DEVISENWOCHE

Polen bleibt für viele CEE-Anleger Kernmarkt

Von Ronald Schneider *) Börsen-Zeitung, 28.3.2017 Lange Zeit galt Polen unter den zentral- und osteuropäischen EU-Ländern (CEE) als Vorzeigeland für wirtschaftliche und politische Stabilität. Das war vor allem der proeuropäischen und liberalen...

Polen bleibt für viele CEE-Anleger Kernmarkt

Von Ronald Schneider *)Lange Zeit galt Polen unter den zentral- und osteuropäischen EU-Ländern (CEE) als Vorzeigeland für wirtschaftliche und politische Stabilität. Das war vor allem der proeuropäischen und liberalen Politik des inzwischen neuerlich zum Präsidenten des Europäischen Rats gewählten, ehemaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk und dem ebenfalls liberal agierenden früheren Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski zu verdanken.Seit der Regierungsübernahme der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter der Ägide von Ministerpräsidentin Beata Szydlo sowie dem Beginn der Präsidentschaft von Andrzej Duda im Jahr 2015 hat sich das Bild allerdings stark gewandelt: vor allem was die Stimmung gegenüber der Europäischen Union (EU) betrifft. Währungsanleger halten Polen allerdings die Treue – auch aus Mangel an gleichwertigen Alternativen. KonfrontationskursDer Kurs der Regierung in Warschau hat sich deutlich in Richtung Konfrontation gedreht. Das Land, das einst dem Kommunismus mit einer großen Freiheitsbewegung entgegengetreten ist, zeigt der EU mehr und mehr die kalte Schulter.Die Orientierung der Regierung am Modell Ungarn ist evident: Schritt für Schritt sollen rechtskonservative Werte in der Gesellschaft gesetzlich verankert werden – sehr zum Widerwillen und unter Protest vieler (liberaler) Polen. An einem Abtreibungsverbot ist die Regierung bereits gescheitert. Auch die Pläne der PiS, die Arbeit von Journalisten im Parlament zu beschränken, haben Tausende Polen auf den Plan gerufen. US-Allianz wird schwächerSo wie Viktor Orbán es als Ministerpräsident in Ungarn vorgemacht hat, will die Regierung über Verfassungsänderungen ihre Wiederwahl sicherstellen. Konnte die EU Ungarn noch mit dem Verlust von EU-Geldern drohen, so könnte das bei Polen schwieriger werden, denn das Land hat die Solidarität Ungarns auf seiner Seite. Auch die Allianz mit den USA, die für Polen zum Schutz vor etwaigen territorialen Begehrlichkeiten seitens Russlands von großer Bedeutung ist, hat sich unter der Präsidentschaft Donald Trumps deutlich abgekühlt.Wirtschaftlich betrachtet geht es Polen gut. Das Wachstum ist zuletzt zwar etwas zurückgegangen, doch die kurzzeitige Schwäche ist vor allem dem Auslaufen des letzten Budgetzyklus der EU geschuldet: Die Transferzahlungen aus dem Strukturfonds werden alle sieben Jahre neu verhandelt. Am Ende einer solchen Periode gehen die Investitionen üblicherweise zurück. “Orbánisierung”Doch das Wachstum sollte in diesem Jahr wieder anziehen. Auch der gut laufende private Konsum in Polen wird dieses unterstützen. Insgesamt sieht man gerade am Beispiel Polen, wie wichtig der EU-Strukturfonds für die Länder Zentral- und Osteuropas ist. Ein Trumpf, den die EU bei weiterer “Orbánisierung” Polens mit großer Wahrscheinlichkeit ausspielen wird. Spielraum für AufwertungDie Inflation ist dynamisch angestiegen und liegt jetzt bei mehr als 2 %. Während die Marktteilnehmer eine Zinserhöhung seitens der Notenbank auf diese Inflations- und Wirtschaftsentwicklung erwartet haben, spricht die polnische Zentralbank von temporären Inflationseffekten und signalisiert, dass sie vorerst am niedrigen Zinsniveau festhalten werde. Für Währungsanleger bedeutet dies, dass auf kurze Sicht keine gravierenden Wertänderungen zu erwarten sind.Allerdings gibt es bis Jahresende für eine Aufwertung gegenüber dem Euro einen gewissen Spielraum, da der polnische Markt damit beginnen könnte, die erste Zinsanhebung im ersten Halbjahr 2018 einzupreisen. Spannend wird die Wertbewegung des Zloty, wenn die EZB mit der Rücknahme ihrer lockeren Geldpolitik startet bzw. diese ankündigt. Moderat übergewichtetRaiffeisen Capital Management ist aktuell in Polen – zulasten Ungarns – moderat übergewichtet, da die Renditen auf polnische Staatsanleihen zuletzt wieder höher waren als auf ungarische Papiere. Der Markt galt und gilt für Anleger als eine Art sicherer Hafen in der Region Zentral- und Mittelosteuropa.Ein Eindruck, der sich zuletzt zwar aufgrund der politischen Entwicklung etwas abgeschwächt hat, im Vergleich zu den volatilen Märkten Russland und der Türkei allerdings nichts an Gültigkeit verloren hat. Der Markt gilt als sehr liquide und verfügt über ein vielfältiges Angebot an Staatsanleihen. Die jüngsten Emissionen wurden von Anlegern gut angenommen.—-*) Ronald Schneider ist Leiter Anleihen, CEE & Global Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management.