotoren immer weniger benötigt. Manche Autozulieferer haben sich einer Studie von Hauck & Aufhäuser zufolge schon darauf eingestellt, anderen drohten aber noch Gefahren.amb Frankfurt – Der Markt für Elektroautos nimmt an Fahrt auf. Branchenexperten vom Beratungsunternehmen Oliver Wyman gehen davon aus, dass die globale Produktion von Elektro- und Hybridautos bis 2025 um 28 % im Jahr auf 25 Millionen Stück wachsen und dann immerhin 20 % der gesamten Autoproduktion ausmachen wird. Auch für die Autozulieferer hat das radikale Umwälzungen zur Folge, von denen einer Studie von Hauck & Aufhäuser zufolge nicht jeder profitieren wird. Als Gewinner sehen die Analysten vor allem Leoni, MS Industrie und ElringKlinger, während Norma und Progress-Werk Oberkirch besonders gefährdet seien. Daher wird bei Leoni, MS Industrie und ElringKlinger, aber auch bei Hella, Paragon und SAF-Holland zum Kauf geraten. Auf “Hold” gesetzt werden Bertrandt, EDAG Engineering, Norma, Progress-Werk Oberkirch und Stabilus. Starke SteigerungSchon in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Elektroautos stark gestiegen, laut Studie von weltweit 100 000 im Jahr 2012 auf 1,3 Millionen 2016. Treiber sind immer strengere Emissionsregeln, sinkende Kosten für Batterien, die steigende Zahl von Ladestationen und die wachsende Akzeptanz unter den Konsumenten. Dennoch liegt der Anteil an der Gesamtproduktion von Autos immer noch unter 2 %. Doch der Trend ist nicht aufzuhalten. Nicht nur die Autobauer selbst sind betroffen, sondern auch die Zulieferer. Zum einen müssten sich diese auf eine ganz neue Technik einstellen: “Ein 8-Zylinder-Verbrennungsmotor besteht aus rund 1 200 unterschiedlichen Komponenten, beim Elektromotor können es weniger als 20 sein”, wird BMW zitiert. Einspritzpumpen, Nockenwellen, Kupplungen, Tankleitungen oder Abgasanlagen – all das wird in Elektroautos nicht mehr benötigt. Zum anderen träten aber auch neue Wettbewerber auf den Plan. Eigene Position findenUm in der neuen Welt zurechtzukommen, müssen die Zulieferer den Analysten zufolge daher entweder für Elektroautos unentbehrliche Komponenten produzieren oder solche, die universal eingesetzt werden können. Außerdem müssten die Regulierung und die technische Entwicklung im Auge behalten werden, etwa die Weiterentwicklung von Wasserstoffzellen. Nicht zuletzt müssten die Autozulieferer eine eigene Position finden – neben Start-ups und neuen Konkurrenten aus dem Halbleiter- und Software-Bereich.Leoni wird nach Ansicht der Analysten einer der größten Profiteure des Trends sein, hier wird ein Kursziel von 64 Euro (aktuell 48,03) genannt. Der Nürnberger Kabel- und Bordnetzspezialist sei mit seinem Produktportfolio ziemlich unabhängig von der Antriebsart, Elektroautos benötigten gegenüber konventionellen Fahrzeugen sogar 10 % und Hybridautos 20 % mehr Komponenten von Leoni. Bislang trage der für Elektro- und Hybridautos relevante Wiring-Systems-Bereich nur 1 % zum Umsatz bei und böte daher viel Wachstumspotenzial. Wachsende ModellvielfaltAuch für MS Industrie sehen die Analysten keine Abhängigkeit von Verbrennungsmotoren, der Aktie des Münchener Antriebstechnikspezialisten werden 4,40 Euro (aktuell 3,40) zugetraut. Wegen der wachsenden Modellvielfalt würden die von MS Industrie angebotenen Spezial-Ultraschallschweißmaschinen immer mehr benötigt. Für die Aktie von ElringKlinger wird ein Kursziel 27 Euro (aktuell 17,48) genannt. Das Unternehmen werde am Markt immer noch als Hersteller von Zylinderkopf- und Spezialdichtungen gesehen, erwirtschafte aber nur 11 % des Umsatzes mit ausschließlich für Verbrennungsmotoren geeigneten Komponenten. Bei allen anderen sei man unabhängig. Zudem gebe es