LEITARTIKEL

Nicht auf zu viel freuen

Der Anstieg der risikolosen Staatsanleiherenditen in den ersten Wochen dieses Jahres ist zweifelsohne beeindruckend. Rentierte die zehnjährige Bundesanleihe zum Jahresstart noch mit 0,43 %, ging es bis Anfang Februar auf in der Spitze 0,81 % herauf....

Nicht auf zu viel freuen

Der Anstieg der risikolosen Staatsanleiherenditen in den ersten Wochen dieses Jahres ist zweifelsohne beeindruckend. Rentierte die zehnjährige Bundesanleihe zum Jahresstart noch mit 0,43 %, ging es bis Anfang Februar auf in der Spitze 0,81 % herauf. Die Marke von 1 % schien somit fast schon zum Greifen nah. Verantwortlich für diesen Renditeanstieg der Bundesanleihen sind drei Faktoren. Erstens: Die US-Notenbank Fed wird ihren Prozess der Zinsnormalisierung in den kommenden Monaten fortsetzen, das sind zumindest die recht klaren Signale, die die Notenbank den Märkten gibt. Genau diesen Aufwärtsdruck beim US-Leitzins und damit bei den US-Staatsanleiherenditen bekommt der Markt auch diesseits des Atlantiks zu spüren. Die Bundrenditen werden nach oben getrieben. Zweitens: Auch mit Blick auf die Europäische Zentralbank (EZB) diskutieren die Marktteilnehmer mehr und mehr das Ende der Anleihekäufe und damit auch den ersten Zinsschritt nach oben seit der Finanz- und Staatsschuldenkrise. Mancher Marktakteur stellt sich schon auf eine Anhebung in diesem Jahr ein, auch wenn das vieler Orten immer noch als sehr kühne Prognose angesehen wird. Wahrscheinlicher ist wohl, dass die europäischen Währungshüter im Herbst eine nochmalige Drosselung der Anleihekäufe vornehmen. 2019 könnte das Anleihekaufprogramm dann langsam auslaufen. Viele im Markt unterschätzen aber, dass das Kaufprogramm noch lange Nachwirkung zeigen wird. Denn EZB-Präsident Mario Draghi hat wiederholt klargestellt, dass es nicht zu einem abrupten Ende, also einer plötzlichen Einstellung sämtlicher Erwerbs- und Wiederanlageaktivitäten der EZB kommen wird. Das würde den Markt in heftige Turbulenzen stürzen. Ein nahendes Ende des Quantitative Easing und damit Diskussionen über eine beginnende Zinsnormalisierung in der Eurozone bedeutet ebenfalls einen gewissen Aufwärtsdruck für die Anleiherenditen. Da die EZB nur sehr langsam die Aktivitäten herunterfährt, sollte dieser resultierende Aufwärtsdruck auf die Renditen nicht überschätzt werden.Drittens: Signale einer weltweit besser laufenden Konjunktur und damit einer Beschleunigung des Preisauftriebs, der von den Notenbanken – und nicht nur von ihnen – durchaus erwünscht ist, bedeutet im Umkehrschluss, dass die höhere Inflation von steigenden Notenbankzinsen begleitet wird. Eine lockere Geldpolitik wie in den vergangenen Jahren ist bei einem derartigen Inflationsbild nicht erforderlich. Das aufgehellte Konjunkturbild treibt ebenfalls die Renditen herauf. Allein diese Gemengelage spricht insgesamt für höhere Renditen. Eine Marke von einem 1% könnte also durchaus erreicht werden. Sollte das in den nächsten Wochen der Fall sein, wären die Jahresendprognosen vieler Analysten schon im ersten Quartal in den Schatten gestellt. Allerdings sollten noch zwei weitere Aspekte berücksichtigt werden, die einem stärkeren Anstieg – zum Beispiel über 1 % aus – einen Strich durch die Renditerechnung machen könnten.Das könnte zum Beispiel der Aktienmarkt sein. Viele halten es durchaus für ein einzukalkulierendes, weil realistisches Szenario, dass der mittlerweile fast neun Jahre laufende Bullenmarkt sich seinem Ende nähert. Einen Vorgeschmack, was eine länger anhaltende und schärfer ausfallende Korrektur nach sich ziehen könnte, haben die Anleger in diesen Tagen bekommen. Rutschen Dax & Co ab, wird Sicherheit bei den Anlegern wieder großgeschrieben. Dann suchen sie ihr Heil in den sicheren Häfen, wozu die Bundesanleihen zählen. In den Tagen der schärferen Rücksetzer am Aktienmarkt fiel die zehnjährige Bundrendite heftig zurück, und zwar um sage und schreibe 11 Basispunkte gemessen am Tageshoch des einen Tages und dem Tagestief des Folgetages. In gerade einmal zwei Handelstagen wurde somit ein knappes Drittel des Renditeanstiegs von fünf Wochen egalisiert.Der zweite Aspekt betrifft die Nachfrage aufgrund der absolut erreichten Renditeniveaus. Seit Ende November 2011 leben die Investoren nun schon mit Null- und Negativzinsen. Wenn sich dann die zehnjährige Bundrendite wieder Werten nähert, die der Markt schon geraume Zeit nicht mehr gesehen hat, dann möchte sich mancher Anleger das auch ganz gern sichern. Dazu gehören sicherlich auch 1 % Rendite auf zehnjährige Frist. So mickrig sich dieses Niveau vor Jahren angehört hat, so attraktiv sieht es heute aus, mit der Erfahrung von negativen Zehnjahresrenditen im Rücken. Allein diese dann einsetzenden Käufe werden den Renditeanstieg abbremsen. Das sollte man nicht unterschätzen. Auf allzu große Renditesprünge nach oben sollte man sich also nicht freuen.Von Kai JohannsenDie risikolosen Staatsanleiherenditen steigen an. Aber eine Korrektur am Aktienmarkt und die Nachfrage der Investoren aufgrund absolut erreichter Niveaus könnten den Anstieg sehr schnell abbremsen.