Profiteur gesunkener Rohstoffpreise
Der koreanische Aktien-Leitindex Kospi kommt seit bald drei Jahren kaum vom Fleck, während viele globale Aktienmärkte kräftige Gewinne verbuchten. Dafür gibt es nach Ansicht von HyungJin Lee, der unter anderem einen Korea-Aktienfonds bei Barings leitet, zwei Gründe: sinkende Wachstumsraten und der schwache japanische Yen. Im Interview der Börsen-Zeitung berichtet er zudem, wie schwierig es ist, Samsung, Hyundai & Co. zu mehr Dividendenausschüttungen zu bewegen.- Herr Lee, bei der jährlichen Anpassung der MSCI-Indizes ist eine der spannendsten Fragen, ob Südkorea in den Industrieländer-Index aufrückt oder weiter als Schwellenland eingestuft bleibt. Wann ist es Ihrer Ansicht nach so weit?Korea ist aktuell in einer recht interessanten Situation: Es ist nicht mehr recht ein Schwellenland wie Indonesien mit sehr hohen Wachstumsraten, aber noch nicht recht ein komplett entwickelter Markt wie Japan. Korea befindet sich irgendwo in der Mitte. Irgendwann wird es mit der Umstufung einmal klappen, aber wohl noch nicht dieses Jahr.- Der koreanische Aktienmarkt hat sich im globalen Vergleich zuletzt eher schwach entwickelt, Investoren schienen Korea nicht so recht zu mögen. Der Leitindex Kospi hat sich seit 2012 deutlich schlechter als der MSCI World entwickelt. Was ist der Grund dafür?Erstens muss man auf das Wachstum schauen: Die koreanische Wirtschaft wächst nicht wie Indonesien oder Taiwan mit 7 bis 8 % im Jahr, sie ist keine sexy schnell wachsende Volkswirtschaft mehr. Zum zweiten schauen die Leute wieder stärker auf Japan, die beiden Länder sind in gewisser Weise vergleichbar. Der japanische Yen hat in den vergangenen Jahren deutlich abgewertet, und viele koreanische Unternehmen konkurrieren mit japanischen Firmen. Dies gilt insbesondere für den Autosektor: Japanische Autohersteller sind global sehr stark und konkurrenzfähig. In anderen Sektoren trifft dies aber weniger zu, die Dinge haben sich stark verändert. Nehmen Sie Sony als Beispiel, die bei Unterhaltungselektronik kein Wettbewerber mehr für Samsung sind. So gesehen beeinträchtigt der schwache Yen nicht den koreanischen Tech-Sektor.- Beide Länder haben eine starke Stahlindustrie und große Schiffswerften. Da sollte mit dem schwachen Yen doch Japan im Vorteil sein?Das ist ein bisschen wie mit dem Technologiesektor. Koreanische Schiffsbauer sind sehr groß geworden, während die japanischen Werften relativ gesehen schrumpfen. Sie sind deshalb nicht mehr länger vergleichbar. Bei Stahl sind koreanische, japanische und auch chinesische Unternehmen alle in der gleichen Situation, weil sie alle Eisenerz einführen müssen. Die Märkte befürchten, dass Japan im Zuge der Abenomics den Yen noch weiter abwerten lässt. Wichtig für Korea wäre, dass der Yen sich stabilisiert, egal auf welchem Niveau, denn in vielen Sektoren konkurrieren die Unternehmen nicht mehr miteinander. Japan hat nach wie vor einen großen Technologiesektor, der ähnlich wie in Deutschland hoch spezialisiert ist.- Viele Brokerhäuser erwarten ja eine weitere Yen-Abwertung.Ja, Ministerpräsident Shinzo Abe und Notenbankpräsident Haruhiko Kuroda tun alles, um den Yen weiter zu drücken. Aber er bewegt sich nicht so recht.- Wie gestaltet sich derzeit das makroökonomische Umfeld für koreanische Aktien?Korea gehört zu den Volkswirtschaften, die am meisten von den gesunkenen Rohstoffpreisen profitieren. Und das Land ist gut für ein Szenario einer globalen Konjunkturerholung aufgestellt wegen seines hohen Exportniveaus, sowohl in die Schwellenländer als auch in die Industriestaaten. Koreas größter Exportmarkt ist China mit einem Anteil von 25 %, auf die G3-Länder USA, Japan, Eurozone entfällt etwa der gleiche Anteil. Fundamental betrachtet geht es Korea gut, es erwirtschaftet einen Leistungsbilanzüberschuss, es gibt kein Schuldenproblem. Korea besitzt zudem global tätige Konzerne wie Samsung und Hyundai. Samsung versucht bei Smartphones Marktanteile von Apple zu gewinnen. Wir werden sehen, wie dies ausgeht.- Welche Rolle spielen Dividenden für koreanische Aktien?Die Unternehmen halten zu viel Cash, das ist ein Problem. Korea ist ein alterndes Land mit einem reifen Aktienmarkt. Aber Corporate Korea glaubt, sie wären Indonesien: Sie wollen wachsen, wachsen, wachsen; sie wollen noch immer Marktanteile gewinnen. Deshalb zahlen die Unternehmen nur geringe Dividenden. Korea gehört zu den Ländern mit den niedrigsten Dividenden in der Region. An der Spitze der großen Unternehmen stehen seit zehn oder 20 Jahren die gleichen Leute, die Wachstum und steigende Marktanteile wollen. Deshalb behalten sie das Geld im Unternehmen. Aber Korea ist nicht mehr diese Art schnell wachsender Volkswirtschaft, der Aktienmarkt muss deshalb reifer werden.- Sieht die Politik dieses Problem?Die Regierung ist derzeit bemüht, die Unternehmen aktienmarktfreundlicher einzustellen. Sie wollen sie nicht zwingen, höhere Dividenden auszuschütten. Sie sagt stattdessen: Ihr habt die Wahl. Erhöht die Investitionen und schafft mehr Jobs, erhöht die Löhne oder zahlt höhere Dividenden. Die Reaktion der Unternehmen bislang: Okay, dann investieren wir mehr. Nun, das war nicht das Ergebnis, das sich die Regierung gewünscht hat, aber das ist immerhin ein Beginn. Auf längere Sicht werden die Unternehmen aber mehr Dividenden ausschütten, auch wegen der sich verändernden Demografie.- Aus deutscher Sicht ist Toyota der Hauptwettbewerber von Volkswagen. Manche Branchenbeobachter sehen Hyundai als künftig wichtigsten Wettbewerber. Wie sehen Sie Hyundai?Nun, Toyota ist noch immer ein sehr guter Autohersteller. Ich denke aber, dass Hyundai auf längere Sicht sehr wettbewerbsfähig ist. Sie haben nach der Finanzkrise ihr Geschäft ausgeweitet mit guter Qualität zu günstigen Preisen.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.