Potenzial durch einen Ausbau der Produktion von Elektroauto-Komponenten, vor allem auch durch die Leichtbaukonzepte.Für den breit aufgestellten Zulieferer Hella KGaA Hueck liegt das Kursziel bei 57 Euro (aktuell 44,74), die Abhängigkeit von der Verbrennungstechnik sei ebenfalls gering. Hella-Komponenten würden zunehmend auch in E-Autos eingesetzt, außerdem punkte das Unternehmen mit einer sehr guten Forschung & Entwicklung. Der Trend zu immer mehr Energieeffizienz, Sicherheit, Design und Komfort komme Hella zugute, etwa erhöhten die Hella-LED-Frontscheinwerfer die Sicherheit und ließen mehr Spielraum für Design.Ebenfalls empfohlen wird der Zulieferer Paragon, hier nennt Hauck & Aufhäuser ein Kursziel von 85 Euro (aktuell 64,54). Paragon als Marktführer bei Lithium-Ionen-Batteriemodulen für Fahrzeuge wie Busse oder Gabelstapler könne prinzipiell auch an die Autoindustrie liefern. Nach Ansicht der Analysten wird der Umsatz mit Elektrofahrzeugkomponenten von 14 Mill. 2016 auf 83 Mill. Euro 2019 wachsen. Für SAF Holland beläuft sich das Kursziel auf 19 Euro (aktuell 15,66), das Unternehmen sei Zulieferer für die LKW-Industrie, und hier sei noch kein Ersatz für die Diesel-Technologie in Sicht. Lediglich auf “Hold” gesetzt werden Bertrandt, EDAG Engineering, Norma, Progress-Werk Oberkirch und Stabilus. Der Ingenieurdienstleister für die Autoindustrie Bertrandt (Kursziel 90 Euro, aktuell 89,24) werde nach wie vor durch VW belastet, von Seiten des Wolfsburger Konzerns kämen derzeit kaum neue Projekte. Bertrandt werde aber vom Trend hin zu immer mehr Modellvarianten, E-Mobilität und autonomem Fahren profitieren. Für den Schweizer Ingenieurdienstleister EDAG Engineering wird ein Kursziel von 17 Euro (aktuell 16,95) genannt. Dem Unternehmen kämen die aktuellen Trends ähnlich zugute wie Bertrandt, Bertrandt wird aber bevorzugt. Auch Stabilus (Kursziel 66 Euro, aktuell 69,50) sei vergleichsweise unabhängig von der Antriebstechnik, Chancen durch die zunehmende Elektrifizierung können die Analysten beim Anbieter von Gasfedern, Dämpfern und elektromechanischen Antrieben aber nicht ausmachen.Besondere Risiken sehen sie für den Autozulieferer Norma (Kursziel 52 Euro, aktuell 48,64), das Unternehmen produziere fast keine Komponenten für E-Autos. Ein deutlicher Umsatzrückgang sei möglich. Ebenso skeptisch sind die Analysten bezüglich Progress-Werk Oberkirch (Kursziel 45 Euro, aktuell 43,39). Das Produktportfolio ziele fast ausschließlich auf Verbrennungsmotoren, riskant sei zum Beispiel, dass Stahlkomponenten durch Leichtbauelemente ersetzt werden könnten.Leoni wird längst nicht von allen Analysten so positiv gesehen, immerhin hat die Aktie in den vergangenen zwölf Monaten auch bereits um 57,6 % zugelegt. So raten auch die Berenberg Bank, Warburg Research und DZ Bank zum Kauf, die Deutsche Bank, die Nord/LB und Kepler Cheuvreux empfehlen aber den Verkauf. J.P. Morgan, Independent Research und die Commerzbank votieren mit “Neutral” oder “Hold”. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux nennt ein Kursziel von nur 27 Euro, die Analysten halten die europäischen Autozulieferer im Vergleich zu Fahrzeugherstellern für zu hoch bewertet. Die Nord/LB findet den rasanten Kursanstieg überzogen und hat die Aktie schon Ende Mai auf “Verkaufen” zurückgestuft bei einem Kursziel von 44 Euro. Gemischtes BildAuch bezüglich ElringKlinger ist das Bild gemischt: So raten DZ Bank und Kepler Cheuvreux zum Einstieg, die Nord/LB hingegen zu Verkauf, die Berenberg Bank und Warburg setzen die Aktie auf “Hold”, Independent Research auf “Neutral”. Die Aktie war bis Mai stark gestiegen, hat zuletzt aber geschwächelt und kommt auf Jahressicht auf ein Minus.