Aktien

Nicht alle Tech-Werte über einen Kamm scheren

Technologieaktien leiden überdurchschnittlich unter den überraschend deutlichen Zinserhöhungen. Allerdings dürfen nicht alle Werte der Branche über einen Kamm geschoren werden.

Nicht alle Tech-Werte über einen Kamm scheren

2022 war ein hartes Jahr für Technologieaktien: Der Nasdaq hat seit Jahres­beginn fast 30% verloren. Selbst die bisher stets zuverlässigen FAANG-Aktien (Facebook, Amazon, Apple, Netflix, Google), die für einen Großteil der Gewinne des amerikanischen Aktienmarktes verantwortlich waren, mussten herbe Kursverluste hinnehmen. So verzeichnete Netflix ein Minus von 45% und Meta (Facebook) gar ein Minus von rund 65%. Ist dies das Ende der Tech-Rally?

Kapitalkosten ziehen an

Ein Teil der Erklärung für die Performanceschwäche liegt neben der hohen Marktdurchdringung von digitalen Marketingdiensten und einem Abflachen der Wachstumsraten in der Geldpolitik der Zentralbanken. Die Bewertungen von Wachstumsaktien leiden überdurchschnittlich unter den überraschend deutlichen Zinserhöhungen. Die gestiegenen Zinsen haben die Kapitalkosten für Unternehmen stark anziehen lassen. Wachstumsunternehmen, die oft in innovativen und jungen Branchen wie der Technologiebranche tätig sind, sind von diesen Veränderungen besonders betroffen – erwirtschaften sie doch oftmals noch Verluste und benötigen Kapital, um ihr Wachstum zu finanzieren.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten war dies kein Problem: Kapitalkosten gab es dank der Niedrigzinspolitik nicht und Unternehmen mussten sich keine Gedanken über Finanzierungsbedingungen machen. Bei extrem niedrigen Zinssätzen war es für viele Unternehmen verlockend, Schulden aufzunehmen, auch um die Eigenkapitalrendite zu erhöhen. Niedrig verzinste Nettobarmittel in der Bilanz wurden als Belastung angesehen. Die optimale Kapitalstruktur eines Unternehmens schien aus einem Maximum an Schulden und einem Minimum an Eigenkapital sowie Nettoliquidität zu bestehen.

Dieses Jahr hat sich die Situation geändert. Durch den sprunghaften Anstieg der Fremdkapitalkosten sowie die plötzlich gestiegene Risikoaversion der Anleger können viele Unternehmen ihre Investitionen und ambitionierten Wachstumspläne nicht mehr finanzieren. So etwa Carvana, US-Marktführer im Online-Gebrauchtwagenhandel: Dem Unternehmen ist es gelungen, seinen Umsatz seit 2019 mehr als zu verdreifachen und auf mehr als 14 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022 zu steigern – nur um jetzt festzustellen, dass sein Ebit, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, dieses Jahr um mehr als 1,4 Mrd. US-Dollar niedriger ausfällt als 2021. Die Geduld der Anleger ist bei dieser Art von „Wachstumsprofil“ sehr dünn geworden. Der Aktienkurs des einstigen Wall-Street-Lieblings ist seit Jahresbeginn um 97% von 202 auf rund 5 Dollar eingebrochen. Dabei ist es jedoch wichtig, nicht alle Technologieunternehmen über einen Kamm zu scheren. Denn auch im Tech-Sektor gibt es viele Firmen, die von den anziehenden Kapitalkosten nicht so stark betroffen sind.

Theoretisch sind Kapitalkosten ein Schwellenwert, der überschritten werden muss, um eine Investition zu rechtfertigen. Sie sollten eine Risikoprämie enthalten, die dem Risikograd einer Investition angemessen ist. Genau das ist heute wieder der Fall: Investoren verlangen eine Risikoprämie für risikoreichere Investitionen in junge Unternehmen.

Für Stockpicker bietet dies durchaus Chancen, denn die rasch steigenden Kapitalkosten führen dazu, dass sich an den Aktienmärkten die Spreu vom Weizen trennt. Unternehmen, die über gewinnbringende und zu­kunftsfähige Geschäftsmodelle verfügen, sich innenfinanzieren und über solide Bilanzen verfügen, sind im aktuellen Umfeld besonders chancenreich und lassen sich mit einem aktiven Investmentansatz finden. Natürlich leiden auch diese Unternehmen derzeit unter einer Bewertungskorrektur. Jedoch müssen sie ihre Wachstumspläne nicht den steigenden Kapitalkosten opfern wie viele andere Unternehmen. Ein solches Unternehmen aus unserem Portfolio ist beispielsweise Oracle. Die Aktie weist im Jahresverlauf eine nahezu stabile Entwicklung auf und performt somit erheblich besser als der S&P 500 Information Technology, der nahezu 25% an Wert verloren hat.

Oracle ist derzeit sehr erfolgreich darin, sein Geschäftsmodell zu diversifizieren und weitere Dienstleistungen abzudecken. So bietet es immer mehr Anwendungen an, die auf das existierende Enterprise-Resource-Planning-System (ERP) aufsetzen und die Dienstleistungspalette er­weitern. Durch die Verlagerung des Systems in die Cloud setzt sich das Unternehmen in neuen Ausschreibungen zunehmend gegen Wettbewerber wie SAP, AWS oder Microsoft durch.

Nicht zuletzt demonstrieren die Amerikaner, dass es durchaus möglich ist, auch im hart umkämpften Markt für Cloud-Computing Marktanteile zu gewinnen: Mit Wachstumsraten von derzeit rund 30 % beläuft sich der Marktanteil mittlerweile auf ca. 5 %. Obwohl Oracle ein etablierter Anbieter und damit traditionell kein Ziel von großen Wachstumsfantasien der Anleger ist, hat es das Unternehmen durch die ge­schickte Erweiterung seiner Produktangebote geschafft, sein Gewinnwachstum auf doppelstellige Raten zu beschleunigen.

Durch die kluge Gebührenstruktur über einmalige Lizenzkäufe und fortlaufende Maintenance-Zahlungen sichert sich der ERP-Anbieter kontinuierliche und planbare Kapitalströme und bindet seine Kunden langfristig an sich. Vor allem aber ist das Unternehmen hochprofitabel und verfügt über hohe freie Cashflows sowie große Cash-Reserven. Damit ist es bestens gewappnet, trotz der gestiegenen Kapitalkosten an den Finanzmärkten weiteres Wachstum zu finanzieren und seinen Wachstumspfad unbeirrt zu verfolgen. Und genau das macht im aktuellen Umfeld den entscheidenden Unterschied aus.

Zuletzt erschienen:

Inflationsschutz zu historisch niedrigen Bewertungen (254), Skagen

Die Märkte stecken inmitten einer Neuausrichtung (253), Credit Suisse

Entlastung, aber keine Entwarnung bei US-Inflation (252), Assenagon

Währungshedging als wichtiges Mittel zur Reduzierung der Portfolio-Volatilität (251), Columbia Threadneedle

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.