ÖlmarktRezessionssorgen und geopolitische Konflikte im Fokus

Kriegsgefahr im Nahen Osten hält Ölmarkt im Bann

Der Ölmarkt befindet sich im Widerstreit zweier Kräfte. Rezessionssorgen drücken auf die Notierungen, während die sich aller Wahrscheinlichkeit nach fortsetzende Eskalation im Nahen Osten zu einer Explosion des Ölpreises führen und sogar die Energieversorgung des Westens gefährden könnte.

Kriegsgefahr im Nahen Osten hält Ölmarkt im Bann

Kriegsgefahr im Nahen Osten hält Ölmarkt im Bann

Eskalation würde zur Explosion des Ölpreises führen – Anzeichen für Entspannung trügerisch – Rezessionsängste drücken Ölpreis vorerst

Der Ölmarkt befindet sich im Widerstreit zweier Kräfte. Rezessionssorgen drücken auf die Notierungen, während die sich aller Wahrscheinlichkeit nach fortsetzende Eskalation im Nahen Osten zu einer Explosion des Ölpreises führen und sogar die Energieversorgung des Westens gefährden könnte.

ku Frankfurt

Der Ölpreis wird vor allem von zwei Faktoren bewegt. Zum einen ist es das Ausmaß der Rezessionssorgen und damit der Erwartungen hinsichtlich des globalen Ölverbrauchs, die den Ölpreis tendenziell drücken. Zum anderen sind es Bedenken der Marktteilnehmer aufgrund der geopolitischen Konflikte, die den Ölpreis nach oben treiben und die sogar das Potenzial haben, für eine Explosion der globalen Energiepreise zu sorgen.

Zurückhaltung signalisiert

Aktuell kämpft der Brent-Ölpreis um die Marke von 80 Dollar je Barrel. Anfang des Monats war er zeitweilig unter 77 Dollar gefallen, nachdem die US-Notenbank Federal Reserve Zurückhaltung hinsichtlich der erwarteten Zinssenkungen signalisiert hatte und dann noch ein enttäuschender Monatsbericht von US-Arbeitsmarkt hereinkam. Danach hatten allerdings besser als erwartet ausgefallene Zahlen zu den US-Einzelhandelsumsätzen und eine rückläufige Inflation in den USA die Angst vor der Rezession gedämpft, so dass der Brent-Ölpreis zeitweilig bis über 82 Dollar kletterte.

Gegenwärtig liefern die Konjunkturdaten aus den USA und die für den Ölmarkt wichtigen Indikatoren kein eindeutiges Bild. Neben den Einzelhandelsdaten sprachen zuletzt auch die Zahl der Neuanträge auf US-Arbeitslosenunterstützung eher dagegen, dass die USA in die Rezession rutschen. Andererseits sprechen viele Daten aus dem Bereich des Konsums und aus der verarbeitenden Industrie für konjunkturelle Schwäche, allerdings machen in den bereits weitgehend deindustrialisierten USA Dienstleistungen rund 70% des Bruttoinlandsprodukts aus.

Kaum Rückenwind

Andere Teile der Welt geben dem Ölmarkt derweil konjunkturell kaum Rückenwind. In China hat sich die Konjunktur nach dem Ende der Pandemie-Maßnahmen als Enttäuschung erwiesen. Europa und insbesondere Deutschland leiden unter einer sich beschleunigenden Deindustrialisierung als Folge der verfehlten Energiepolitik und der Sanktionen gegen Russland. Zuletzt haben sowohl die Internationale Energieagentur als auch die Ökonomen der Opec ihre Prognosen für die weltweite Nachfrage nach Öl leicht nach unten korrigiert. Die Analysten der Opec verweisen ausdrücklich auf die schwache Ölnachfrage in China als Grund dafür, dass sie ihre Prognose für den Brent-Ölpreis zum Jahresende um 5 Dollar auf 85 Dollar gesenkt haben.

Hängepartie in der Geopolitik

Was die geopolitischen Konfrontationen im Nahen Osten betrifft, so lässt sich ebenfalls von einer Art Hängepartie sprechen, da es jede Menge Hinweise auf eine sich verschärfende Konfrontation als auch Anzeichen gibt, die nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer für eine gewisse Entspannung sprechen.

