Nicht alle Autozulieferer zukunftsfest

Hauck & Aufhäuser sieht Hella und Leoni als Profiteure des Elektroauto-Trends - Bertrandt verkaufen

Nicht alle Autozulieferer zukunftsfest

Die IAA brachte eine wahre Modelloffensive an Elektroautos. Daher ist absehbar: In der Zukunft werden Komponenten für Verbrennungsmotoren weniger oft gebraucht. Für manche Autozulieferer ist das einer Studie von Hauck & Aufhäuser zufolge kein Problem, für andere schon.amb Frankfurt – Nach Ansicht der Privatbank Hauck & Aufhäuser hat die diesjährige Automesse IAA die Richtung der Autoindustrie klar vorgeführt: die Elektrifizierung. So plane VW, weltweiter Marktführer für E-Mobilität zu werden und bis 2025 neue Elektroautos – davon 50 rein batteriebetrieben und 30 Hybridfahrzeuge – auf den Markt zu bringen, bis 2030 sollen 20 Mrd. Euro in die Entwicklung gesteckt werden.Auch für die Autozulieferer kommt das einer Zeitenwende gleich. Hauck & Aufhäuser hat nach Gesprächen auf der Automesse daher abermals analysiert, welches Unternehmen von den Megatrends Digitalisierung, Connectivity, autonomes Fahren und vor allem E-Autos am meisten profitieren dürfte. Zum Kaufen geraten wird bei Hella und Leoni, ElringKlinger wird auf “Hold” zurückgestuft, für Bertrandt wird “Sell” bestätigt.Das Beratungsunternehmen Oliver Wyman geht davon aus, dass die weltweite Produktion von Elektroautos inklusive Hybridwagen bis 2025 um 28 % im Jahr steigen wird auf 6 Millionen 2020 und 25 Millionen 2025. Im Jahr 2020 werde der Anteil der Elektroautos dann rund 6 % an der gesamten Automobilproduktion ausmachen, 2025 schon mehr als 20 %, heißt es. Kosten müssen sinkenNach Ansicht von Hauck & Aufhäuser wird der Trend an Fahrt aufnehmen, sobald wichtige Länder – vor allem China – die Rahmenbedingungen für Elektroautos freundlicher gestalten und die Kosten für die Technologie auf das Niveau der Kosten für Verbrennungsmotoren gefallen sind. “Wann das sein wird, ist weiter unklar”, schreiben die Analysten.Ohne Zweifel werde der Trend hin zu Elektromobilität aber dramatische Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette in der Autoindustrie haben. “Ein Verbrennungsmotor besteht aus rund 1 200 unterschiedlichen Komponenten, beim Elektromotor können es weniger als 20 sein”, heißt es. Konventionelle Komponenten würden immer unwichtiger: Einspritzpumpen, Nockenwellen, Kupplungen, Tankleitungen oder Abgasanlagen – all das wird in Elektroautos nicht mehr benötigt.Als Gewinner sehen die Analysten vor allem Leoni und Hella, beide Aktien werden auf “Buy” gestuft. Ebenfalls zum Kauf empfohlen werden SAF-Holland (Kursziel 20 Euro, aktuell 17,20 Euro), MS Industrie (5,30, aktuell 3,98 Euro), Stabilus (90 Euro, aktuell 76,53), Paragon (85 Euro, aktuell 88,55 Euro) und Delignit (9,50 Euro, aktuell 6,68 Euro). Nur auf “Hold” gesetzt werden neben ElringKlinger auch Norma (56 Euro, aktuell 55,64 Euro) und Progress-Werk Oberkirch (45 Euro, aktuell 43,98 Euro). “Sell” lautet das Votum neben Bertrandt auch für EDAG Engineering (11 Euro, aktuell 13,20 Euro). Geschäft läuft gutFür den sehr breit aufgestellten Zulieferer Hella KGaA Hueck nennen die Analysten ein Kursziel von unverändert 57 Euro (aktuell 49,88 Euro), dabei hat die Aktie seit vergangenem Sommer bereits um über 80 % zugelegt. Hella ist für die Analysten einer der Hauptprofiteure des Trends hin zum Elektroauto. Das Unternehmen erwirtschafte 76 % der Umsätze in der Autoindustrie und produziere nur wenige Komponenten, die ausschließlich in Autos mit Verbrennungsmotoren eingesetzt werden könnten. Der Trend hin zu immer mehr Energieeffizienz, Sicherheit, Design und Komfort komme Hela zugute, etwa erhöhten die Hella-LED-Frontscheinwerfer die Sicherheit und ließen gleichzeitig mehr Spielraum für Design. Außerdem punkte das Unternehmen mit einer sehr guten Forschung und Entwicklung. Wie gut das Geschäft läuft, zeige auch das volle