Pictet erwartet Marktkorrektur

Chefstratege der institutionellen Vermögensverwaltung hält Minus von bis zu 10 Prozent für möglich

Pictet erwartet Marktkorrektur

Der für die institutionelle Vermögensverwaltung zuständige Bereich der Schweizer Privatbank Pictet rät auf Sicht der nächsten sechs Monate zu Vorsicht an den Aktienmärkten. Eine geringere Liquiditätszufuhr durch die Notenbanken und die bereits erreichte hohe Bewertung in vielen Segmenten machten eine Korrektur wahrscheinlich.dm Frankfurt – Einen Kursrückschlag von 5 bis 10 % hält Luca Paolini, Chefstratege von Pictet Asset Management, in den kommenden Monaten für denkbar. “Wir sind weiter in einem Bullenmarkt, aber die Risiken sind deutlich gestiegen”, sagte er am Mittwoch vor Journalisten in Frankfurt. Wenn die lockere Geldpolitik zurückgeführt werde, sei eine deutliche Marktreaktion zu erwarten. Der Stratege geht dabei nicht davon aus, dass die Europäische Zentralbank wegen einer möglichen – und in den Augen Paolinis wahrscheinlichen – Wahl in Italien im September ihre Geldpolitik anpasst und einen Ausstieg aus ihrem Anleihekaufprogramm länger hinauszögert. Aufgepumpte MärkteDie zu erwartende heftige Marktreaktion begründete er mit der hohen Bewertung sowie einer Drosselung der Liquiditätszufuhr durch die Notenbanken. In den vergangenen zehn Jahren sei die Marktkapitalisierung der Aktienmärkte weltweit um 40 Bill. Dollar gestiegen, wobei die jährliche Zufuhr von 1 Bill. Dollar an Liquidität durch die Notenbank der USA, der Eurozone, Japans, Großbritanniens und Chinas jeweils mit einer Ausweitung der Marktkapitalisierung von rund 4 Bill. Dollar korreliert habe. Eine Rückführung der Liquiditätszufuhr bedeute dann eine entsprechende Korrektur. Zudem seien die Investoren “sehr bullish” und selbstgefällig, was sich an der niedrigen Volatilität ablesen lasse. So hätten sich die Investoren nicht abgesichert. Dies bedeute zwar nicht das Ende des Bullenmarkts, mache aber eine Diversifikation erforderlich. Pictet rate institutionellen Anlegern auch zu “selektiven Investments” in alternative Anlageklassen, darunter Gold oder Private Equity (vgl. Grafik), wo unter Berücksichtigung von Währungseffekten und ausgenommen von Schwellenländeraktien die besten Renditen auf Fünf-Jahres-Sicht erwartet werden. Pharmatitel werden gekauftFür Paolini ist derzeit eine relative Positionierung angesagt – nur “Risk on” in Aktien führe nicht zum Ziel: “Billig ist eigentlich kaum etwas.” Die Aktien-Übergewichtung wird tendenziell verringert. Günstig seien russische Titel sowie Sektoren wie Telekom und Pharma, wobei in letzterem sukzessive Positionen aufgebaut werden. Teuer seien zyklische Konsumaktien und Industriewerte.Energiewerte seien zwar günstig, doch erwartet Pictet Asset Management dort für die nächsten fünf Jahre einen Wertverlust von 2 % pro Jahr, weshalb abgesehen von der hohen Dividendenrendite langfristig wenig für ein Engagement in dem Sektor spreche. “Wenn die Weltwirtschaft jährlich um rund 3 % wächst, steigt die Nachfrage nach Erdöl um rund 1 % pro Jahr”, so Paolini. Dies lasse einen Ölpreis von 40 bis 45 Dollar je Barrel (159 Liter) zu, mehr aber auch nicht. Denn die US-Schieferölproduzenten hätten sehr niedrige Grenzkosten und würden ihre Produktion rasch hochfahren. Dies verleihe dem Ölpreis, der derzeit bei rund 48 Dollar je Barrel für die US-Sorte WTI liegt, kaum Auftrieb.Paolini rät dabei in relativer Sicht zu einer Übergewichtung von europäischen Aktien und Schwellenländeraktien – insbesondere asiatischen, darunter auch japanischen – gegenüber US-Papieren. Derzeit sei das Vertrauen der US-Industrie sehr hoch, gegenüber einem nachlassenden Vertrauen unter den Konsumenten. Ein hohes Vertrauen in Unternehmen schaffe zwar durch eine höhere Investitionsbereitschaft gute Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Wirtschaftswachstums. Doch da die Diskrepanz in der Einschätzung zwischen Industrie und Konsumenten so hoch sei wie nie in den vergangenen 30 Jahren, bestehe auch das Risiko eines Dämpfers. Euro-Aktien attraktivFür eine Übergewichtung von Eurozone-Aktien spreche nicht zuletzt auch die Überbewertung des Dollar. Nach Kaufkraftparität-Modell sei der Greenback gegenüber dem Euro mit bis zu 20 % überbewertet. Angesichts des ähnlich hohen, wenn nicht robusteren Wachstums in der Eurozone sei dies nicht nachvollziehbar: “Europa wird von internationalen Investoren noch unterschätzt.” So sei eine weitere konjunkturelle Verbesserung in der Eurozone noch nicht eingepreist. Doch könnten politische Risiken – etwa fehlende klare Regierungsmehrheiten, wie dies nach der Italien-Wahl zu befürchten sei – den Euro und europäische Aktien vorübergehend belasten.Im Anleihensegment bevorzugt das Institut lateinamerikanische Papiere sowie unter den Staatsanleihen – als relativer Trade – US-Treasuries gegenüber Bundesanleihen. Die Zinsen würden zwar trotz einer mäßigen Straffung der Geldpolitik real im negativen Bereich bleiben, doch erwartet Paolini einen tendenziellen Renditeanstieg, der in Europa stärker als in den USA ausfalle.