So ist der israelische Mordanschlag auf den Hamas-Chef Haniyeh in Teheran am Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten Massud Peseschkian als eine klare Provokation zu werten, und auch der Besuch des israelischen Sicherheitsministers Itamar Ben Gvir mit mehr als 1.000 radikalen jüdischen Siedlern auf dem Tempelberg in Jerusalem als einem der wichtigsten islamischen Heiligtümer ist als eine solche Provokation anzusehen. Zudem hat Israel nach Berechnungen der auf Konfliktforschung spezialisierten Organisation Acled in einer Kampagne mindestens 39 hochrangige Kommandeure des Iran und der schiitisch-libanesischen Miliz Hisbollah getötet, und der Krieg im Gazastreifen hält unter exorbitant hohen Verlusten der Zivilbevölkerung weiter an. Zwar gibt es derzeit wieder neue Gespräche über einen Waffenstillstand, an denen jedoch Hamas wegen der Tötung Haniyehs, der auch der Verhandlungsführer der Hamas war, nicht teilnimmt. Die israelische Regierung erwägt derweil nach einem Bericht der „Times of Israel“ sogar einen Präventivschlag gegen den Iran, sofern es klare Hinweise dafür gebe, dass der Iran einen Angriff vorbereite. Ein solcher Schritt würde unweigerlich einen offenen Krieg zwischen Israel und dem Iran bedeuten, in den aller Wahrscheinlichkeit auch die USA einbezogen würden, die so viele militärische Assets in der Region zusammengezogen haben wie schon seit Jahren nicht mehr. Darunter befinden sich ein Flugzeugträger samt Begleitschiffen, ein mit Cruise Missiles ausgerüstetes Atom-U-Boot, Bodentruppen und Stealth-Kampfflugzeuge vom Typ F-22.

Gegenschlag noch ausgeblieben

Andererseits ist bis jetzt der in Aussicht gestellte Gegenschlag des Iran ausgeblieben, obgleich westliche Medien diesen unter Verweis auf angebliche Quellen innerhalb der iranischen Regierung schon mehrfach zeitnah ankündigten. Das wurde im Westen und in Israel bereits als Hinweis darauf gewertet, dass der Iran auf den Gegenschlag verzichten könnte. Dies ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, zumal der iranische Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei erst noch am Mittwoch in einer Rede sowie in dem Sozialen Netzwerk X erklärt hatte, ein militärischer, politischer oder ökonomischer Rückzug, der mehr als nur taktischen Charakter habe, bringe den Zorn Gottes.

Militärische Antwort zu erwarten

Es erscheint daher als fast unausweichlich, dass es zu einer militärischen Antwort des Iran kommt, für die sich die iranische Regierung allerdings Ort und Zeitpunkt aussucht und für die die Vorbereitungen bereits laufen. So gibt es gemäß den Daten der Website FlightRadar24 eine regelrechte Luftbrücke zwischen Russland und dem Iran mit Transportflugzeugen der russischen Luftwaffe, wobei allgemein vermutet wird, dass modernste russische Anlagen zur Luftverteidigung und zur elektronischen Kriegführung geliefert werden. Die israelische Regierung hatte wiederum erklärt, im Falle eines iranischen Angriffs überproportional reagieren zu wollen.

Erst jüngst hat ein hochrangiger Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden für den Fall eines Kriegs mit Israel die Sperrung der Meeresenge von Hormus in Aussicht gestellt, deren für die Schifffahrt geeigneter Tiefwasserbereich durch iranische Hoheitsgewässer verläuft. Durch die Straße von Hormus gehen rund 25% des weltweit per Schiff transportierten Rohöls sowie rund 30% der weltweiten Transporte von verflüssigtem Erdgas (LNG). Eine Sperrung dieser extrem wichtigen Verkehrsader hätte unweigerlich eine Explosion der Preise für Erdöl und Erdgas zur Folge. Dabei wird allgemein bezweifelt, dass es den USA angesichts der mittlerweile erreichten militärischen Stärke des Iran gelingen könnte, die Straße von Hormus offen zu halten – zumal es den USA und Großbritannien derzeit schon nicht gelingt, die zunehmenden Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer zu beenden.

Derweil hat die iranische Ölproduktion trotz der sehr weitreichenden amerikanischen Sanktionen inzwischen wieder ein Niveau erreicht, das es zuletzt im Jahr 2018 gegeben hatte. Trotz der Sanktionen ist es dem Iran auch gelungen, neue Käufer zu finden, zuletzt Oman und Bangladesch, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Im vergangenen Monat hatte der iranische Ölminister Javad Owji laut einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Mehr gesagt, dass der Iran sein Öl inzwischen in 17 Länder exportiere. Im Juli erreichte die iranische Ölproduktion 3,22 Mill. Barrel pro Tag (bpd), was sich mit einem historischen Höchststand von rund 4 Mill. bpd vergleicht. Es handelt sich um den höchsten Stand seit sechs Jahren. Derweil boomt die iranische Wirtschaft. Im März betrug das Wirtschaftswachstum 5,7%. Unter Ausklammerung des Ölsektors wurden immer noch 3,4% erreicht.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.