Polens Regierung verschreckt Anleger

Aktienindex hinkt dem Rest Europas hinterher - Wirtschaftsfeindlicher Kurs belastet auch den Zloty

Polens Regierung verschreckt Anleger

Mit ihrem wirtschaftsfeindlichen Kurs verstimmt die polnische Regierung die internationalen Investoren. Damit verstärkt sie die seit Jahren anhaltende Malaise des Aktienmarkts des Landes.Von Sebastian Becker, WarschauVor einem halben Jahrzehnt war die staatlich dominierte Warschauer Börse (GPW) noch der Stolz der gesamten Wirtschaft Polens. Der Handelsplatz hatte nicht nur durch sein stetiges Wachstum bei den Aktienkursen in ganz Europa auf sich aufmerksam gemacht, sondern insbesondere durch die hohe Zahl der Initial Public Offerings (IPOs), mit der die GPW zur Spitzengruppe des gesamten Kontinents zählte.Doch jetzt ist davon nur noch wenig zu spüren. Vielmehr hat sich mittlerweile Katzenjammer breitgemacht. Der polnische Aktienmarkt befindet sich im Abwärtstrend: Seit Anfang des Jahrzehnts hat der Auswahlindex WIG 20 nahezu ein Viertel seines Wertes eingebüßt. Damit hinkt das Land dem Rest des Kontinents weit hinterher. So hat etwa der Dax in dem Zeitraum um fast 70 % zugelegt. Vor einem Jahr hat diese negative Entwicklung mit der Machtübernahme durch die Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) noch einmal an Fahrt aufgenommen, weil diese politische Organisation ausländischen Investoren skeptisch gegenübersteht. Dadurch ist auch der Zloty unter Druck geraten. Im Februar sank er bis auf ein Vierjahrestief von 4,51 Zloty pro Euro und hat sich seither nicht signifikant erholt (aktuell 4,39 Zloty).Die Entwicklung ist für die Verantwortlichen in Warschau gerade deswegen besonders schmerzlich, weil die Börse momentan ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. Die Regierung, die die Börse mehrheitlich kontrolliert, hat die internationalen Investoren insbesondere durch zusätzliche Steuern für Banken und Versicherungen verschreckt, die eine Säule des Kapitalmarktes bilden. Diese Unternehmen, zu denen auch die Commerzbank-Tochter mBank gehört, machen rund 40 % der Marktkapitalisierung aus. Sondersteuern verstimmenDie PiS will mit diesen Sondersteuern insgesamt im Jahr 2016 4,4 Mrd. Zloty oder knapp 1 Mrd. Euro einnehmen. Darüber hinaus sollen die Finanzinstitute die privaten Kreditnehmer finanziell unterstützen, die ihre Darlehen in Franken aufgenommen haben. Die Konsumenten sind durch den plötzlichen Kursanstieg des Schweizer Franken teilweise in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten. Dieses Gesetzesprojekt wird bereits seit Monaten diskutiert, ohne dass es einen konkreten Abschluss gäbe. Deswegen liegen noch keine konkreten Zahlen vor, wie hoch die Zusatzbelastungen für die Banken sein werden.Klar ist jedenfalls, dass auf die Finanzinstitute Kosten in Milliarden-Euro-Höhe zukommen. Darüber hinaus sorgt eine weitere Umsatzsteuer für Einzelhändler für Verstimmung unter den Investoren. Der Sejm hat sich in dieser Woche in erster Lesung mit dem Gesetzesentwurf befasst, der monatelang am Markt heißt diskutiert worden ist. Die Höhe der Steuer richtet sich nach der monatlichen Höhe des Erlöses. Unternehmen, die nicht mehr als 170 Mill. Zloty oder 38,6 Mill. Euro erwirtschaften, zahlen 0,8 % des Umsatzes. Alle anderen, deren Volumina höher ausfallen, müssen 1,4 % zahlen. Damit will die Regierung im laufendenden Jahr Nettoeinnahmen von 1,5 Mrd. Zloty oder 340 Mill. Euro erzielen.Diese Sondersteuer betrifft insbesondere die deutsche Metro, für die das Polen-Geschäft eine strategisch wichtige Bedeutung hat. Die zusätzliche Summe, welche die Deutschen entrichten müssen, dürfte den milliardenschweren Konzern zwar vor keine grundsätzlichen Probleme stellen, zumal noch die Möglichkeit besteht, diese Kosten auf die Preise für die Endverbraucher umzulegen. Doch führt dieses politische Projekt der PiS dazu, dass sich die Stimmung am Markt wesentlich verschlechtert hat.Darüber hinaus ist Vertrauensverlust bei den Investoren nicht das einzige Problem. Die Zeit der großen Privatisierungen ist bereits vorbei. “Der Markt und die Börse sehen jetzt vollkommen anders aus als noch vor einem Vierteljahrhundert”, sagte die GPW-Chefin Malgorzata Zaleska Anfang Juni auf einer Veranstaltung vor Privatanlegern. “Damals gab es noch viele Privatisierungen, die auch für viele Kleinanleger attraktiv waren”, so die Wirtschaftsprofessorin, die erst seit Januar im Amt ist und der nationalkonservativen Regierung nahesteht.Bisher hat sich die neue Vorstandsvorsitzende nur selten in der Öffentlichkeit gezeigt. Und dass sie bei ihren wenigen Auftritten ausgerechnet vor polnischen Privatanlegern gesprochen hat, ist auch ein Zeichen, dass sie nicht unbedingt eine Freundin der großen internationalen institutionellen Investoren ist. Damit liegt sie auf einer Linie mit der Regierung, die stets betont hat, dass sie das einheimische Kapital stärken will. Erblast der VorgängerUnabhängig von dieser neuen politischen Richtung, die Polen jetzt eingeschlagen hat, muss der Aktienmarkt mit einer Erblast der liberalen Vorgängerregierung fertig werden. Diese hat den Rentenfonds, die einen wichtigen Teil ihres Kapitals in den Kapitalmarkt investieren, Volumina in Milliarden-Euro-Höhe entnommen. Anders wäre es nicht möglich gewesen, die laufenden Rentenauszahlungen überhaupt zu gewährleisten. Für den Aktienmarkt hat dies aber zur Folge, dass eine entscheidende Nachfragequelle weitgehend weggebrochen ist.