GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (64)

Private Equity trifft Mittelstand

Börsen-Zeitung, 23.3.2019 Der Mittelstand steht als Synonym für solides Wachstum, gilt als der Motor der deutschen Wirtschaft. Die Erfolgsformel ist dabei häufig die Eigentümerschaft von Unternehmern und Familien, welche die Entwicklung der...

Private Equity trifft Mittelstand

Der Mittelstand steht als Synonym für solides Wachstum, gilt als der Motor der deutschen Wirtschaft. Die Erfolgsformel ist dabei häufig die Eigentümerschaft von Unternehmern und Familien, welche die Entwicklung der jeweiligen Firmen nachhaltig vorantreiben. Für Private-Equity-Investoren ist der Mittel-stand insbesondere dann interessant, wenn es um die komplette Übernahme von Unternehmen geht – etwa im Zusammenhang mit Nachfolgeregelungen. Daraus ergibt sich jedoch nur eine Lösung: ein Verkauf an den Bieter mit dem höchsten Angebot. Aus der speziellen Eigentümerstruktur gehen allerdings noch weitere Chancen für innovative Private-Equity-Investoren hervor. Soziale KomponenteEine Vielzahl mittelständischer Unternehmen befindet sich in Familienbesitz beziehungsweise wird von (Unternehmer-)Familien geführt. Das gilt auch für börsennotierte Gesellschaften: Bei knapp der Hälfte der an der Börse gelisteten Firmen mit einer Marktkapitalisierung von unter 2 Mrd. Euro sind die maßgeblichen Aktionäre Familien oder Unternehmer. Aus dieser Eigentümerstruktur resultieren einige Besonderheiten: Das können unterschiedliche Interessen verschiedener Familienstämme hinsichtlich der Ausschüttungspolitik sein. Oft spielen soziale Komponenten wie persönliche Verbindungen oder langjähriges Vertrauen in Familienunternehmen eine große Rolle, was wiederum die erforderlichen Fähigkeiten sowie Kompetenzen und die effektive Governance im Aufsichtsrat oder im Beirat beeinträchtigen kann.Laut dem Finanzdatendienst Bloomberg haben allein 30 Unternehmen dieser Art eine unterdurchschnittliche “Board”- oder Governance-Bewertung. Auch wenn die Wachstumsstrategie des jeweiligen Unternehmens grundsätzlich klar definiert ist, fehlt es an der notwendigen Erfahrung, diese entsprechend umzusetzen, etwa bei Themen wie Unternehmenskauf und Unternehmensintegration, Digitalisierung oder Börsengang.Für den Private-Equity-Investor heißt das: Es geht nicht darum, ausschließlich Kapitalgeber zu sein, sondern vielmehr darum, die individuellen Anforderungen des Unternehmens zu berücksichtigen, auf diese einzugehen und so die Grundlage für eine gemeinsame Wertsteigerungsstrategie zu legen. Der Investor muss über ein tiefgreifendes Verständnis für den Mittelstand verfügen. Die Kombination aus diesem Verständnis, dem notwendigen Kapital und dem Werkzeugkasten eines Private-Equity-Investors kann für mittelständische Unternehmen einen entscheidenden Beitrag zur strategischen Weiterentwicklung leisten. Innovativer Ansatz gefragtDie Verbindung von wirtschaftlichen Zielen seitens Unternehmen und Investor sowie einer auf die Bedürfnisse des Mittelstands ausgerichteten Wertsteigerungsstrategie erfordert in Teilen einen innovativen Ansatz. Die Trennung in Private und Public Equity ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. Die Herausforderungen bei börsennotierten Unternehmen sind vergleichbar zu denen jener Unternehmen, die komplett im Privatbesitz sind.Einige Unternehmen sind zwar formal an der Börse gelistet und tragen somit die entsprechenden Kosten, sind allerdings angesichts der jeweiligen Marktkapitalisierung oder des Free Float effektiv vom Kapitalmarkt ausgeschlossen. Ein Gang von der Börse, ein Going Private, kann hier ein erster erforderlicher Schritt sein.Andererseits gibt es Unternehmen mit einem klaren Wachstumskurs, die den Schritt an die Börse scheuen. Hier kann der Investor mit Kapital und Know-how unterstützen und so bei der gezielten Vorbereitung eines Initial Public Offering (IPO) einen echten Mehrwert bieten.Im Private-Equity-Segment wird traditionell die Kontrolle über das Unternehmen mit einer Mehrheit der Stimmrechte oder der kompletten Übernahme gleichgesetzt. Im Mittelstand schränkt dieses Verständnis die Opportunitäten erheblich ein. Entscheidend ist hingegen eine gemeinsame Auffassung der Eigentümer – Unternehmer, Familie, Investor – hinsichtlich der Strategie. Diese ist entscheidend für eine wachstumsorientierte Entwicklung. Im Mittelpunkt steht dabei eine effektive Kontrolle, die auch in starken Minderheitenpositionen verankert sein kann, wenn eine übereinstimmende Perspektive hinsichtlich der Zusammenarbeit und des Investments besteht. Klares Verständnis verlangtMittelständische Unternehmen mit Familienhintergrund können für Private-Equity-Investoren durchaus eine interessante Anlagemöglichkeit darstellen, und der Private-Equity-Sektor kann als Kapital- und Know-how-Geber entscheidend zum Erfolg eines wachstumsorientierten Unternehmens beitragen.Dies funktioniert allerdings nur, wenn Investor und Unternehmen die individuellen Anforderungen des jeweiligen Partners durchdringen, jeder ein klares Verständnis von der Rolle des anderen hat und alle Beteiligten hinsichtlich strategischer Belange die gleichen Ansichten vertreten. Als Privatbank mit Unternehmerhintergrund weiß man um die individuellen Anforderungen, die ein mittelständischer (Familien-)Unternehmer an einen potenziellen Kapitalgeber hat.—-Dr. Herbert Pohl, Leiter Private Markets, Bankhaus Lampe—-Zuvor erschienen:- Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig (63), Hauck & Aufhäuser- Vielseitigkeit von Holz als Anlagethema (62), Pictet Asset Management- Gefangener der EZB – Wege aus dem Zinsdilemma (61), Metzler Capital Markets