Auftragsbuch. Die Ergebnisschätzungen je Aktie bleiben bei 3,58 Euro, 3,97 Euro und 4,24 Euro für 2017 bis 2019.Die Aktie des Nürnberger Kabel- und Bordnetzspezialisten Leoni hat sich seit vergangenem Sommer mehr als verdoppelt, dennoch wird Leoni weiter auf “Buy” gestuft bei einem Kursziel von 67 Euro (aktuell 56,11 Euro). Leoni werde kurz- und mittelfristig stark vom Trend zur Elektromobilität profitieren: Ein Elektroauto benötige im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotoren 10 % mehr und ein Hybridwagen 20 % mehr Leoni-Komponenten. Das erste Halbjahr hat die positive Einschätzung der Analysten bestätigt, die Aufträge im Bereich Wiring System seien um 11 % gestiegen.Auf der IAA neu erfahren haben die Analysten allerdings, dass Edag Kabel entwickelt, die das Gewicht um 30 % reduzieren könnten. Allerdings sollen diese erst 2025 bis 2030 auf den Markt kommen. Nach Ansicht der Analysten wird die Nachfrage nach Leoni-Produkten daher hoch bleiben. Die Gewinnschätzungen je Aktie liegen unverändert bei 4,39 Euro, 4,52 Euro und 5,32 Euro für 2017 bis 2019.ElringKlinger wird von “Buy” auf “Hold” zurückgestuft bei einem Kursziel von 17 nach bislang 27 Euro (aktuell 15,77 Euro). Die Analysten befürchten eine weitere Gewinnwarnung. Das Unternehmen werde am Markt immer noch als Hersteller von Zylinderkopf- und Spezialdichtungen angesehen, erwirtschafte aber nur 11 % des Umsatzes mit ausschließlich für Verbrennungsmotoren geeigneten Komponenten. Alle anderen Bauteile seien in konventionellen und E-Autos einsetzbar.Dennoch gehen die Analysten davon aus, dass das Gewinnziel für 2017 verfehlt wird. Das hänge mit den nur langsam sinkenden Kosten in der Schweiz zusammen, mit temporären Ineffizienzen wegen der Umstellung auf SAP und höheren Aufbaukosten für Komponenten für Tesla. “Es ist zu früh für einen Einstieg”, heißt es. Die Gewinnschätzungen je Aktie werden für 2017 bis 2019 um 7,7 %, 7,8 % und 9,1 % reduziert auf 1,47 Euro, 1,68 Euro und 1,94 Euro. Umstellung nicht gelungenDer Ingenieurdienstleister für die Autoindustrie Bertrandt wird zum Verkauf empfohlen bei einem Kursziel von unverändert 58 Euro (aktuell 85,18 Euro). Die Zahlen für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2016/2017 bezeichnen die Analysten als “enttäuschend”, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Der Preisdruck im Kerngeschäft von Bertrandt dürfte steigen. Die Umlenkung der Budgets großer Autobauer hin zu E-Autos werde sich negativ auswirken. Das vom Finanzchef genannte Umsatzziel von 7 % bis 9 % Plus für 2017/2018 halten die Analysten für nicht realisierbar, die Abhängigkeit von Volkswagen sei “hoch”. Sie glauben nicht, dass das Unternehmen die Wende schon geschafft hat, 2017/2018 werde abermals eine Herausforderung. Die Gewinnschätzungen je Aktie werden für 2016/2017 um 4,4 % reduziert auf 3,90 Euro, für die Folgejahre bleiben sie bei 3,96 Euro und 4,52 Euro.Der Schweizer Ingenieurdienstleister EDAG Engineering wird trotz deutlicher Kursverluste seit Juli von “Hold” auf “Sell” zurückgestuft und das Kursziel von 17 auf 11 Euro (aktuell 13,20 Euro) reduziert. Hintergrund sind signifikant niedrigere Gewinnschätzungen: Je Aktie werden die Prognosen um 37 % auf 0,70 Euro für 2017, um 36 % auf 0,87 Euro für 2018 und um 38 % auf 1,07 Euro für 2019 nach unten angepasst. Die Analysten sehen Edag vor großen strukturellen Problemen, die sich auf die Profitabilität in den kommenden 18 Monaten auswirken würden.Die klare Strategie fehle, die Experten erwarten auch nicht, dass etwas passiert, bevor ein neuer Vorstandschef gefunden ist. Edag fehlten darüber hinaus Software-Ingenieure und Kapazitäten, um den Bedarf der großen Autobauer zu decken. Das Kerngeschäft konzentriere sich zudem zu sehr auf Hochlohnländer, für Software-Experten müssten dort sehr hohe Gehälter gezahlt werden. Hauck & Aufhäuser empfiehlt, sich von der Aktie fernzuhalten.