TECHNISCHE ANALYSE

Noch überwiegt das Licht am Aktienmarkt

Von Jörg Scherer *) Börsen-Zeitung, 8.3.2017 Der Start der internationalen Aktienmärkte in das neue Börsenjahr kann als "geglückt" bezeichnet werden. Wieder einmal stechen dabei die amerikanischen Indizes hervor, wobei beispielsweise der Standard &...

Noch überwiegt das Licht am Aktienmarkt

Von Jörg Scherer *)Der Start der internationalen Aktienmärkte in das neue Börsenjahr kann als “geglückt” bezeichnet werden. Wieder einmal stechen dabei die amerikanischen Indizes hervor, wobei beispielsweise der Standard & Poor’s 500 das wichtige Anlaufziel bei 2 400 Punkten – abgeleitet aus der großen Schiebezone von 1996 bis 2013 sowie dem kürzerfristigen Pendant der letzten gut zwei Jahre zwischen 1 800 und 2 100 Punkten – jüngst erreicht hat. Das “Abarbeiten” dieses Kursziels wirft zwangsläufig die Frage nach der weiteren Kursentwicklung auf. Gesunde MarktbreiteTraditionell bildet die Analyse der grundsätzlichen Marktverfassung unseren Ausgangspunkt bei der Beantwortung der aufgeworfenen Frage. Dabei greifen wir auf den ältesten Marktbreitemaßstab überhaupt zurück, die Advance- / Decline-Linie. Dieses Barometer bildet den Saldo aus gestiegenen und gefallenen Aktien für alle an der Nyse gehandelten Papiere ab. Dank der beschriebenen Berechnungsweise treten strukturelle Schwächen einer Marktbewegung regelmäßig offen zu Tage. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn in der Spätphase einer Hausse nur noch wenige hochkapitalisierte Titel den zugrundeliegenden Index auf neue Hochstände ziehen, während die Masse der Indexmitglieder bereits zurückbleibt. Im Umkehrschluss ist eine Aufwärtsbewegung so lange als gesund zu bezeichnen, wie diese von der Mehrzahl der Aktien getragen wird. Genau diese Konstellation liegt unverändert für alle an der New York Stock Exchange notierten Papiere vor. Schließlich gehen die zuletzt erreichten neuen Allzeithochs bei Dow und Co. Hand in Hand mit neuen Hochs im Verlauf der Advance- / Decline-Linie.Wenn es um die grundsätzliche Marktverfassung geht, darf ein Blick auf den MSCI World nicht fehlen. Seit dem idealtypischen Pullback an die Kombination aus der oberen Begrenzung einer klassischen Korrekturflagge sowie den Glättungslinien der letzten 38 Wochen bzw. 38 Monate (aktuell bei 1 732 / 08 Punkten) im letzten Quartal 2016 kennt das Weltaktienbarometer nur noch eine Richtung: nach Norden. Jüngst gelang dabei sogar ein neues Allzeithoch (1 859 Punkte), wodurch eines der besten Signale der technischen Analyse entsteht. Der beschriebene Ausbruch auf der Oberseite wird durch den MACD bestätigt. Schließlich ist der Trendfolger aktuell sowohl auf Wochen- als auch auf Monatsbasis “long” positioniert. Aber auch das nach oben aufgelöste Flaggenmuster sowie die abgeschlossene inverse Schulter-Kopf-Schulter-Formation liefern derzeit charttechnischen Rückenwind. Das Kursziel aus der unteren Umkehr lässt sich auf rund 1 940 Punkte veranschlagen. Der Charme dieses Anlaufziels ergibt sich daraus, dass sowohl die Parallele (aktuell bei 1 945 Punkten) zum Aufwärtstrend seit Juli 2009 als auch die 138,2 %-Fibonacci-Projektion des gesamten Korrekturimpulses von Mai 2015 bis Februar 2016 (1 949 Punkte) die Relevanz der angeführten Marke untermauern.Aber auch unter Risikogesichtspunkten dient der MSCI World als wichtige Orientierungshilfe: Um das Risiko eines Fehlausbruchs auf der Oberseite gar nicht erst aufkommen zu lassen, gilt es in Zukunft ein Rebreak der alten Ausbruchsmarke von 1 800 Punkten unbedingt zu verhindern. Mit anderen Worten: Investoren können das zuletzt genannte Level bzw. vielmehr dessen Unterschreiten als “Frühwarnsystem” für eine schwierigere Börsenphase heranziehen.Mit Blick auf die Saisonalität ist (zunächst) aber noch alles im Lot. Gemessen am US-Präsidentschaftszyklus sowie am Dekadenzyklus treten die Aktienmärkte im Frühjahr in die beste Phase des Jahres ein, welche bis zum Hochsommer andauern dürfte. Was bedeutet das alles jetzt für unseren heimischen Dax? Als die beiden Haupttreiber sehen wir hier die “doppelte” Bestätigung des seit März 2009 bestehenden Haussetrends (aktuell bei 10 047 Punkten) sowie die im weiteren Jahresverlauf 2016 nach oben aufgelöste Korrekturflagge an. Insbesondere die Auflösung des zuletzt angeführten Konsolidierungsmusters legt neue Rekordstände jenseits des bisherigen Allzeithochs vom April 2015 bei 12 391 Punkten nahe. Auf der Unterseite bildet dagegen die Kombination aus der Mitte vergangener Woche auf Tagesbasis gerissenen Kurslücke (11 914 zu 11 854 Punkten) und dem Januar-Hoch bei 11 893 Punkten eine erste Haltezone. Mittelfristig würde sich das Chartbild jedoch erst eintrüben, wenn die Hochpunkte vom November und Dezember 2015 bzw. die jüngsten Verlaufstiefs bei gut 11 400 Punkten unterschritten werden. Rückschlag im Sommer?Das Zeitfenster, um aus dem unverändert vorliegenden “Trendfolgend-long”-Szenario Kapital zu schlagen, wird allerdings zusehends kleiner. In diesem Zusammenhang müssen wir nochmals auf die beiden bekanntesten Zyklen zurückkommen. Sowohl der US-Präsidentschafts- als auch der Dekadenzyklus signalisieren ernsthafte Rückschlagsgefahren ab August. Deshalb sollten Anleger ab der Jahresmitte 2017 besonders auf möglicherweise aufkommende Euphorie oder einen einsetzenden (technischen) Distributionsprozess ein besonderes Augenmerk legen, denn das dritte Quartal könnte ein turbulentes an den Aktienmärkten werden.—-*) Jörg Scherer ist Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.