Potemkinsche Dörfer bei Themenfonds und ETFs
Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (318)
Potemkinsche Dörfer bei Themenfonds und ETFs
Über die Vor- und Nachteile von Indexfonds gegenüber aktiv gemanagten Produkten ist viel geschrieben worden und eine umfassende Analyse würde an dieser Stelle zu weit führen. Aber auf ein interessantes Phänomen wollen wir hier näher eingehen.
Zunächst stehen wir allen Wegen der Teilhabe am Produktivvermögen konstruktiv gegenüber. Kostengünstig über die Nachbildung marktbreiter Indizes in große Unternehmen zu investieren, erfreut sich hoher Nachfrage – ist es doch ein einfacher Weg zu einer diversifizierten Aktienanlage. Ein häufig genannter Nachteil passiver, indexabbildender Fonds kann bei diesen Produkten auf marktbreite Indizes wie den MSCI World vernachlässigt werden, und zwar die „Dummheit“ des Fonds. Das ist viel weniger despektierlich gemeint, als es klingt, und bezeichnet nur den folgenden Umstand: Aufgabe der Indexfonds ist die originalgetreue Nachbildung des zugrundeliegenden Index. In der gleichen Ge-
wichtung und ohne Wenn und Aber. Bei etablierten Indexanbietern ergibt sich eine gewisse Markthygiene bereits durch die Definition der Kriterien für die Indexaufnahme. So weit, so gut.
Diese systemimmanente „Dummheit“ – oder nennen wir es wohlwollender Trägheit – kann aber auch andere Folgen haben, wenn sich ETFs nicht mehr auf marktbreite Indizes beziehen, sondern auf Sektoren, kleinere Länder oder speziell aufgelegte Indizes für trendige Themen. Auf Letztgenanntes wollen wir uns konzentrieren, um den Mechanismus einmal zu illustrieren.
So finden sich mitunter Unternehmen an der Börse, die bei professionellen Beobachtern zumindest tiefes Stirnrunzeln auslösen können. Häufig fallen diese Unternehmen durch besonders zeitgeistige Namen auf, die gegebenenfalls auch häufiger gewechselt werden. Aufmerksam wird man auch bei Kapitalmaßnahmen und Finanztransaktionen mit anderen Unternehmen, die bisweilen erst kurz vorher gegründet wurden und Bezüge zu den Großaktionären aufweisen. Diese Unternehmen können es durchaus, etwa aufgrund steigender Aktienstückzahl nach mit Aktien bezahlten Übernahmen, auf stattliche Marktkapitalisierungen bringen.
Ab einer gewissen Größenordnung erscheinen solche Unternehmen dann sowohl bei aktiven Fondsmanagern und Analysten als auch bei speziellen Indexfonds und ETFs auf dem Radarschirm. Bei den einen beginnt dann zunächst die Prüfung auf sogenannte „Red Flags“, also Hinweise, die eine weitere Befassung mit dem Unternehmen ausschließen. Dazu versucht man sich zunächst ein objektives Bild von der Geschäftstätigkeit zu machen. Red Flags können eklatante Abweichungen zwischen testierten Ergebnissen und vorherigen Prognosen sein, stark verzögerte Testate eines Wirtschaftsprüfers und häufige Vorstandswechsel im Finanzressort. Aber auch schnelle und wenig nachvollziehbare Beteiligungskäufe und -verkäufe, Klagen wegen Betrugs oder Vertragsbruchs, von denen in der Presse zu lesen ist, und eine Börsennotierung im Freiverkehr, ohne Möglichkeit des Bilanzkontrollverfahrens der BaFin. Für die allermeisten professionellen Investoren und Analysten ist dann sofort Schluss.
Anders verhält es sich aufseiten der Indextracker. Solange ein Unternehmen nicht aus dem relevanten Index ausgeschlossen wird, wird gekauft. Wenn es sich dann um ein vergleichsweise kleines Themenuniversum handelt und der entsprechende Themen-Indexfonds hohe Zuflüsse erhält, fließt eine entsprechend hohe Allokation auch in Unternehmen, bei denen für aktive Fondsmanager alle Warnlampen leuchten. So wundert es nicht, dass die Aktionärsstruktur solcher Unternehmen, hinter den Großaktionären bzw. Gründern, häufig ganz überwiegend von Indexfonds dominiert wird. Das funktioniert naturgemäß besonders gut in Geschäftsfeldern, in denen es noch wenige etablierte und hochkapitalisierte Gesellschaften an der Börse gibt. Konsequent zu Ende gedacht, ließe sich so ein von Indexfonds unterstütztes Potemkinsches Dorf an der Börse errichten. Ein Randphänomen, das keineswegs die Sinnhaftigkeit von ETFs infrage stellen soll. Im Sinne des Anlegerschutzes sollte man sich aber zumindest der Mechanismen bewusst sein.